17.02.2006 12:44
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Allgemein

So, der Reader ist einigermaßen durchgelesen, und ich finde ihn gut.

Nichts Neues, eigentlich, wenn man sich mit dem Polykram ein bisschen beschäftigt hat, aber interessanterweise fällt das Wort “Poly” kein einziges Mal. Easton & Liszt werden aber zitiert, das heißt man kennt das Wort schon…
Vermutlich ist den Autoren das zu sehr Etikett – das kann ich nachvollziehen. Ich selber habe ja vor einiger Zeit für mich festgestellt, dass “freies Lieben” für mich nach wie vor besser zusammenfasst, was ich will, als Poly es tut. Die Tatsache, dass Liebe für viele Menschen möglich ist, ergibt sich automatisch, wenn man versucht, sich von allem möglichen Kladeradatsch zu befreien.

Häufig wird Polyamory sogar auch in dieser Lesart benutzt – als grundsätzlichere Form, über Liebe und Beziehungen nachzudenken, etwas zu ändern am eigenen Blickwinkel. Häufig aber auch nicht, häufig wird Poly gegen Mono aufgewogen, und dann geht es schlicht um die Anzahl der Partner (und peripher um Besitzdenken). Da fällt viel hinten rüber.

Wie dem auch sei, zurück zum Reader. Der hat nämlich genau meine Perspektive des freien Liebens um das schöne metaphorische Konzept der Matrix bereichert.

Espi* benutzt den Begriff, und er scheint in linksradikalen Kreisen ganz normal zu sein.

Die meisten von uns kennen den Film. Menschen leben, eingepfercht in Brühschlammblasen, um einen omnipotenten Staat mit Energie (war es Energie?) zu versorgen. So weit, so analog, mit dem Unterschied zur realen Welt, dass es offensichtlich ein “Die da oben” tatsächlich gibt. In der realen Welt konstruieren sich die Leute ein “Die da oben” zurecht, glaube ich. Eigentlich sind wir alle die da oben. “Du bist der Staat” heißt auch, dass “die da oben” Menschen sind wie du und ich.
Power attracts the corruptible.

Jedenfalls ist ja das Perfide an der Matrix, dass die Leute in diesen Blasen ein Leben vorgegaukelt wird, dass frei und ganz nett ist. Und alles macht so viel Sinn, alles ist super.
Wieder analog. Zur Erläuterung aus dem Reader:

“Matrix” ist dabei eine Metapher für ein System, in dem Diskurse und Zurichtung so subtil und perfekt wirken, dass die Menschen das Bestehende “wie von selbst” reproduzieren und sich dabei frei fühlen.

Damit sind wir in der Tat angekommen bei “Die da oben” sind “Wir da unten”.
Bezogen auf Liebe: Weil wir bspw. glauben, dass man nur einen Menschen gleichzeitig lieben kann, ist es auch so. Wir machen uns unsere Welt, die uns dann gefangen nimmt. Diesen Zirkelschluss gibt es in ähnlicher Form auch bei Watzlawick und Luhmann.

“Matrix” finde ich dafür einen sehr netten Begriff. Irgendwie habe ich mir die tatsächliche philosophische Tragweise des Films (zumindest des ersten Teils) in der Form noch nie bewusst gemacht…
Gutes Wort. Nehm ich.

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