Monatsarchive: Dezember 2006

29.12.2006 17:50
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In der aktuellen Zeit wird Deutschland im Jahresrückblick beleuchtet, natürlich, und der Artikel von Seite Eins weiß neben vielen anderen schlauen Dingen auch zu verkünden, dass die Deutschen darum beneidet würden, so gut zu leben. Und dass man sich das vor einem Jahr auch nicht hätte träumen lassen. Dennoch habe Deutschland die kürzesten Arbeitszeiten und die längsten Ferien, und neben stetem Selbstzweifel sei das jetzt wohl eine deutsche Tugend.

Das Dossier in der selben Ausgabe beschäftigt sich mit Zeit, das war dieses Jahr ganz groß, Entschleunigung war irgendwie dran. Im Dossier wird berichtet von ganzen entschleunigten Städten, in denen nur regionale Produkte (und folglich nicht herbeigehetzte, in der Produktkette optimal positioniert und right-on-time) angeboten und verarbeitet werden, nach einem Vorbild aus Italien namens Cittaslow.

Dass das ganz wunderbar ist, beides, muss ich nicht betonen. Lebensqualität als Kulturgut und die politisch unterstützte Langsamkeit sind klasse und vor allem erstaunlich, denn Langsamkeit macht wirtschaftlich keinen Sinn: “Zeitwohlstand ist nur durch Verzicht auf Geld zu bekommen” sagt Karlheinz Geißler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik. Logisch. Wenn ich nur halbtags arbeite, muss ich ne kleine Wohnung nehmen. Wenn man jeden Tag 40.000 Hamburger verkaufen will, nimmt man billiges Fleisch, um den Gewinn zu vergrößern.
Langsam ist teuer, aber dennoch gerade im Kommen.

Mit der Wahlschwester sprach ich darüber, ob das eine kulturelle Entwicklung sein könnte. Erst kommt Mitbestimmung in Form von Demokratie, dann Menschenrechte, gut, bei uns auch der Kapitalismus, und irgendwann kommt dann die Entschleunigung.
Das macht eine Menge Sinn. Maschinen nehmen uns immer mehr Arbeit ab, Vollzeitstellen sorgen nur dafür, dass die Schere von Arm und Reich (nämlich von arbeitslos und beschäftigt) weiter auf geht. Vollbeschäftigung ist eine Illusion, die ganzen Maßnahmen jetzt können ehrlicherweise nur auf, sagen wir, 5% Arbeitslose zielen. Die behalten wir, und in Zukunft werden es mehr.

Zeit genießen zu lernen, und sie wieder zurückzuerobern, ist also zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte sinnvoller möglich gewesen als jetzt. Interessanterweise sehe ich in den USA, die ja nun eigentlich schon länger eine ähnliche Entwicklung wie hierzulande erleben, überhaupt keine Langsamkeit, oder zumindest nur für sehr wenige. Die Slow-Fooder gibt es auch dort.

Das kann 2 Dinge bedeuten: Entweder eine Gesellschaft braucht immer einige Leute, die unglaublich rappeln. Bundeskanzlerin wird wohl nie eine halbe Stelle werden, und Siemens managet man auch nicht in 40 Stunden die Woche.
Andererseits: Kein Mensch braucht Siemens, außer Siemens selbst. Wir wollen nur telefonieren, da muss kein Moloch von Firma hinterstehen.
Die zweite Möglichkeit wäre, und sie gefällt mir: Es ist einfach noch nicht so weit. Amerika ist größer und komplizierter, vielleicht ging es bei uns einfach schneller. Zumindest erlebe ich immer mehr Menschen, die davon sprechen, langsamer leben zu wollen oder es schon zu tun.

Falls ihr noch keinen Vorsatz fürs neue Jahr habt, hier wäre einer. Ich will das jedenfalls versuchen. Im Jetzt sein. Gegenwart genießen. Auf ne Menge Sachen einfach mal scheißen.

26.12.2006 19:33
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Am 22.12. war der Weltorgasmustag. So eine hübsche Idee! Orgasmen für den Weltfrieden. Und ich hab’s verpasst. Mist.
Aber:

The director of the GCP [Global Consciousness Project], Roger Nelson, has said that more events of this kind will be needed for statistical analysis to be meaningful, so here’s the plan: we would like all of you to continue to practice dedicating your orgasms to world peace.
Global-O Blog

Also dann… Gleich morgen früh geht’s los :).

