Monatsarchive: Juni 2007

29.06.2007 13:15
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Gestern “Das Leben der Anderen” geschaut und festgestellt: Wir gehen in diese Richtung.

Nur dass heute keine Wohnungen mehr verkabelt werden, sondern die Kabel benutzt werden, die eh da sind.

29.06.2007 2:09
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Der Junge pellt den Baum, ich sehe das bei meinem Gang zur Tür, hinter der meine Arbeit wartet. Naja, mein Job. Armer Baum, denke ich noch, und dann Moment mal.

Ich gehe zu dem Jungen. Er und der Baum stehen am Rande eines Spielplatzes inmitten eines sozialen Brennpunkts. Viele Ausländer, viele Leute die sich über die Ausländer aufregen, und abends werden angeblich Drogen verkauft, aber es gibt eine Kletterwand und mehrere Schaukeln. Und jede Menge Bänke mit Pistazienschalen davor. Der Junge und der Baum stehen am Rand dieses Spielplatzes und kämpfen. Der Junge mit der Aufgabe, dem Baum mit einem alten rostigen Meißel die Rinde zu entfernen, und der Baum ums Überleben.
Während ich auf ihn zu schlendere, mit meinem schwarzen Mantel aber ohne Strategie, scharen sich die anderen anwesenden Kinder um die zu erwartende Gefechtszone. Sie laufen herbei, scheinen aber ein größeres Gefecht zu erwarten, denn sie halten Abstand. Ich selber weiß noch nicht, was passiert, denn ich habe keine Strategie.

“Hallo”, sage ich, das ist am Anfang immer gut, “was machst du denn da?”. Einigen Tropfen Missbilligung erlaube ich es, zusammen mit der Botschaft mit rauszukommen.
“Schöner Tag heute, nicht?” sagt der Junge. Seine Verwirrungstaktik geht nicht auf, denn ich durchschaue ihn. “Weiß nicht. Was machst du da? Warum machst du die Rinde ab?”
Der Junge hämmert weiter mit dem alten Meißel auf den Baum ein. Ein handbreiter Streifen hängt von dem jungen Baum wie eine alte Mullbinde, nur in grün. Das weiße Baumfleisch leuchtet raus und beißt sich unangenehm mit dem Rostrot des Meißels. Der Meißel beißt sich auch unangenehm, nämlich immer wieder in die Rinde des Baums.
“Schöner Tag heute, nicht?”, sagt der Junge wieder. “Hör mal”, erwidere ich, “ich find’ das nicht gut, wenn du dem Baum die Rinde abschlägst. Was soll das? Der stirbt, wenn der keine Rinde hat.”
“Wie, der stirbt? Wie ein Mensch, oder was?” wirft er zurück und ist ungehalten.
“Nein, natürlich nicht wie ein Mensch, der lebt anders.”
“Quatsch. Das ist ein Baum. Der hat kein Herz, der hat kein Hirn…”. Weiter geht der Meißel nieder, unmotiviert. Ich argumentiere noch ein bisschen, sachlich, will mit ihm auf einer Ebene bleiben. Leute, die Kindern von oben herab sagen, wie die Dinge richtig sind, hat es schon genug.

“Schöner Tag heute, nicht?”, sagt er irgendwann nochmal. “Weiß nicht”, sage ich diesmal, “du scheinst eher schlechte Laune zu haben, und für den Baum gab’s auch schon bessere Tage”. “Tja, kann sein”, sagt er patzig, “wissen Sie, meine Freundin hat heute mit mir Schluss gemacht”. Er klingt immer noch vorwurfsvoll, als hätte seine Freundin das vorher mit mir abgesprochen.

Ich bin dann gegangen. Männer mit Liebeskummer zeichnen sich nicht durch große Einsichtsfähigkeit aus.
“Rufen Sie jetzt die Polizei?” hat er mir noch hinterhergerufen. Ich habe das verneint. Ich hätte ihm gesagt, was ich davon halte, was er da macht, jetzt wäre es seine Entscheidung.

Nach der Arbeit bin ich nicht nochmal schauen gegangen, wie es dem Baum ging. Weil ich Angst hatte.

Nachsatz
Tut mir Leid, dass ich gerade so selten hier bin, ich hoffe, ihr findet andere schöne Dinge im Netz! Ihr wisst ja, das schwankt bei mir öfter, und gerade ist einfach viel los, beruflich wie privat. Aber das meiste ist ganz gut!

15.06.2007 11:29
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So, mal wieder muss ich einen bösen Brief an “den Staat” schreiben. Heute: Frau Rogall-Grothe. Diese Frau arbeitet im Bundesinnenministerium und ist, angeblich, für das Verfassungsrecht zuständig.

Sehr geehrte Frau Rogall Grothe,

über die Website Heise.de erreicht mich folgende Darstellung Ihrer Meinung zur Freiheitsgefährdung durch Überwachung:

Die für das Verfassungsrecht zuständige Vertreterin des Bundesinnenministeriums, Cornelia Rogall-Grothe, fand diese Diskussion “einseitig und sehr Datenschutz-geprägt”. Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit sei “nicht so dramatisch”, wie es die Referenten dargestellt hätten. “Ich habe eher den Eindruck, dass der Bürger seine Freiheit nicht gefährdet sieht”. Man solle “die Diskussion nicht so führen, als würde jeder Bürger mit Online-Durchsuchungen überzogen”
Quelle: Heise.de

Ich möchte Sie hiermit höflich darüber informieren, dass ich (und ich bin zufällig Bürger) meine Freiheit durchaus gefährdet sehe.
Im Rahmen der Untersuchungen nach dem 11. September war ich schon Teil einer Rasterfahndung. Dem biometrischen Pass konnte ich durch die rechtzeitige Beantragung eines neuen Passes vor dem Datum der Umstellung noch entgehen. Den Mainzer Hauptbahnhof mit seiner hochgerüsteten Videoüberwachung betrete ich nicht mehr. Ebenso wenig, aber das nur am Rande, würde ich Großbritannien besuchen, aber das berührt weniger als Mainz den Artikel 11 GG (Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet). Ich bin schockiert über die Anwesenheit der Bundeswehr bei den Demonstrationen in Heiligendamm, und noch schockierter über die Palette an Urteilen des BVG, die wieder und wieder vereiteln (und somit als verfassungswidrig einstufen), was an sicherheitspolitischen Maßnahmen durchgedrückt werden soll.

