Monatsarchive: November 2005

29.11.2005 1:18
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Liebe Marveille, hier geht es viel um dich. Aber es ist kein Appell, sondern eine Ich-Botschaft. Falls du es lesen willst, solltest du das wissen – Druck ausüben will ich nämlich eigentlich nicht..

Ich stelle immer mehr fest, dass mir Sex im Grunde nicht so besonders wichtig ist. Also, Sex as in Orgasmus zumindest. Deswegen sage ich manchmal lieber Sex* (sprich: Sexsternchen) oder Körperlichkeit, um mehr damit zu meinen.

Auch wenn das hart klingt und ich nicht ausschließe, dass mich mehr Erfahrung eines Besseren belehren wird: Orgasmen hatte ich auch allein immer schöne.
Was ich dagegen über die Maßen schätze, ist Haut, wobei das in weiten Teilen metaphorisch ist.
Im Grunde geht es mir bei Sex ganz viel um Intimität und Nähe. Dieses Ineinanderdrängen, diese Körperlichkeit ist eine recht gute Annäherung an maximale Nähe. Klappt super bei mir – ich fasse Menschen gern an, die mir nah sind. Manchmal wird es sexy* dabei, aber das muss nicht zwingend so sein. Manchmal ist es so, aber entscheidend ist für mich immer die Nähe per se.

Genau diese Nähe ist es, die ich immer spüren muss – das hab ich schon oft geschrieben, glaube ich:
Ich muss spüren, was da ist; bei jedweder Zwischenmenschlichkeit.
Dann bin ich nicht eifersüchtig und nicht enttäuscht und nix, dann geht’s mir super. Und dieses Etwas, was ich da spüren muss, so erarbeitete ich heute mit Paikja, ist die Nähe. Ist Intimität.

In einer momentan frisch aufkeimenden Geschichte mit Marveille fühle ich die nicht so sehr. Da liegen 2 Ebenen getrennt vor, einmal ich als Freund und ich als Bettgespiel, als boytoy, und diese Trennung fällt mir schwer. Denn als Freund spüre ich dort die besagte Nähe, als boytoy aber nicht.
Und da meine betörende Freundin momentan sehr an ihrer Spontaneität hängt (und ich bin der letzte, der ihr da reinredet, das kann ich mal so gut verstehen), entscheidet sie von Mal zu Mal, ob ich Freund oder boytoy bin. Ich dagegen, glaube ich, hätte das lieber verschmolzen in einer Zwischenmenschlichkeit, sodass ich meine Nähe zu ihr, die sowohl freundschaftlich wie erotisch ist, auch eben beiderlei ausdrücken kann.

Ich habe in den letzten Tagen gemerkt, dass mir das Momentane schwer fällt, dass ich mich (zumindest auf der einen Ebene) als einen von mehreren anderen boytoys empfinde (bevor jemand fragt: Das Problem ist, um genau zu sein, nicht, einer von vielen zu sein, das Problem ist die Empfindung, nicht besonders zu sein).

Und jetzt – immerhin versuche ich Beziehungen offen zu führen – frage ich mich, wie das kommt, und wie ich daran etwas ändern kann, ohne Schuldzuweisungen vorzunehmen. Denn sie hat alles Recht der Welt, das zu leben was sie will.

Es gibt in dem Zusammenhang zwei Dinge, die ich für wahr halte.

Nein ist stärker als Ja.

In jeder Beziehung sollte man die Schnittmenge leben.

Das Dumme ist ja in meinen Augen, dass sich die Schnittmenge der beiden Ebenen (Freund / Boytoy) unterscheidet. Und da Nein stärker ist als Ja, gelten die Beschränkungen, die Marveille setzt, unmittelbar und treffen mich jedesmal unvorbereitet. Halt spontan.

Das gibt ihr ziemlich viel Macht über unsere gemeinsame Zeit, und ich fühle mich dabei ohnmächtig.

Kleiner Einschub: In unserer Vergangenheit gab es das schonmal andersrum. Da hatte ich mehr Macht. Vielleicht muss sich das Thema erst einmal gelöst haben, bevor es weitergeht.

