21.07.2005 20:49
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Allgemein

Gerade beim Lernen für meine Prüfung las ich über “Störungen der Geschlechtsidentität”, zu deutsch (haha): Transsexualität. Männer fühlen sich als Frau, Frauen fühlen sich als Mann, beides ziemlich selten, letzteres seltener als ersteres.
Das als Störung zu diagnostizieren ist hoch umstritten, Gender als Kontinuum und frei wählbare Positionierung darauf ist der Gegenpol.
Ich selber habe meine Meinung dazu noch nicht gefunden und bin für Einzelfallentscheidungen, bin aber, wegen der durchaus nur so mittel optimistischen Studien zur Zufriedenheit von “Operierten” sehr froh, dass es gewisse Hürden gibt, wie halt bspw. ein Jahr Psychotherapie bevor man das macht, psychologische Betreuung während und nach der Operationsphase und so weiter.

Aber darum geht es eigentlich gar nicht.

Es gibt einen Fall (Barlow et al., 1973), in dem ein 17-jähriger nicht, wie sonst eher üblich, seinen Körper umwandeln lassen wollte, damit er zu seiner Identität passt, sondern seine Identität an seinen Körper anpassen wollte.
Mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen hat das auch geklappt – nach einem halben Jahr fühlte er sich als Mann und stand auf Frauen.

Zwei Dinge daran sind SEHR interessant:

  1. Ich ertappte mich dabei, wie ich dachte: Unethisch! Nazi! Und sowas. Wie kann der sich einfach ne Einstellung wegdoktorn lassen? Offensichtlich ist Homosexualität zumindest in meinem Kopf mittlerweile so normal, dass ich es seltsam finde, wenn jemand das weghaben will.
    Gut, irgendwie (s.u. ob das allein so gut ist).
    Im Übrigen hatte ich auch als Erstes den Gedanken, ob nicht der gesellschaftliche Druck Schuld ist, dass er mit dieser beunruhigenden Seite seiner Identität nichts zu tun haben will. Und dass da ja genau so ist, wie wenn jemand mit seinem Körper nichts zu tun haben will, und wie fragil Identität überhaupt ist… ich bin sehr verwirrt.
    Und wie seltsam ist es doch, dass (von feministischer Seite, glaube ich) für eine größere Offenheit und geringere Hürden plädiert wird, was Operationen angeht, aber eine solche Einstellungs-OP sofort Zähneknirschen lässt und falsch erscheint… Diktat der Individualität? Hat der Körper nicht irgendwie doch auch was mitzureden?
  2. Zweitens ist einfach unheimlich krass, dass das geht. Dass das geklappt hat. Gut, Einzelfalluntersuchung, wer weiß, was nun bei ihm grad los war, aber man kann da scheinbar irgendwas hinzaubern.
    Und das ist wieder interessant, weil da Normen unheimlich stark ins Spiel kommen.
    Es gibt ja durchaus Leute, und ich zähle mich, zwar zaghaft, aber halt irgendwie doch, dazu, die sagen, Homo und Hetereo zu trennen ist bescheuert, die erste Trennung ist Bi- und Monosexualität.
    Weil Sexualität erstmal schlicht Lust ist, animalisch und alles, und Bisexualität, also Offenheit für Sex mit allem (wobei da noch nichts polygames drinsteckt, möchte ich anmerken), eigentlich the thing ist.
    Das leuchtet mir ein.
    Man stelle sich vor, das wäre die Norm: Zig Leute würden zum Psychologen rennen, um ihre bisexuelle Seite endlich zu entdecken. Ein halbes Jahr ist nicht lange, und die Zielgruppe für schöne Zeit ist danach verdoppelt! Wahnsinn!
    Da kann man ja auch sofort argumentieren, dass halt die existierenden Normen das Entdecken der Bisexualität total erschweren (das seh ich sogar so), und dass deswegen ein Therapeutenmensch was machen muss. Mann, bin ich verwirrt.

Geschlechtsidentität ist mal echt ne krasse Geschichte. Und dass das alles so variabel zu sein scheint… Irre.

Das kann man ja sogar noch weiterspinnen… sexuelle Präferenz fühlt sich bei den meisten von uns ja ziemlich tief unten an, ziemlich weit drin in der Person.
Kann ich mir auch Optimismus hinzaubern lassen? Oder Güte?
Vielleicht hatte besagter 17-jähriger einen Konflikt, der durch die Therapie halt gelöst wurde, und so ganz blind hätte man das nicht einfach dazutherapieren können. Vielleicht ist aber menschliche Identitä noch viel, viel labiler, als man so denkt.
Dissoziative Persönlichkeitsstörung (= multiple Identität, übrigens nicht = schizophren!) ist auch so ein Fall, wo man mit seinen schönen, einfachen Vorstellungen von Identität als Kern des Menschen echt im Regen steht.

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