31.12.2005 2:15
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Allgemein

Mein verehrter PHP-Dozent, inspierender Ideenschenker, megalomanischer Ränkeschmieder und lieber neuer Freund B. hat mir in einem unserer ersten Gespräche, nachdem ich beschlossen hatte, dass wir Freunde werden sollen, etwas über Kunst gesagt, was ich schlau fand.

Wir sprachen über die Schwierigkeit einer Kunstdefinition, darüber, dass man sich in der Diskussion immer mehr einem individuellen Kunstbegriff annähert (was mich nicht wundert: “This is the great individualism” sage ich gern und fühle mich zeitgenössisch) und kamen folgerichtig bei unseren eigenen an.

Mein Kunstbegriff lautete: Es muss erschaffen worden sein und es muss Gefühle auslösen. Sowohl Nieselregen wie auch ein Industriestaubsauger versagen bei jeweils einem Kriterium. Scheiße versagt gleich auf beiden.
Jenny Holzer, Evelyn Glennie (Empfehlung: Trailer von Touch the Sound) und Andy Goldsworthy dagegen schaffen beides, und zwar wie!

B.’s Kunstbegriff bestand aus mehr Sachen, als ich mir gemerkt hatte, aber der wichtigste Punkt war folgender:
Kunst ist die Semantisierung des Nicht-Semantischen.

Glücklicherweise hatte ich zum Zeitpunkt des Gesprächs schon 2 Jahre Linguistik studiert und wusste, was Semantik ist. Diese 2 Jahre wurden mir allerdings durch bürokratische Hürden ziemlich oll, sodass ich das von niemandem hier erwarten kann, deswegen sei kurz gesagt: Semantik ist die Lehre der Bedeutung, Semantisierung stiftet also Sinn.

Tipp topp Definition. Plötzlich kann nämlich die gänzlich unsemantische obig kurz erwähnte Scheiße Kunst werden. Wenn nämlich Piero Manzoni im Jahre 1961 90 Blechdosen vollscheißt und sie mit “Merda d’Artista” beschriftet. Künstlerscheiße.
Zack, semantisiert. Fast noch brillanter ist übrigens sein “Sockel der Welt“.

Soviel also dazu. Das war ein schönes Gespräch über 5 Haltestellen, aber darum geht es nur sekundär: Was ich daran wirklich schön finde, ist nämlich, dass ich soeben im Beitrag über das Einjährige des Blogs sinnierte, was das Blog so bedeutet.
Und im Grunde macht man das ja ständig.

Was bedeutet dies hier, dieses Erlebnis (was auch immer es ist) für mein Leben? Was soll das? Wo liegt der Sinn?

Und vielleicht, man kann sich angesichts eines Äonen alten Alls und einer menschlichen Lebenserwartung von Mitte 80 schlecht dagegen wehren, vielleicht hat das ganze Zeug hier keinen Sinn.
Das ganze Leben nicht.

Das wäre irgendwie schade. Aber, und das gefällt mir, selbst wenn es so ist, dann macht uns das alle zu Künstlern.
Denn wir semantisieren das Nicht-Semantische, wo es nur eben geht. Merda d’Artista.

Hermann Hesse hatte sicher Recht:

Man sollte auf alles achten, denn man kann alles deuten.
Das Glasperlenspiel

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