25.12.2006 14:17
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Feylamia chattete mir neulich zu, es sei jetzt das Fest der Liebe, das würde ja gut zu mir passen.
Und ich las gestern abend die chinesische Redewendung: Wer Menschenkenntnis besitzt, ist gut, wer Selbsterkenntnis besitzt, ist erleuchtet.

Weihnachten ist meiner Meinung nicht so sehr ein Fest der Liebe, sondern ein Fest der Aufopferung. Das macht nach der christlichen Tradition ja auch sehr viel Sinn, denn die Liebe Gottes hat sich geäußert, indem er (a) in Form seines Sohnes auf die Erde kam und (b) für die Sünden der Menschen gekreuzigt wurde.
Erst hat er sich also ein Stück weit an seine Geliebten angepasst, und dann hat er noch ihre Probleme gelöst.

Vielleicht mag ich auch deshalb Weihnachten nicht allzu gern. Zwar bin ich mir bewusst, dass man sich in weiten Teilen selber aussuchen kann, wie Weihnachten für einen ist, aber es gibt nunmal auch systemische Beschränkungen, sodass bei uns die Nähe zu sich selbst auch nicht groß genug geschrieben wird.

Paikja und ich sind der Meinung, dass aus dieser Selbstvergessenheit die große Unzufriedenheit vieler Menschen mit dem Weihnachtsfest resultiert. Und sicherlich keine Erleuchtung.

23.12.2006 20:35
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An alle Freunde und vermutlich vor allem Freundinnen von Berlin, Berlin: Bitte mal drauf achten, dass Lolle immer (wirklich immer) dadurch in Schwierigkeit kommt, dass sie anderen oder sich selbst gegenüber unaufrichtig ist, und dass immer dann alles wieder ins Lot kommt, wenn sie das ändert. Sehr wahr, das. Gerade jetzt zu Weihnachten.

22.12.2006 15:22
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…und nehme alle meine Freunde mit. Würde ich gern. Geht aber nicht, denn weder packe ich meinen Koffer, noch sind meine Freunde verfügbar, die sind nämlich alle unterwegs, es ist bald Weihnachten und alle sind fort. Deswegen gefällt mir die Zeit zwischen den Jahren nur so bedingt gut.

Meine Mitbewohnerin packte gestern, und sie packte für zwei Wochen. Sie meinte, es würde ihr schwerfallen, auszuwählen, was sie mitnimmt, sie hätte so viele schöne Sachen, die sollten alle mit, und sie würde ganz schön schleppen müssen.

“Wie bei mir mit der Liebe”, sagte ich. Ich will viel mitnehmen, und hab dann dran zu schleppen.

19.12.2006 18:45
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Teil 1: Wir sind der Staat.

Ben von Anmut und Demut benennt einige Gründe, warum die Menschen so politikverdrossen und rechtsextrem geworden sind. Michael Naumann behauptet, die Mehrheit in Deutschland findet Demokratie nicht mehr so recht heimelig, und Ben führt zur Klärung ins Feld:
Dass man keine Minderheit mehr sein kann, ohne zu fürchten (und, hallo, wie gut passt das zu einem Polyblog, ich kann euch sagen!), dass die Reichen zu viel Macht haben und dass zuviel ohne uns geschieht.

Sehr europäisch (ich werde in Zukunft versuchen, öfter mal “europäisch” statt “deutsch” zu sagen, wenn ich mich für ein typisches Verhalten schäme, die Nationalschande muss internationaler werden) wäre es nun, den Schuldigen zu suchen. 16 Jahre Kohl oder Schröder, Genosse der Bosse, irgendwen würde man schon finden, zur Not ist die Merkel Schuld, die ist halt grad noch da. Bringt aber nichts.

Staat muss wieder Laune machen, sagen Ben und ich, und die alles entscheidende Frage ist: “Wieso und wie sollte das denn kommen, bittschön?”

Zum Wieso: Das ist einfach. Der Staat sollte uns Laune machen, weil wir nunmal der Staat sind. Den Staat zu mögen ist Selbstwert (Achtung, hier gilt es Nationalismus zu verhindern – ein schmaler Grat). Durch die große Komplexität nationaler Systeme vergisst man das, aber zu sagen “Wir zahlen Steuern und der Staat streicht das ganze Geld ein” ist grober Unfug. Zwar kann man sagen, Politiker verdienen zu viel, aber die vielen Milliarden gehören uns. Es wird nur nicht von uns entschieden, was damit gemacht wird.

