“Frauen stehen auf Arschlöcher”. Sagt man. Auf Machos, auf unsensible und rücksichtslose, ungehobelte Knallchargen. Nun kann es an sehr unterschiedlichen Gründen liegen, warum man das sagt.
Zum Einen könnte es ein schlichter Versuch von Männern sein, ihren Selbstwert zu erhalten. “Aha, ich hab immer Pech bei den Frauen, na, dann bin ich immerhin kein Arschloch”. Oder es liegt daran, dass nach einer hässlichen Trennung die meisten Partner als Arschloch erscheinen.
Aber es könnte ja auch sein, dass was dran ist. Dass tatsächlich viele Frauen mit Männern zusammen sind, die unter die landläufige Definition von “Arschloch” fallen. Tatsächlich gab es in meinem Studium – Ihr wisst schon, “damals”, als ich noch Student war. Ach, das war eine tolle Zeit, aber heute, als Diplompsychologe, ist das natürlich völlig anders geworden. Ich denke gern und oft zurück an die Zeit an der Uni… wir waren ja so jung, und so verrückt… – also, tatsächlich gab es in meinem Grundstudium eine Theorie, die das irgendwie erklären konnte, nämlich über die Rechtfertigung des Aufwands. So komplett kriege ich das nicht mehr zusammen, aber es ging irgendwie drum, dass man bei dissonanten Informationen (z.B. “Der ist aber süß” und “Der hat gerade einen total miesen und blöden Kommentar abgelassen”) versucht, diese Dissonanz zu verringern. Aus irgendwelchen Gründen passiert das häufiger über “Ach, so blöd war der Spruch gar nicht, der Thorsten hat halt ne raue Schale” und nicht so oft über “Tja, ist wohl doch nicht so toll, dieser Typ”. Wahrscheinlich weil man gern verliebt sein will. Wie auch immer.
Letztens lag ich mit einer Frau im Bett herum, wir sahen einen Film, und ich spürte eine gewisse sexuelle Anziehung. “Hui”, dachte ich, “das fühlt sich aber ganz nett an”. Die Frau hatte vorm ins Bett legen ihren Pullover ausgezogen und meinem Blick ihre wohlgeformten Schultern und ihr Dekolleté angeboten. Das wusste der Blick sehr zu schätzen und ruhte sich zeitweise darauf aus.
Ich allerdings, weitaus besser erzogen als mein Blick (mein Blick wurde nie geschult), dachte, dass es kompliziert werden könnte, und wusste ja auch gar nicht, was die Frau so wollte. Spielen? Anfassen? Das berühmte “Mehr”? “Mehr” hätte ich nämlich nicht gewollt, und wenn ich jetzt spiele und anfasse, verspreche ich dann nicht etwas?
Ich weiß, ich weiß, das ist bekloppt. Ich sollte entweder drauf scheißen oder drüber reden, aber das hab ich halt beides nicht gemacht. “Kommt Zeit, kommt Rat”, dachte ich, und genoss erstmal den Abend mit ein kleinklein bisschen schmiegen (ja, kleinklein, das ist noch etwas weniger als ein klein bisschen). War eigentlich auch schön, im Moment und alles. Die Anziehung war dennoch da.
Jedenfalls merkte ich ganz deutlich: Ich hatte Angst, dass ich sie verletzen könnte, wenn ich jetzt forsch werde, dass wir in ein Missverständnis rutschen. Das hätte mir leid getan. Zwar auch für mich, denn das wäre ganz schwierig geworden, aber mehr noch für sie. Ich verletze nicht gern.
Und vielleicht, so jetzt die steile These, ist das genau die Eigenschaft, die sogenannte Arschlöcher nicht haben. Sie versuchen nicht, eine Verletzung zu verhindern. Ich sage nicht, dass sie gern verletzen, aber vielleicht wäre ein landläufig definiertes Arschloch in meiner Situation einfach lockerer gewesen, und hätte mal geschaut was so passiert. Und, more often than not, würde daraus vermutlich was Nettes erwachsen. Klar, manchmal tun solche Leute anderen Leuten weh, aber häufig passt es ja auch. Alle mögen Sex. Und so wäre dann auch klar, warum diese sogenannten Arschlöcher so erfolgreich sind. Wenn sie es dann noch hinkriegen, selber keine Angst haben, verletzt zu werden, steht ihnen die Welt offen und liegt ihnen zu Füßen. Obwohl, vielleicht doch nicht beides zugleich, dann stürzen sie ja hinein.
Aber eins von beidem vielleicht. Könnte doch sein. Und dann sind die Arschlöcher auch keine Arschlöcher, sondern furchtlos, und die anderen Männer sind nicht die anderen Männer, sondern feige. Haben Dünkel in Momenten, wo der Dünkel nicht angebracht ist. Trauen sich nicht, die Hand auszustrecken oder den Mund aufzumachen. Also: Scheibe abschneiden von den Furchtlosen.