Eltern sind doch eine ganz verrückte Sache. Oder vielmehr ist die Beziehung zu Eltern, so ganz allgemein, eine wirklich außerordentlich verrückte Geschichte.
Natürlich, es gibt Ausnahmen. Es gibt diese Leute, die einfach mit 16 ausziehen, und das war’s dann mit den Eltern. Und es gibt auch Leute, die wirklich und ganz in echt ihre Eltern schlicht mögen, gut mit ihnen auskommen, sie bei manchen Dingen eher anrufen als sie ihre Freunde anrufen würden.
Aber für das Gros der Menschheit (soweit ich das überschauen kann, was zugegebenermaßen nicht so dolle weit ist) sind Eltern etwas Komisches.
Für mich auch.
Das komischste an allem ist, dass man Eltern nicht einfach Eltern lassen kann. Familie ist doch, das hat mir mein Psychologiestudium hie und da immer wieder aufgezeigt, zentral für so alles Mögliche, nicht zuletzt eben die geistige Gesundheit.
Und diese Relevanz spürt man sogar.
Ich für meinen Teil hatte, als ich 17 war, mit dem Gedanken gespielt, eine Psychotherapie zu machen, da fing das gerade an, dass man das machen konnte, nicht weil man verrückt sondern weil man willens war, sich zu entwickeln.
Ich habe das dann aber gelassen, weil ich befürchtete, im Laufe der Therapie mit meiner Mutter reden zu müssen.
Nicht dass das schlimm wäre, meine Mutter ist nett, aber …
Ja, was aber eigentlich?
Mal von etwas weiter vorn: Das Thema Familie gehört hier ins Blog, weil es 2 große Themen des Blogs berührt und vereint: Normen und Liebe.
Seine Eltern hat man nämlich zu lieben. Koste es was es wolle. Oder wenigstens zu hassen, aber Gleichgültigkeit gilt als verhaltensgestört, denke ich. Übrigens, das wird in Polyamory-Kreisen gern als Argument ins Feld geführt, wird bei Eltern auch genau erwartet, dass man beide liebt, möglichst beide gleich, und umgekehrt, bei mehreren Kindern, ist es auch so. Aber das nur am Rande.
Elternliebe ist normal, so heißt es. Ist die Norm. Dann muss es ja wohl normal sein. Warum ist es dann nur so höllisch schwer, seinen Eltern das zu sagen? “Mama, ich liebe dich.” Gott, es ist sogar komisch zu schreiben.
Ein kindliches und ergo distanziertes “Ich hab dich lieb” ist einfach, das sagt man besonders gern und leicht in Situationen, die das hergeben, wenn es jemandem schlecht geht, oder wer was Schönes tut. “Ich hab dich lieb” ist aber nicht der Punkt.
Die Beziehungen in der Familie kommen immer wieder rauf. Immer. Ich denke über Beziehungen nach, und wie ich darin funktioniere: Zack, meine Eltern stehen auf der Erklärungsmatte, schuldbewusst die Scheidungsurkunde in den Händen, und irgendeinen Spiegel über Scheidungskinder, den es sicher gibt, meinetwegen einen Stern, in der Hand.
Ich denke über Beruf nach, und wie ich dabei so funktioniere, und: Zack, stehen da Dr. Papa und Dr. Mama und sonnen sich in dem, was sie erreicht haben. Und ich denke: Mensch, steht ihnen aber gut, die Sonne… ob ich wohl auch…?
Und so geht das weiter.
Mir leuchten beide Seiten der Frage “Liebe ich meine Eltern?” ein.
Erstens: Warum sollte ich? Klar, ein feiner Zufall, sollte man die Menschen tatsächlich mögen, die einen zunächst in den Leib hinein- und dann wieder herausbugsierten, diese Menschen, die man zufällig Eltern nennt. Ist sicher nett. Das ist so, als wenn ich im Urlaub mit 2 Fremden in einem Appartment wohne und feststelle, dass ich sie mag.
Klasse Urlaub. Aber erwarten kann ich das natürlich nicht.
Zweitens aber auch: Warum sollte ich nicht? Alle meine Gene, bis auf ein paar durch Crossing Over und Spontanmutation veränderte Kollegen, könnte ich in diesen beiden Menschen wiederfinden. Sie sind ich. Natürlich liebe ich die, zumindest, wenn ich mich selbst liebe.
Dummerweise sind aber beide Sichtweisen recht sinnig, ich vermag mich nicht zu entscheiden, und so hänge ich in den gleichen Seilen, wie das Gros der Menschen, soweit ich das überschaue.
In den Seilen nämlich, an denen unten die Anker dran sind.