Das bringt uns schon zum Wie: Genau dieses Gefühl muss meiner Meinung wieder mehr werden. Ben verbesserte mich in seinen Kommentaren, als ich sagte: “Demokratie muss wieder Laune machen”, er wollte lieber “Staat” sagen, und Recht hat er. Nicht die Organisationsform soll man besonders spüren, sondern die Gesellschaft, dieses unförmige schwierige Ding, zu dem wir halt alle gehören.
Dann geht man über asphaltierte Wege und sagt: Jawoll, das habe ich bezahlt. Geht nachts durch die Straßen und sagt: Jawoll, alle müssen morgen früh arbeiten, deswegen überfällt mich niemand.

Die Schritte dorthin sind sicher schwierig und mannigfaltig. Ich hätte gern geheime Abstimmungen in allen Gremien, um Parteiendünkel zu verhindern, und ein anfangs stärker gestaffeltes Steuerrecht, damit man langsam mitspielen kann, und der Start ins Berufsleben nicht so schwierig ist. Zudem sollte die Steuergrenze ein Steuerfreibetrag sein, sodass man die ersten paar Tausend Euro immer behalten darf. Grundsicherung helau, danach zahl ich doch auch gerne Steuern, weil: Die zahl ich für alle, und alle zahlen für mich.

Übrigens hat die “Du bist Deutschland”-Kampagne sowas ähnliches versucht, aber hat leider den Fehler gemacht, Deutschsein an Exzellenz zu koppeln. Man war halt nur Mozart und wer-weiß-ich-noch, aber in Wirklichkeit ist man wirklich alle. Der Penner auf der Straße, die Pommesfachverkäuferin, auch der Ackermann, und sogar die Kriminellen. Nur über dieses ganzheitliche Verständnis ist tatsächliches Mitfühlen allüberall (= Staat) möglich, und nur so kann ein Streben nach Gerechtigkeit (für Arme, aber eben auch gegenüber Kriminellen) erreicht werden. Sonst gibt es nur ein Streben nach Exzellenz. Des hom wa scho, des isch der Kapitalismus.

Ich gebe ab zu Ben.

19.12.2006 16:41
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Ich predige ja immer, dass man für seine Gefühle selbst verantwortlich ist, und dass man bei sich selber schauen sollte, bevor man Vorwürfe macht und so weiter.
Dass das nicht immer leicht ist, bedarf wohl keiner Hinweise.

Aber es lohnt sich! Ich habe es in den letzten schon angedeutet, ich spüre gerade ein Bedürfnis nach Stabilität, nach Sicherheit, und ich glaube, ich habe das eine Weile nicht so ernst genommen. Immerhin wollte ich total gern der unkomplizierte Liebhaber sein, der nichts will und alles genießt, dessen Wünsche eins sind mit den Möglichkeiten.
Bin ich aber leider nicht.

Außerdem glaube ich, dass meine in letzter Zeit unangenehm gewachsenen Erwartungen an andere mit der Verleugnung dieses Bedürfnisses in Verbindung stehen. Klar, wenn ich selbst mich nicht um meine Bedürfnisse kümmere, fange ich an, in anderen zu suchen, und wenn ich selbst nicht drauf achtgebe, dass ich ein bisschen Netz und Hafen möchte, dann entwickelt sich die Vorstellung, dass jemand anders mir Netz und Hafen liefern muss, dass sich jemand um mich kümmert. Und wehe wenn nicht.

Nun ist das Ganze natürlich kompliziert. Immerhin kann ich nicht das Problem “J., du suchst zuviel nach Sicherheit in anderen” lösen, indem ich Sicherheit in anderen suche. Klar.
Aber ich glaube, ich kann das Bedürfnis ernster nehmen, mir eingestehen, dass ich halt so ganz frei und unabhängig von Netzen eben doch nicht bin, und damit mache ich mir das Gefühl wieder zu eigen. Mein Gefühl, meine Verantwortung. Nach wie vor brauche ich dann andere Menschen, die mir hie und da ein Seil reichen, mich sicher machen, aber der wesentliche Unterschied ist, dass ich es nicht von ihnen erwarte (und ihnen grolle, verweigern sie sich mir), sondern dass ich das äußern kann und als mein Bedürfnis deutlich machen kann. Own your feelings halt.

Das ist im Grunde also der Unterschied zwischen Bringschuld und Bitte. Und bitten darf man ja um vieles.

16.12.2006 17:59
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Zumindest gewissermaßen, auch wenn ich das bisher immer anders behauptet habe (wobei das ne andere Metapher war, die immer noch schlau ist). Das Mädchen, in das ich grade verliebt bin, hat ja gesagt, sie will das jetzt eher freundschaftlich haben zwischen uns. Meinen Wunsch nach mehr Klarheit hat sie missverstanden als Wunsch nach mehr Eindeutigkeit bzgl. dieser Entscheidung. Ich meinte aber etwas anderes.

