05.08.2005 2:27
0 Kommentare »
Allgemein

Schon im Januar wollte ich etwas zu Treue und Loyalität schreiben, aber jetzt erst ist es soweit, aber dafür kommt es jetzt von überall.

Vom Lernen zum Leben zur Literatur, wenn man so will.

Lernen
Die Positive Psychotherapie ist eine Therapieform, die ihre Aufgaben nicht der Beseitigung von Krankheit, sondern der (Wieder-)Herstellung von Gesundheit widmet. Salutogenese statt Pathogenese. Da wird man, denke ich, im nächsten halben Jahr noch mehr von hören.
Die positive Psychotherapie postuliert zwei grundlegende Fähigkeiten im Menschen.

  1. Die Erkenntnisfähigkeit
  2. Die Liebesfähigkeit

Das allein ist erstmal sehr sympathisch. Schlau und lieb ist schonmal gut.
Weiterhin unterteilen sie die Erkenntnisfähigkeit in vier Bereiche, und sagen, dass Leute sich halt hinsichtlich der Ausgestaltung, der Gewichtung dieser einzelnen Domänen unterscheiden.

  1. körperlich
  2. kognitiv
  3. emotionell
  4. spirituell

Bei uns im Westen ist die kognitive Komponente bei den meisten Leuten sehr stark.

Ich dachte jedenfalls: Wieso gibt es (in diesem total oberflächlichen Übersichtstext, zugegeben) nicht dieselbe Einteilung für die Liebesfähigkeit?
Emotionelle Liebe, kognitive Liebe, spirituelle Liebe, körperliche Liebe. Letztere würde dann hier nicht Sex meinen, nicht “Liebe machen”, sondern erstmal nur physische Anziehung, Attraktivität.

Da könnte man dann, ähnlich wie bei der Liebe in Hexadezimal wunderbar ausmalen, was man denn so hat.

Leben

Ein Mädchen in meinem Umfeld, und hiermit taufe ich sie im Rahmen des Blogs auf den Namen Marveille, wäre nach obigem Schema eine heiße Kandidatin (pun intended) für die körperliche Liebe. Zumindest ist das die stärkste Ausprägung.
Wir sind auch gesellschaftlich durchaus ähnlich eingestellt, haben einen ähnlichen Humor und so, aber am faszinierendsten ist und bleibt, dass diese körperliche Anziehung, die seit dem ersten Zusammentreffen, mindestens seit dem ersten Date, vorhanden war, nie wegging.
Auch als alles ganz stressig wurde, auch wenn andere Menschen in unserem Leben größere Rollen hatten oder wir aus sonstwelchen Gründen wenig miteinander zu tun hatten: Wir waren immer scharf aufeinander.
Vor einigen Tagen, und jetzt kommen wir endlich zum Titel des Beitrags, war sie hier, berichtete, dass ihr Freund (sie fahren diese ganz Sache übrigens ziemlich exklusiv) ihr irgendwie nicht genug das Gefühl gebe, sie sei unheimlich heiß.
Ich kann ihr das geben, und zwar völlig aufrichtig, wie oben hoffentlich deutlich wurde, und tat das auch.
Ich sah sie an, sie sah mir zu, wie ich sie ansah, sie gefiel mir, sie sah mir zu, wie sie mir gefiel.

Es war knapp. Sie wäre fast da geblieben, und ein Teil von mir hätte sich sehr gefreut. Aber sie hat sich dagegen entschieden, und ein anderer Teil von mir fand das richtig. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihre Beziehung, namentlich sowohl sie wie ihren Freund, respektiere, auch, dass sie es halt exklusiv fahren, und ich zudem keinen Bock auf Geheimnistuereien hätte.
Ich könnte mir vorstellen, wieder etwas mit ihr anzufangen, aber nur, wenn alle Beteiligten davon wissen oder sonstwie klare Verhältnisse herrschen. Wenn alle loyal sind, ohne dass das notwendigerweise treu sein muss. Loyal zum Einen den anderen gegenüber, aber vor allem auch so, dass man hinter dem steht, was man macht, nicht das Gefühl hat, einen faulen Kompromiss eingegangen zu sein, sondern einfach machen, wie man es will. Die Wortherkunft “legal”, also “dem Gesetz entsprechend”, wäre hier also nach Hesse zu verstehen:

Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem “Sinn” des “Eigenen”.
Hermann Hesse

Literatur
Milan Kundera schreibt in “Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins” folgendes:

Treue und Verrat
Er [Franz] liebte sie [seine Mutter] von klein auf bis zu dem Moment, als er sie auf den Friedhof begleitete, und er liebte sie auch in der Erinnerung. So entstand in ihm das Gefühl, dass die Treue die höchste aller Tugenden sei. Die Treue gibt unserem Leben eine Einheit, ohne die es in tausend flüchtige Eindrücke zersplittert.
[...]
Er wusste jedoch nicht, dass Sabina der Verrat faszinierte, und nicht die Treue. [...]
Verrat. Von klein auf hören wir vom Vater und dem Herrn Lehrer, es sei das Abscheulichste, was man sich vorstellen könne. Aber was ist Verrat? Verrat bedeutet, aus der Reihe zu tanzen. Verrat bedeutet, aus der Reihe zu tanzen und ins Unbekannte aufzubrechen. Sabina kannte nichts Schöneres, als ins Unbekannte aufzubrechen.
Milan Kundera

Ins Unbekannte aufbrechen. Etwas Ungewöhnliches tun. Für das, woran man glaubt, was sich richtig anfühlt, würde ich sagen. Für das, dem man loyal ist.

Kommentieren