Sie wollen uns holen, und sie haben gute Argumente. Das wichtigste hat trügerischerweise ein -ich- in der Mitte, davor aber ein S- und danach ein -erheit, und es ist gelogen. Weder geht es ums Ich, noch ist die Sicherheit ein gutes Argument.
Ich habe gestern das neue Tanztheater-Stück Stadt.Stolper.Steine von Gregor Zöllig gesehen, und es geht um die Zwänge in Städten, oder eigentlich in der urbanen Moderne allgemein.
Tanz erschließt sich mir sehr unmittelbar. Obwohl gelegentlich mein Kopf zu reden beginnt und mir die Bilder interpretiert (“Hier geht es also um Einsamkeit”), funktioniert das meiste über die Seele. Musik, Licht, Körperbewegung, eine Sprache ohne Worte. Das fasziniert mich unheimlich, diese Kombination kenne ich bislang nur vom Sex. Da fasziniert sie mich auch, aber Tanztheater ist doch etwas anderes.
Die Universalität der Themen rund um städtisches, modernes Leben nimmt mich mit. Offensichtlich sind Gehetztheit, Konkurrenz, Nähelosigkeit und Einsamkeit allen bewusst, dem Choreographen, weil er Tänze dazu findet, und den Tänzern, weil sie sie tanzen können. Ich glaube nicht, dass man etwas tanzen kann, das man nicht versteht.
Also: Alle kennen die Themen, niemand mag sie, aber niemand tut etwas dagegen.
Bei mir geht es auch so langsam los mit dem Sicherheitssingsang. Ich bin jetzt bei Xing, einer Social-Networking-Plattform im Businessbereich, Vernetzung, Vitamin B, Gesumse, Gesumse, und ich fühle mich seltsam damit.
Die Kollegin, mit der ich mich selbständig machen will, imponiert mir, denn sie lehnt einen Job ab, auf dass sie mehr Zeit hat und besser lebt.
Ein Freund von mir ängstigt mich, denn als Antwort auf seine Überforderung erwägt er (zwar im Scherz) den Alkoholismus, und nimmt das in Kauf für die Sicherheit im Alter.
Wo es hin gehen muss, ist klar. Der Tanz hat gut ausgemalt, was die Moderne mit einem macht, und mein Umfeld steckt Entscheidungspole ab. Am Ende kommt nichts mehr. Die Dinge, die Menschen sind kaputt und das Stück hört auf. Das mag jetzt pathetisch klingen, und nichts ist so einfach, wie es in einem Satz auszudrücken wäre, aber doch berührt es mich und erinnert mich an das gute Leben, und die Kürze der Zeit, und damit an die resultierende Notwendigkeit einer Langsamkeit. Also los. Nicht dahin, woanders hin, ich hab noch 70 Jahre, die müssen schön werden. Ehrlichkeit, Nacktheit, Zärtlichkeit, die Tugenden sind klar umrissen. Machen wir uns auf den Weg.
Närrisch ist er, dieser Weg, er geht in Schleifen, er geht vielleicht im Kreise. Mag er gehen, wie er will, ich will ihn gehen.
Hermann Hesse, Siddharta
PS: Übrigens gibt es einen einfachen Grund, warum genau Sicherheit kein gutes Argument ist. Weil es eine Zeit in der Zukunft zusichert, die man jetzt schon haben kann, wenn man sich gegen die Sicherheit entscheidet.