“Freundschaft” oder “Beziehung” sind nur Formen für Gefühle, sind nicht die Gefühle selbst. “Freundschaftliche Gefühle” fand ich schon immer zu vereinfachend.
Entscheidend ist, und das ist nämlich genau wie beim Kuchenbacken, nicht die Form, sondern was drin ist. Auf die Frage “Was backst du für einen Kuchen?” will niemand hören “Ach, gut, dass du fragst, 18cm Rundspringform”, man will hören “Nuss!” oder “Schokolade!” oder “Erdbeer!”.
Insofern ist mein Wunsch nach mehr Klarheit ein Wunsch nach mehr Wissen über Zutaten. Ist Zimt drin? Mandeln? Am Anfang hatte ich viel Vanille und Kakao bei ihr gesehen, kommen die immer noch in ihren Kuchen, auch in der neuen Form? Das ist natürlich, zugegeben, weitaus schwieriger zu beantworten als “Kastenform” oder halt “Herzform”. Aber am Ende isst man es ja doch in Stücken, und solange für beide genug zu futtern da ist, kommt es eben doch einfach nur drauf an, dass es schmeckt.

Den Teig durfte ich ja mal probieren, der war lecker, und ich hatte damals das Gefühl, ihr schmeckt er auch. Leider habe ich mittlerweile tatsächlich das Gefühl, sie hat beim Backen doch gemerkt, so richtig ist das nicht ihr Rezept, jetzt gibt es Sandkuchen, und natürlich muss ich das dann hinnehmen. Aber so wirklich gesprochen haben wir nur über die olle Springform. Und ich hab halt Sahne und Schokosplitter schon mitgebracht. Wär doch eigentlich schade drum. Man darf doch die guten Sachen nicht verkommen lassen.

In einer perfekten Welt, in der nicht immer Nein stärker als Ja ist, und in der Kuchen auch ohne Form gebacken werden kann, würden wir jetzt einfach schauen, welche Zutaten uns jetzt beiden noch schmecken und nochmal was Neues backen.
Aber vielleicht müssen wir den alten Kuchen dafür tasächlich erst mal wegtun. Da ist ne Menge Butter und Schokolade von mir drin, die teure Biobutter und die Schoki von Zotter. Das wird mir dann ein bisschen mehr weh tun als ihr, befürchte ich.

12.12.2006 21:47
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Hape Kerkeling schreibt in seinem Buch, das sich eher wie ein gebundenes Blog liest, eigentlich, viele schlaue Sachen. Eher vereinzelt, aber dadurch irgendwie auch authentisch, immerhin kommt die Weisheit nicht en gros.

Ihm wird auch ein Ausspruch des Dalai Lama bezüglich des Umgangs mit Sorgen und bedrückenden gedanken nahegebracht:

Drop the thought.
Der Dalai Lama

Das klingt fast etwas zu schlicht, aber mir gefällt der Gedanke durchaus, dass die kompliziertesten Probleme ganz einfache Lösungen haben. Muss mir auch gefallen, ich werde immerhin Therapeut und frage die Leute, was schon ganz gut funktioniert, und nachher geht es ihnen besser. Wenn das nicht einfach ist.

“Drop the thought” jedenfalls. Ich hab das ausprobiert, und es ist leichter als es klingt. Nicht mehr an etwas denken ist sehr schwierig, das ist passiv, man will etwas nicht mehr tun, und hat dabei dennoch das “etwas” im Sinn, aber etwas fallen lassen ist zumindest im Englischen aktiv (“to drop sth.”).

“Oh je, der nervige Gedanke, ich denke ihn schon seit Tagen, dabei bringt er mir gar nichts…”

Drop the thought. Witzigerweise geht darum auch meine Diplomarbeit. Oder vielmehr, weil sie klassisch psychologisch und damit defizitorientiert ist, geht es darum, wenn Leute das nicht können und immer grübeln. Die müssten das auch machen, ihre thoughts droppen. Bei mir hat es gut geklappt in den letzten Tagen. Und es fühlt sich so von innen auch tatsächlich anders an als Verdrängung oder Ablenkung, es ist wirklich die aktive und bewusste Entscheidung, den Gedanken hinzuschmeißen (ah, so geht es auch auf Deutsch aktivisch) und ohne ihn weiterzumachen. Wenn er wichtig ist, begegnet man ihm sicher noch mal, aber nach einem kleinen Ausflug, von dem man im Zweifelsfall Dinge mit zurückbringt, die einem einen besseren Umgang mit dem ollen Gedanken ermöglichen.

