Mal angenommen, 2 Menschen äußern sich zu einem beliebigen Sachverhalt. Der eine Mensch findet ihn eher gut, der andere eher schlecht.
Der Mittelwert verrät uns, dass die beiden dem Sachverhalt neutral gegenüber stehen. Das ist natürlich Unfug. Es ist, zugegeben, auch etwas wagemutig argumentiert, denn kein Wissenschaftler würde bei 2 Personen einen Mittelwert berechnen, das tut man einfach nicht.
Aber doch entsteht genau so der Normalitätsbegriff. Normal ist die Mitte von allem, auch wenn sich da in Wirklichkeit gar niemand befinden mag.
Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umsehe, entdecke ich niemanden, der nicht irgendwie seltsam wäre. Irgendeinen Spleen hat nun wirklich jeder. Das einzige, was die Menschen unterscheidet, ist die Art des Spleens, und die gesellschaftliche Einschätzung, wie weit weg von der Mitte das ist.
Diversity rules.
Oft mag man sogar genau das. Das beginnt im Kleinen (Feylamia hat gesagt, ich soll mal über meine Taschenuhr schreiben, also los): Alle mögen meine Taschenuhr. Ich habe sie mir irgendwann gekauft, einfach weil ich Armbanduhren immer verloren habe, meine Hose aber noch nie, und da man Taschenuhren in Hosen steckt, hielt ich das für eine gute Idee. Aber alles juchzt, wenn ich sie zücke, “Nein, so eine schicke Uhr”, weil sie eben anders ist. Nun gut.
Und es endet im Großen, wenn man sich seinen Geliebten und Liebenden öffnet, und man offenbart, was so richtig seltsam ist. Ich mag es, beim Sex die Augen verbunden zu haben. Ich kann nur im Dunkeln. Ich hab immer Angst, dass du mich verlässt. Je mehr ich dich liebe, umso mehr ärgert mich meine Abhängigkeit. Solche Sachen. Die großen Seltsamkeiten.
Der Umgang mit diesen Seltsamkeiten entscheidet über Gemach und Ungemach von Zwischenmenschlichkeiten.
“Diversity rules” heißt nämlich, dass sie überall ist, dass sie das herrschende Prinzip ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie jemanden beherrschen darf. Die Seltsamkeiten gilt es zu akzeptieren und liebzuhaben, und vielleicht, ihnen zu entsprechen, wo das geht. Nur verbiegen darf man sich nicht. Dann rückt man im Zweifelsfall von seiner eigenen Seltsamkeit ab, und das ist nicht gut, denn manche sagen Individualität oder Charakter dazu.