Gestern sprachen wir in der WG über Orgien und derlei Dinge, und in Folge auch über die aktuelle Werbung des Penthouse Magazins.
Die Frau ist hübsch, da muss man nicht drüber sprechen, die Werbung ist ne ganz billige Tour, auch darüber muss man nicht sprechen. Sprechen mussten wir allerdings über Würde und den öffentlichen Raum.
Der öffentliche Raum
Mein Mitbewohner M. äußerte Bedenken, ob man denn an jeder Ecke Brüste sehen müsse. Ob das richtig wäre, frug er sich, und befand, dass Sex nunmal etwas anderes ist als andere Werbung. Wobei man natürlich ohnehin schon argumentieren kann, dass der öffentliche Raum völlig werbefrei sein sollte, und ich kenne sogar jemanden, der das so sieht.
Ich für meinen Teil bin eigentlich ausgesprochen relativistisch. Ich bin jetzt 26, ich will nicht ausschließen, dass ich langsam konservativ werde, aber um dem vorzubeugen, lehne ich erstmal nichts ab. Vor 40 Jahren war es der Minirock, vor 60 Jahren der Bikini, und immer hieß es, jetzt ist es vorbei mit der Sittsamkeit.
Ich weigere mich zu glauben, dass es damals nicht stimmte, diesmal aber schon, weil sich Frauen an die Vulva fassen, Ich habe argumentiert, dass sich die Sitten nunmal verändern.
Allerdings kamen wir im weiteren dennoch auf die Frage, wie weit das gehen darf, und ob es Kriterien geben kann, die Grenzen bedeuten.
Würde
Ein mögliches Kriterium ist die unantastbare Würde des Menschen. Der Artikel in der Wikipedia zu dem Thema ist nicht uninteressant, aber leider auch nicht hilfreich. Irgendwie bleibt eine Würdeverletzung subjektiv. Ich habe Jackass oder Big Brother abgelehnt, weil ich darin die menschliche Würde verletzt sah. Obwohl alle Teilnehmer freiwillig (sofern man bei monetären Anreizen von tatsächlicher Freiwilligkeit sprechen kann) dabei waren, fand ich das falsch, hatte ich das Gefühl, dass diese Art von Darstellung, dieser Rahmen etwas Falsches ist. Dass die Teilnehmer ihre Würde verkauft haben, für ein paar Lacher und einen möglichen Plattenvertrag.
Bei Nacktheit habe ich das interessanterweise nicht. Ich suche noch nach dem Unterschied. Bei Jackass ist es deutlich – unabhängig von der Streuung der Darstellung ist das, was dort geschieht, würdelos. Big Brother und Plakatwerbung mit Brüsten aber haben gemein, dass der eigentliche Inhalt nicht würdelos ist (weder Alltag noch Sexualität sind etwas Schlimmes), sondern wenn überhaupt die Darstellung, die Zugänglichkeit für eine breite Masse. Und ich weiß tatsächlich nicht, was den Unterschied von Nacktheit und Alltag für mich ausmacht, warum ich bei Big Brother Unwohlsein empfinde, und bei Brüsten nicht. Hm, obwohl, während ich den Satz schreibe, sticht mir eine naheliegende Erklärung doch sehr ins Auge. Nackte sind natürlich schön… Ob es so einfach ist?
Der nächste Schritt, den ich befürchte, wird Gewalt sein. Eigentlich finde ich Jackass oder diese Dschungelshow schon ziemlich gewaltsam, von diesen japanischen Gameshows ganz zu schweigen. Horrorfilme mit Folter- und anderen Gewaltthemen werden immer salonfähiger, und da ist meine Grenze erreicht. Allerdings sehe ich ein, dass meine Kinder da schnell sagen werden “Ach Papa, das ist halt nur ein Film”, und meine Bedenken bezüglich der menschlichen Würde werden fadenscheinig klingen.
Noch sehe ich kein vernünftiges Kriterium. M. und ich haben uns geeinigt, dass wir in einer wertegebundenen Demokratie schlicht über Minderheitenschutz argumentieren wollen. Nicht mehr als 10% der unter 45jährigen (die also ihr halbes Leben noch vor sich haben) sollten etwas richtig scheiße finden. Aber im Grunde ist das auch nur eine Maßregelung des Sittenverfalls, wenn es einer ist, oder ein Konservatismus im Demokratiegewand.
PS: Gerade in einem Nachgespräch fiel mir der sehr wesentliche Unterschied auf, dass es eben nicht um Nacktheit auf Plakaten geht, sondern um Sexualität. Nacktheit ist gar kein Problem, und die Diskussion oben muss für Sexualität gelten.