Ich habe das vor kurzem mal angesprochen, und sie hat gut reagiert. Wir haben über meine Ängste gesprochen (die aus der Ohnmacht kommen) und über ihre Wünsche, und sie hat viele meiner Bedenken zerstreut, allen voran im Grunde jenes, dass ich nichts Besonderes wäre. Aber das Gefühl bleibt, und ich weiß noch nichtmal genau, was es ist.
Diesmal will ich erst bei mir schauen, wie ich das lösen kann, in mir (und Marveille, falls du das liest, das ist auch der Grund warum ich es blogge und dich nicht drauf anspreche. Ein Tabu ist das Thema aber übrigens deshalb nicht).
Im Grunde ist schön, was wir haben. Eine Friendship with Benefit. Ich kann ja auch gar nicht sagen, wohin ich gern würde, ob mir das gerade “nicht genug” ist, ich mehr brauche.
Vielleicht mehr Sicherheit. Mehr Wissen um ein Morgen. Aber ich kann verstehen, dass sie gerade nur das Heute interessiert. Das kann ich gut verstehen.
Aber was ist die Schnittmenge von Heute und Morgen?

28.11.2005 14:28
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Vor kurzem noch darüber sinniert, ob Otto Schily vielleicht doch ganz nett ist, und nur die Rolle des Innenministers ein schreckliches Unheil, und schon finde ich diesen Satz seines Nachfolgers in der aktuellen Frankfurter Rundschau (Nr. 277/48, D-Ausgabe):

Ich glaube, wenn es darum geht, etwa einen Mord aufzuklären, dann muss der Datenschutz auch in Grenzen zurücktreten.
Wolfgang Schäuble

Arhh, die unheilige Logik der Notwendigkeit, die politische Realisierung von Stammtischwahrheiten á la “Der Zweck heiligt die Mittel”.

Ich muss Herrn Schäuble eine e-mail schreiben…Nach Einigkeit und Recht war doch immer auch die Rede von Freiheit. Das muss er doch wissen!

27.11.2005 19:43
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Jetzt schreib ich ihn doch, den obligatorischen Winterbeitrag. Hach, da geht so viel Individualismus bei drauf, so innerlich… doof.

Aber eigentlich geht’s genau darum. Weil er nämlich doch einfach eine Gewalt ist, der Winter. Und zwar für alle. Über alle, sozusagen. Da ist’s vorbei mit individuell.

Die Menschen werden traurig. Ich auch. I feel like a boytoy. Kleine Dinge gehen mir momentan näher als sich das gehört, und um mich rum verkriechen sich Menschen in sich und ihren Betten.
Ich hatte gestern so einen Tag, den ich dann doch noch halbwegs gewendet habe – aber ich weiß wirklich nicht, ob ich mich besser dagegen wehre, oder die kalte Schwere gewähren lasse.

Winter.

26.11.2005 16:23
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Meine Familie hat keine wirklich Weihnachtstradition. Erst in den letzten Jahren, übrigens interessanterweise nachdem wir den Geschenkekram weitgehend gestrichen haben, entwickelt sich wieder etwas, nämlich ein Familienabend.
Das gefällt mir, denn ich habe mit Christi Geburt (übrigens eine schöne Phrasologie (ich glaube das heißt so), in der ein lateinischer Genitiv gebraucht wird) nicht viel am Hut, mit meiner Familie hätte ich das dagegen ganz gern.
Jedenfalls habe ich aber deshalb auch keinen besonderen Bezug zu Weihnachtsdekoration und -musik oder so.

Ich stapfte vor einigen Tagen durch den frischen Schnee (die Inuit würden Qanittak sagen), es war ziemlich kalt und ungemütlich, meine Schuhe waren nass und der Wind stach mir in die Augen, und sah so ein Weihnachtssterndingens in einem Fenster, und war dann doch gerührt.

Das menschelt so… Man hängt da ein Symbol ins Fenster, hat es schön warm, knackt sich ein Nüsslein, und 10 cm vom Weihnachtsschmuck entfernt beginnt das Nasskalte, das Verkehrstote fordert und Menschen erfrieren lässt.

Ich meine das nicht zynisch. Man hängt sich die Hoffnung ins Fenster, das ist eigentlich schön, irgendwie. Rührend halt.
Und auch nicht anders, als meine Entscheidung, kein Fernsehen mehr zu schauen, weil mich das Leid stärker betrübt, als dass es mich motiviert, etwas dagegen zu tun.

25.11.2005 3:21
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Wieder ein hübsches Wort…
Wenn ich groß bin, werde ich Netztherapeut!
Ich seh das Schild schon vor mir…

Dipl.-Psych. freies lieben
Lösungsfokussierter Therapeut
Einzel-, Paar- und Netztherapie

Hach ja… Träumen ist schön.