Und der Punkt, liebe Frau Rogall Grothe, ist nicht, ob man mit Online-Durchsuchungen überzogen wird, der Punkt ist, dass es möglich ist, Opfer einer Onlineuntersuchung zu werden (und somit eines Präventiveingriffs in die verfassungsmäßig garantierte Privatsphäre (Art. 2, 10 und 13 GG)). Diese Möglichkeit, nicht die Maßnahme (oder ein “Überziehen” mit dieser Maßnahme) ist es, die meine Freiheit gefährdet – weil Überwachung auf das Verhalten wirkt. Ich werde Ihnen dieses Argument nicht ausbuchstabieren, denn ich bin sicher, Sie kennen es.

Ich weiß, ich werde Ihren Standpunkt nicht verändern können, aber ich verlange eines: Sprechen Sie nicht über die Sichtweise der Bürger, wenn Sie keine Ahnung davon haben. Das ist insbesondere deshalb peinlich, weil Sie für das Verfassungsrecht zuständig sind. Die Verfassung regelt das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Da Sie den Staat vertreten, aber für die Verfassung zuständig sind, sollten Sie umso mehr und umso genauer wissen, was die Bürger denken und befürchten. Sie sind Volksvertreterin und haben (vermute ich) auf die Verfassung geschworen. Handeln Sie bitte danach, oder, wenn Sie es nicht tun, geben Sie wenigstens nicht vor, es zu tun.

Ärgerliche Grüße,

J.

14.06.2007 12:54
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Ab Januar 2008 werden behinderte Menschen nicht mehr nur reine Sachleistungen erhalten, sondern auch Geldleistungen. (Quelle: Bundesregierung)

Auf diese Neuigkeit kann man unterschiedlich reagieren. Zum einen könnte man denken: “Nanu, ist doch wurscht, ob man sich den Rollstuhl jetzt selber kauft oder er direkt ankommt“, oder aber “Bitte? Behinderte hatten nur Essensmarken zur Verfügung?“.

Mir war nämlich nicht klar, dass das so ist, dass man also, wenn man vom Staat unterstützt wird, nicht mehr wählen darf, was man braucht. oder möchte, sondern vorgeschrieben wird: Wir zahlen dir ein Bett, einen Rollstuhl, jeweils mit maximal so und soviel Geld. Sonderwünsche gibt es nicht.

Dabei machen Sonderwünsche in den Augen sehr vieler Menschen das Leben genau aus. Die beklopptesten Spleens machen Leute zu dem, was sie sind: Autonarren, Büchersammler, Videospieler. Man mag kritisieren, dass der Kommerz persönlichkeitsbildend ist, aber in meinen Augen steht weniger der Kommerz im Vordergrund, sondern eher die freie Wahl, und im Kapitalismus bedeutet “freie Wahl” nunmal, Geld für das auszugeben, was man will. (Witzig übrigens, “freie Wahlen” bedeuten dagegen, zu wollen, wofür Geld ausgegeben wird…). Wahlmöglichkeit ist Freiheit. Geld ist Freiheit.

Ab 2008 bekommen Behinderte also ein gewaltiges Stück Freiheit, von dem ich gar nicht wusste, dass sie es bislang entbehren mussten.
Besonders interessant ist das für das oft tabuisierte Thema von Behinderung und Sexualität. Selbstverständlich ist Sexualität für alle Menschen ein Thema, und leider ebenso verständlich häufig für Behinderte ein sehr schwieriges. Aus dem Grund erwägen nicht besonders wenige Behinderte, sexuelle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Solche sexuellen Dienstleistungen, von Prostitution bis Sexualbegleitung oder Sexualtherapie, waren bislang natürlich leider nicht Teil des staatlichen Leistungskatalogs – what Tabu is all about. Und natürlich reichte das wenige Restgeld, was man dann doch hat – zB aus (sehr schlecht bezahlter) Arbeit in Werkstätten oder ähnlichem – nicht aus, um so etwas zu bezahlen. Sex ist teuer.

Nun aber, oder vielmehr nächstes Jahr, steht es den Menschen frei, solche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen – Und das finde ich wunderbar!

04.06.2007 13:57
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Google Streetview ist ein neues Feature von Google Maps, und ich bin der Meinung, es verletzt geltendes Recht. Geltendes Grundrecht.

Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal fordern würde, aber ich glaube, ich will, dass das in Deutschland nicht erlaubt wird. Recht auf Privatsphäre und so, Gewaltmonopol des Staates (der ja auch überwacht, was aber was anderes ist – und auch schon doof).

Oder man schwärzt alle Gesichter und Nummernschilder.

Ich verzichte auf Links. Ich bin schockiert. Vor allem weil ich glaube, dass Google damit durchkommen wird, weil Google von allen gemocht wird…

04.06.2007 1:04
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Leute, ich muss grad mehr leben als schreiben, aber eine Sache wird mir in aller Deutlichkeit vor Augen gehalten, und sie beschreibt kurz und bündig, was ich in meinem letzten Beitrag zu sagen versucht habe:

Die Wahrheit ist einfach nicht immer vernünftig.