Wir waren gemeinsam an der Kunstschule, die, allein das ist schon lyrisch, hoch über der Stadt neben der stadteigenen Burg liegt.
Nachdem sie einige Dinge dort erledigt hatte, nämlich einen Rahmen gezimmert, was mich beeindruckt hatte, sich in der Kunstschule zuhause gefühlt, was mir damals wie Konkurrenz erschien, setzten wir uns mit ein paar Blatt Papier auf die Wiese vor der Schule und suchten Motive.
Allerdings gab es kaum welche, also zeichneten wir uns, legten uns voreinander und waren ein bisschen unsicher.
Ich habe selten eine so sinnliche Situation erlebt, und wenn ich sinnlich sage meine ich hier genau das: Sinnlich. Die Sinne betreffend.
Wir zeichneten beide regelmäßig, hatten ein Auge für Schwünge, für Formen, und genau das wurden wir für den anderen. Da waren nicht mehr Arme oder Hüften oder Schultern, da waren Schwünge und Formen, und in dieser Auflösung der Körper lag gleichzeitig eine große Körperlichkeit.
Mein Blick ruhte irgendwann auf ihren Brüsten, weil ich die zeichnen wollte, und meine Sache gut machen wollte, immerhin wusste ich, dass sie das Bild nachher sehen wollen würde, also schaute ich genau hin, und erst nach geraumer Zeit wurden die Schwünge wieder zu Brüsten, und dann war es mir unangenehm. Aber in gewisser Weise war doch eine Erlaubnis da, das zu tun, es war so eine professionelle, entrückte Atmosphäre.
Nach 10 sinnlichen Minuten, vielleicht 15, hatten wir unsere Skizzen fertig, setzten uns nebeneinander, sodass unsere Jeansnähte sich gerade so berührten, und schauten die Bilder an.
“Schön!”
“Find ich auch.”
Sagten wir, und ich meinte natürlich nicht nur die Bilder. Wir schauten die Bilder an, schauten uns an, ob wir denn auch ähnlich geworden wären, ähnlich schön, und dann schauten wir uns weiter an, und dann küssten wir uns.
Am nächsten Tag begrüßte ich sie am Morgen mit einem Kuss, und sie schmeckte nach dem Granny Smith, den sie aß. Seitdem warte ich immer darauf, dass Mädchen nach Apfel schmecken.
Am übernächsten Tag machte sie in der großen Pause Schluss.
Naja.