17.09.2006 11:22
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Allgemein

Immer der Nase nach

Nachdem ich seine Kurzgeschichten gelesen hatte, kam ich zu dem Schluss, dass ich Haruki Murakami nicht mag. Jetzt lese ich gerade sein Buch “Kafka am Strand”, und das gefällt mir besser. Der Zwang zur Kohärenz in einer so langen Geschichte steckt den Wahnsinn Murakamis in ein Gewand, sodass auch ich den Anblick ganz schön finde.

Eine Stelle hat mich sehr gefreut.

Das Glück hat nur ein Gesicht, aber das Unglück hat für jeden Menschen ein anderes. [...] Das Glück ist eine Allegorie, das Unglück eine Geschichte.
Oshima in “Kafka am Strand” von Haruki Murakami

Das stimmt. Ich schätze den Respekt vor den großen, schlimmen Gefühlen, eben weil sie nämlich ein Leben ausmachen, weil sie uns menschlich machen. Man stelle sich vor, jemand erzählte die Geschichte seines Lebens wie folgt: “Nach einer glücklichen Kindheit lernte ich in der Schule die Frau meiner Träume kennen. Es begann als stürmische Liebelei, aber wuchs zu einer großen Liebe, die uns beiden viel Kraft gegeben hat, während wir unsere Traumberufe fanden.“. Ist doch lahm. Rückschläge, Peinlichkeiten, Herausforderungen und Niederlagen, nicht erwiderte Lieben, schmerzhafte Trennungen, all das macht ein Leben aus.

Diese Erkenntnis hatte ich damals dank des Satzes “Be hurt some more, aber die Beschreibung von Murakami gefällt mir auch. Genießt es, wenn es schlimm ist, anstrengend und schmerzhaft. Und zwar nicht nur, weil ohne diese Zeiten die guten Zeiten kein Gewicht hätten, sondern weil ihr nur so eure eigene Geschichte lebt. Anstatt der Allegorie eines menschlichen Lebens. Und dann gewinnt “Glück” natürlich eine ganz andere Bedeutung, denn dann kann wahres Glück, also persönlich relevantes Glück, nur aus Dingen entstehen, die erstmal gar nicht glücklich machen.

Bild von Photocase.

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