24.11.2005 2:19
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Auch wissenschaftlich gibt polyamory einiges her, und ich spiele recht ernst mit dem Gedanken, meine Diplomarbeit darüber zu schreiben.
So ernst, dass ich wissenschaftliche Literatur dazu suche, und da sind unter diversen anderen (ganz so brach liegt das Feld doch nicht, das ist gut) auch Meg Barker und Ani Ritchie dabei.

Die waren auch auf der Polyamory Konferenz, leider aber am Samstag, und da konnte ich nicht mehr da sein.
Jedenfalls bemängeln sie völlig zu Recht einen Mangel an Worten. Gerade in der Diskussion mit Schwinger ist nochmal deutlich geworden, dass man mit “Liebe” und “Beziehung” irgendwie doch nicht so weit kommt, obwohl natürlich jeder weiß, was das ist. Aber jetzt versuch DU doch mal, das in zwei Sätzen zu sagen.

Also suchen die beiden Forscherinnen nach neuen Worten und haben gute Ideen, wie sie der Onlineausgabe der englischen Times erzählt haben:

  • Frubbly expresses the emotion of joy at seeing partners happy in the company of other lovers
  • Ethical sluts have many lovers but all consensual and aware of each other
  • Wibble is when a partner finds another lover and the original partner requires assurances*
  • NRE or “new relationship energy”, describes a honeymoon period after getting a new partner
  • Metamour is the relationship a polyamoric has with a lover’s partner

Klasse Wörter. Die meisten gehen auch auf deutsch und klingen zum Teil angenehm mundartlich. Frubbelig (das Adjektiv zu Kompersion, und im Übrigen schön nah dran an den deutschen Worten “froh” und “hibbelig”, was irgendwie doch beides passt), ethische Schlampen, Wibbel (schön nah an “Wiggel”, was ich kenne für “viel zu tun”, was halt auch irgendwie unangenehm aber handlebar ist), NBE und, naja, Metamour kann man ruhig frankophon belassen, das hat Eleganz.
Neue Wörter. Neue Wörter sind immer auch neue Worte, und das ist super!

* Mich stört dabei, dass nur der Original Partner das haben kann, ich würde die Definition erweitern auf “…when one partner finds another lover and some other partner requires reassurance.”

23.11.2005 20:35
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Die Idee der Abhängigkeit ist natürlich nur das Yin zum Yang meines Nähe-Vorsatzes, wenn ich mal ehrlich bin…

Yin und Yang
Kurz zur Erklärung: Die Linie im Yin-Yang-Symbol verläuft wellenförmig, und das nicht ohne Grund. Ich hab mal gelernt, dass das eben klarmachen soll, wie’s so läuft im Leben. Mal hierher zu weit, dann in die andere Richtung zu weit, und die Vorzeichen der Übertreibungen mendeln sich zur Norm heraus.

In meinem Leben war das immer so. Introversion-Extraversion hab ich erst in die eine, dann in die andere Richtung exzessiv gemacht, Treue-Freiheit auch.
Yin zu Yang zu Yin zu Yang.
Und ich bin mir ziemlich bewusst, dass ich momentan, was Freiheit angeht, sehr ins eine Extrem schlage, was halt Nähe etwas erschwert. Deswegen der Wunsch, da mehr Balance zu kriegen. Vielleicht überwiegt deshalb auch, sozusagen als Konsequenz des übermäßigen Yins der Freiheit, die Yang-Seite der Nähe: Die Abhängigkeit.

Hmmmm…

23.11.2005 19:47
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Ich hatte mir nicht notiert, dass ich gestern arbeiten musste, und so hatte ich ungehaltene bis verwirrte Anrufe auf meinem AB. Meine Kollegin, die für mich fast eingesprungen wäre, sagte “J., sieh zu dass du dahin kommst, da sind Schwangere! Das ertrag ich nicht!”.

Ich habe sie noch nicht fragen können, was es mit dieser Aversion auf sich hat – das Stück war von 5 Schwangeren gespielt worden, gesehen hab ich es nicht, aber es war wohl ganz schön – aber ich fand das sehr interessant.
“Ich mag keine Schwangeren.”