Schön buddhistisch übrigens, dass man über 3 klare Worte so lange nachdenken und schreiben kann. Jawoll.

11.12.2006 16:42
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Wie aus meinen vergangenen Beiträgen und vor allem auch dem vorausgegangenen Mangel an Beiträgen abzulesen war, gibt es in meinem Leben gerade eine Sache, die mir Kummer macht.
Da beruflich alles eigentlich ganz wunderbar läuft (die Diplomarbeitsphase ist objektiv betrachtet ohne Flachs die beste Phase meines gesamten Studiums), geht es natürlich um Privates, und da ich nunmal bin, wer ich bin, geht es natürlich um die Liebe.

Alte Geschichte eigentlich, J. trifft ein Mädchen, sie mögen sich, J. will weitermachen, weil’s grad so schön ist, das Mädchen hat andere Pläne, will nicht oder kann nicht, wahrscheinlich ein bisschen was von beidem.

So doof das ist (und es ist schon recht doof, ich hatte selten ein so entspanntes Miteinander und selten so unkomplizierte Sexualität wie in der Anfangsphase mit jenem Mädchen – wobei ich nicht ausschließen will, dass meine gewachsene Erfahrung dabei auch ein Faktor ist), so doof das jedenfalls ist, es hat auch sein Gutes. Ich bin nämlich gerade nochmal da angelangt, wo ich vor einiger Zeit schon war, nämlich bei mir. Da gefällt es mir immer gut.

In den letzten Monaten habe ich wieder vermehrt Erwartungen an Leute gehabt, sowohl bei Marveille und Powergirl, wie auch bei dem besagten Mädchen. Obwohl ich die in Teilen ernster nehme, und mir bestimmte Wünsche zugestehe (zum Beispiel Stabilität und Verlässlichkeit, ein füreinander da sein und derlei), bleiben es ja dennoch meine Erwartungen, und ich bin niemandem böse, wenn er sie nicht erfüllt. Es ist schade, aber das ist es dann auch.
Allerdings merke ich in der Beschäftigung mit diesen ganzen Themen von Stabilität, Bezug zum Anderen, sich verlassen können, auch, dass ich mich ein bisschen von meinen Idealen, auch von Erkenntnissen, wieder entfernt habe.

Ich will weiter die Liebe geben, die ich zu geben habe, will die Zärtlichkeit verteilen, die ich eben gerne verteile, und will mich nicht davon abhängig machen, ob was zurückkommt. Scheiß Wirtschaftsdenken in der Liebe. Ich möchte wieder näher dahin, dass es mich schon bereichert, wenn ich Liebe gebe. In letzter Zeit habe ich mich eher danach gesehnt, dass doch bitte endlich mal was zurückkommt. Obwohl ich doch an Täusche gar nicht glaube.

Von daher will ich auch bei dem besagten Mädchen nochmal meine Sichtweise ein bisschen überdenken. Obwohl ich durchaus unzufrieden damit bin, wie wenig konsensuell diese Beziehung gerade verändert wird, wie wenig wir darüber gesprochen haben, was wir wollen, und wie wenig fürsorglich ich mich teilweise behandelt fühlte, die Gute ist ja dennoch ein ganz bezaubernder Mensch. Ich bin sehr froh um die eine Nacht mit ihr, um die vielen Lächeln, die sie mir geschenkt hat, und um die Prosodie ihrer Sprache, die ich jetzt manchmal in Sätze hineinlese, die sie sonst immer gesagt hat. Das sind gute Sachen, es ist gut sie zu sehen und zu schätzen.

Ich habe ihr vorgeworfen, dass sie mich nur genießt, so wie man gutes Wetter genießt, ohne dass man jetzt das Gefühl hat, dem Wetter danken zu müssen, ohne gewahr zu sein, dass das eben nicht von ganz allein kommt, sondern dass da was dahinter steckt. Vielleicht ist das gar nicht so falsch, wie sie das macht. Vielleicht wäre etwas mehr Kommunikation schön, aber nun gut, wenn sie das nicht so gut kann, dann ist es wohl so. Und vielleicht ist schlichtes Genießen nicht so ganz falsch.

Überall warten Lektionen, und ich will demütig sein und sie sehen. Ihr wisst ja, Stolz und Verletzlich. Also hier: erhobenen Hauptes und alles sehend.