Bezogen auf diesen Moment in Beziehung, wo die erste Verliebtheit abklingt und eine gewisse Traurigkeit einsetzt, oder vielleicht eine Ernüchterung, habe ich letztens an meinen alten Mathe-Unterricht gedacht.

Ja, ich weiß, aber so funktioniert mein Gehirn nunmal…

Jedenfalls dachte ich da an die Graphen, die man für die verschiedensten Funktionen malte, und dann an die Funktion y=?x . Die ergibt (für den Fall dass es die eine oder der andere nicht mehr im Gedächtnis hat) folgenden Graphen:

Geht steil los, aber die Steigung wird dann immer geringer. Genau diese Steigung beschreibt ja (bear with me, please) die Ableitungsfunktion. Nur zur Erinnerung: Wenn ich als Stammfunktion beispielsweise die Geschwindigkeit eines Autos abtrage, das losfährt (nach 1 Sekunde 3km/h, nach 2 Sekunden 6km/h und so weiter) erhalte ich als Ableitung die Beschleunigung. Hier nun also, without further ado, die Ableitungsfunktion für y=?x (für die Puristen: Sie lautet y= 1/(2?x)).

So. Danke, dass ihr so lange dabei geblieben seid, ich gehe jetzt auch wieder über zum Thema Gefühlswelten.
Der blaue Graph zeigt eine stetige Entwicklung in Richtung Plus. Der steigt und steigt, genau wie (im besten Fall) die Liebe und die Nähe mehr und mehr wird. Kein Grund zum Klagen, also, die Beziehung wird doch immer besser. Klar, nicht mehr in dem Tempo wie in den ersten Wochen, aber was man hat, das hat man doch…

Aber! Die Trauer, die man nach einer Weile spürt, ist die Trauer über die Ableitung, über den orangenen Graphen! Es stirbt etwas, weil die Steigung immer langsamer wird, immer immer langsamer, bis sie schließlich vom Stillstand nur noch mathematisch zu unterscheiden ist. Wie nähern uns der Null, und das ist die Ursache des Verdrusses, obwohl doch eigentlich (Stammfunktion) alles Richtung Unendlichkeit strebt.

Analog dazu gibt es ja auch beim Autofahren einen Thrill durch die Beschleunigung, nicht unbedingt durch die Geschwindigkeit. Alle Welt spricht von der Zeit, die man von 0 bis 100 braucht. DIE ist aufregend! Danach wird die Beschleunigung flacher, und ob man jetzt 200 oder 180 fährt, ist kaum zu merken.

Dies nur als Beobachtung. Ich hab keine Ahnung, was man dagegen tun kann, aber vielleicht ist es ein Anfang, wenn man eine Idee davon hat, warum man so unzufrieden ist, obwohl doch gottverdammtnochmal alles okay ist. Weil es nur noch so langsam besser wird, that’s why. Und ich finde, da kann man sich selbst gleich besser verstehen.

2 Kommentare zu “Die Ableitung der Liebe ist das Sterben.”

  1. ben_ sagt:

    Ha! J. und jetzt komme ich. Soll ich Dir sagen, warum “Beschleunigung” physikalisch gesehen die eigentlich spannende und bedeutende Einheit ist: Massenträgheit. Beschleunigung ist jene From von Kraft, die die bestehende Situation eine Körpers verändert. Etweder seine Richtung oder seine Geschwindigkeit, was letztlich eigentlich das Gleiche ist, je nach von welchem Standpunkt man es betrachtet.

  2. j. sagt:

    Ben, Zau ber Haft! Das überzeugt mich auch für die Liebe. Das Überwinden der Masseträgheit, des Status Quo, das macht high. Aber nach ner Weile ist das neue der Status Quo… leuchtet ein, leuchtet ein.
    Wir brauchen Kurven! (no pun intended).

    Übrigens sagt mein Blog mir nicht mehr Bescheid bei neuen Kommentaren, deshalb bin ich immer so spät dran. Sorry.

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