Ein früherer Mitbewohner aus meiner alten WG mochte weder Kinder noch alte Menschen, und meine Freundin Paikja hat (völlig zu Recht und ziemlich scharfsinnig) angemerkt, dass das aber auch Teile von ihm sind, die er dann wohl nicht mag: Er war mal ein Kind, er wird mal alt sein.

Genauso meine Kollegin. Die Rolle der Mutter ist Teil von ihr, wenn auch nicht ganz so zwingend wie die des Kindes oder des alten Menschen. Offensichtlich sieht sie in sich nicht die Schwangere, sei es, weil sie eine klassische Frauenrolle ablehnt, allgemein eigentlich wenig Lust auf Weiblichkeit hat – keine Ahnung.

Kommen wir zum eigentlichen Thema. Ich habe ein großes Problem mit Abhängigkeit. Dass ich das in Beziehungen nicht mag, sollte hier im Blog mehr als klar geworden sein, aber ich mag es auch so nicht. Ich bin Antialkoholiker und rauche nicht, und ich lasse auch von härteren Drogen die Finger. Ich komme auch überhaupt nicht gut klar auf Süchtige Leute, Alkoholiker im Speziellen geben mir die totalen Creeps.
Bislang habe ich das immer über meinen Spaß an der Askese interpretiert, aber vielleicht gibt es auch in mir einen Teil, der abhängig ist.

Ich hab das oft gehört: “Aber J., man ist nunmal abhängig von seinen Freunden.” *schauder* hats dann immer in mir gemacht.

Mein Freund und Gönner Faucon hat vorgeschlagen (und ich bin nicht sicher, wie spaßig das gemeint war), ich solle mich mal bewusst in die Abhängigkeit geben… Krasser Gedanke.
Zumindest sollte ich vielleicht mal rausfinden, worum’s da geht bei mir.
Angst vor Kontrollverlust? Sehr naheliegend, passt zu meinen Hingabeschwierigkeiten in Bett und Hypnose.
Angst vor Machtverlust? Ist das was Anderes?

Da fehlt mir noch Erkenntnis… aber ihre Schwangeren sind meine Alkoholiker, das steht fest.

23.11.2005 13:05
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Monopoly!

*kicher* Der Untertitel… ich hau mich weg! Chrchrchrchr…

22.11.2005 13:25
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Jemand aus meinem Polyumfeld hat den Ausdruck “Parallele Monogamie” benutzt, und ich musste erst schmunzeln und nun muss ich darüber bloggen.

Monogamie wird in dem Polykontext, den ich so kenne, auf zweierlei Arten benutzt, einmal gesellschaftlich, einmal individuell.

Einmal, gesellschaftlich, als Feindbild, wenn man so will. Das ist teils bedenklich, teils aber auch sehr verständlich, immerhin haben sich viele Polys eben sehr explizit gegen monogame Lebensformen entschieden, weil sie sich darin nicht wohl gefühlt haben.
Zu dem Feindbild gehört außerdem die mononormative Kultur, die einen von Kindesbeinen an lehren will, Monogamie sei das einzig wahre. Das ist also normative Gewalt, gegen die sich da gestellt wird.

Die zweite Verwendungsart, individuell, meint schlicht die Lebensweise, wenn sich also zwei Leute bewusst (das ist wichtig) dafür entscheiden, das zu tun, in Kenntnis der Alternativen.
Wie letztens erörtert, halte ich es auch in einer solchen Mono-Beziehung für möglich, frei zu lieben.

Zurück zur parallelen Monogamie. In der Diskussion mit Schwinger über meinen letzten Artikel erlebe ich eine neue Norm für eine “richtige Beziehung”. Sowohl Schwinger wie Promisc (der sich in den Kommentaren dazu geäußert hat) leben in einer offenen Beziehung, also ein Primary und evtl. Secondaries, und vermitteln mir ein bisschen, dass das, was ich gerne hätte, eigentlich keine “richtige Beziehung” ist.

Wir diskutieren da noch dran, und in Teilen lasse ich das als Argument durchaus zu, aber in anderen Teilen ist das genau die oben beschriebene gesellschaftliche Gewalt einer Norm. Sogar irgendwie einer monogamen Norm: Es gibt eine richtige Art einer Beziehung, es geht um ganz viel Nähe zu einer Person (nämlich zum Primary).
Parallele Monogamie. Auch damit kann ich nicht wirklich viel anfangen, das ist einfach nichts für mich mit dem Ganz Nahen… Kann ich nicht vielleicht einfach mal so probieren, wie ich das gern hätte?