19.12.2006 18:45
0 Kommentare »
Allgemein

Teil 1: Wir sind der Staat.

Ben von Anmut und Demut benennt einige Gründe, warum die Menschen so politikverdrossen und rechtsextrem geworden sind. Michael Naumann behauptet, die Mehrheit in Deutschland findet Demokratie nicht mehr so recht heimelig, und Ben führt zur Klärung ins Feld:
Dass man keine Minderheit mehr sein kann, ohne zu fürchten (und, hallo, wie gut passt das zu einem Polyblog, ich kann euch sagen!), dass die Reichen zu viel Macht haben und dass zuviel ohne uns geschieht.

Sehr europäisch (ich werde in Zukunft versuchen, öfter mal “europäisch” statt “deutsch” zu sagen, wenn ich mich für ein typisches Verhalten schäme, die Nationalschande muss internationaler werden) wäre es nun, den Schuldigen zu suchen. 16 Jahre Kohl oder Schröder, Genosse der Bosse, irgendwen würde man schon finden, zur Not ist die Merkel Schuld, die ist halt grad noch da. Bringt aber nichts.

Staat muss wieder Laune machen, sagen Ben und ich, und die alles entscheidende Frage ist: “Wieso und wie sollte das denn kommen, bittschön?”

Zum Wieso: Das ist einfach. Der Staat sollte uns Laune machen, weil wir nunmal der Staat sind. Den Staat zu mögen ist Selbstwert (Achtung, hier gilt es Nationalismus zu verhindern – ein schmaler Grat). Durch die große Komplexität nationaler Systeme vergisst man das, aber zu sagen “Wir zahlen Steuern und der Staat streicht das ganze Geld ein” ist grober Unfug. Zwar kann man sagen, Politiker verdienen zu viel, aber die vielen Milliarden gehören uns. Es wird nur nicht von uns entschieden, was damit gemacht wird.

Das bringt uns schon zum Wie: Genau dieses Gefühl muss meiner Meinung wieder mehr werden. Ben verbesserte mich in seinen Kommentaren, als ich sagte: “Demokratie muss wieder Laune machen”, er wollte lieber “Staat” sagen, und Recht hat er. Nicht die Organisationsform soll man besonders spüren, sondern die Gesellschaft, dieses unförmige schwierige Ding, zu dem wir halt alle gehören.
Dann geht man über asphaltierte Wege und sagt: Jawoll, das habe ich bezahlt. Geht nachts durch die Straßen und sagt: Jawoll, alle müssen morgen früh arbeiten, deswegen überfällt mich niemand.

Die Schritte dorthin sind sicher schwierig und mannigfaltig. Ich hätte gern geheime Abstimmungen in allen Gremien, um Parteiendünkel zu verhindern, und ein anfangs stärker gestaffeltes Steuerrecht, damit man langsam mitspielen kann, und der Start ins Berufsleben nicht so schwierig ist. Zudem sollte die Steuergrenze ein Steuerfreibetrag sein, sodass man die ersten paar Tausend Euro immer behalten darf. Grundsicherung helau, danach zahl ich doch auch gerne Steuern, weil: Die zahl ich für alle, und alle zahlen für mich.

Übrigens hat die “Du bist Deutschland”-Kampagne sowas ähnliches versucht, aber hat leider den Fehler gemacht, Deutschsein an Exzellenz zu koppeln. Man war halt nur Mozart und wer-weiß-ich-noch, aber in Wirklichkeit ist man wirklich alle. Der Penner auf der Straße, die Pommesfachverkäuferin, auch der Ackermann, und sogar die Kriminellen. Nur über dieses ganzheitliche Verständnis ist tatsächliches Mitfühlen allüberall (= Staat) möglich, und nur so kann ein Streben nach Gerechtigkeit (für Arme, aber eben auch gegenüber Kriminellen) erreicht werden. Sonst gibt es nur ein Streben nach Exzellenz. Des hom wa scho, des isch der Kapitalismus.

Ich gebe ab zu Ben.

Kommentieren