29.09.2005 19:43
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Allgemein

Diesen Satz hat Larry Niven in seinem ersten Ringworld-Roman einem der Protagonisten in den Mund geschrieben, einem “Puppeteer”.
Die Mehrheit ist immer geistig gesund.
Die Puppeteers sind eine Rasse von Feiglingen, zumindest nach menschlichen Maßstäben. Nessus aber, der besagte Protagonist, hat Mut. Er gilt unter seinesgleichen als geisteskrank. Sein menschlicher Begleiter findet das seltsam. Mut ist doch gut! Aber naja:
The majority is always sane.

Ich habe da heute morgen drüber nachgedacht. Dass das stimmt, ist sicher richtig. Häufig gleich normal. Interessant ist aber, dass man sich als Minderheit auch dementsprechend verhält.
Ich kenne das vom Vegetarismus. Ich halte es für ethisch falsch, Tiere zu essen. Die Massentierhaltungs-Diskussion ist davon sogar unabhängig, egal wie ein Tier gehalten wird, ich finde es wirklich falsch.
Würde ich an Gott glauben, würde ich sagen, die Leute, die das machen, kommen in die Hölle.
Nachdem in in den ersten paar Jahren auch versucht habe, Leute vom Vegetarismus zu überzeugen, habe ich es irgendwann gelassen. Gestehe der Mehrheit irgendwie zu, dass sie mehr Recht hat als ich, irgendwie. Und sage jetzt, ethische Entscheidungen muss jeder für sich treffen.
Eigentlich ist das aber Unfug. Es gibt durchaus ethische Grundsätze, die Menschsein ausmachen. Niemandem wehtun. Schwächeren helfen. Aber das ist halt nur verbindlich, wenn die Mehrheit das so sieht. Also schweigt man, wenn die Mehrheit das anders sieht als man selber.

Mit dem freien Lieben, mit polyamory ist es ähnlich. Eigentlich glaube ich daran, bin fest überzeugt, dass Freiheit die Menschen glücklich macht. Dass sie mehr finden werden in der Liebe, wenn sie keine Abhängigkeit dabei haben. Dass es irrsinnig ist, Liebe als Gut zu behandeln, als begrenzte Ressource, die ich nur bestimmten Menschen gebe, und die auch für mich bitte reserviert sein soll.
Ich finde das echt bekloppt.

But the majority is always sane. Darum darf jeder von mir erwarten, dass ich da Respekt habe. Iss Fleisch, liebe exklusiv. Versuche, zu überzeugen, werden schnell als Extremismus ausgelegt, beim Vegetarismus und beim Anders Lieben.
Aber nur in die eine Richtung. Die Mehrheiten dürfen schonmal härter argumentieren. Wir haben doch immer schon Fleisch gegessen. Monogamie ist eben die bessere Überlebensstrategie.
Und für Akzeptanz muss man als Minderheit kämpfen. Schwule und Lesben genau wie Vegetarier genau wie Asexuelle (ganz aktuell) genau wie Polys.

Komisch eigentlich. Respekt finde ich gut, Verschiedenheit finde ich auch gut, aber irgendwie gibt es da ein Ungleichgewicht, wie doll man zu seinen Ansichten stehen darf, je nachdem, ob man viele ist oder wenige.

PS: Mir scheint, was ich meine, wird im obigen Text nicht komplett deutlich – ich habe soeben mit 3und20 noch lange drüber gequatscht. Quintessenz des Gesprächs ist (wie so oft) ein Mittelweg. Verschiedene Ansichten sind gut, haben mit Freiheit zu tun, und niemand kennt die reine Wahrheit. Aber ein Suchen nach dieser reinen Wahrheit muss nunmal über ein Reiben der unterschiedlichen Wahrheiten aneinander erfolgen, über Diskurs, und da fehlt den Minderheiten vielleicht manchmal der nötige Pfeffer. Vielleicht ist das klarer…

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