Gerade las ich in der Zeit, wie Jana Hensel (28, ich glaube die gehört noch zu meiner Generation) über Emanzipation denkt, und sie denkt ganz gut. Sie beschreibt etwas, was andernorts bereits als the new sexism betitelt wird, nämlich die Tatsache, dass jetzt überall nacktes Fleisch gezeigt wird und niemand was dagegen sagt. Immerhin, so würden es die new sexists wohl drehen, ist die Emanzipation ja fertig, und nackte Frauen sind halt einfach frei und locker.
Trotzdem bleibt der Dreh- und Angelpunkt natürlich ein Schönheitsideal, ein Rollenbild von einer Frau, die halt nicht mehr nur hübsch und lieb sein muss, sondern auch erfolgreich und ja keine Emanze dabei, so wie es Frauenzeitschriften seit Jahren propagieren.
Der Artikel hat bei mir eine Idee ausgelöst. Ich erlebe ja auch als Mann sehr feste Rollenvorgaben, und ich glaube, der new sexism ist eher so eine Art physicism.
Ich glaube nämlich, dass die Emanzipationsbewegung tatsächlich schon Dinge bewegt hat (die noch nicht am Ziel angelangt sind, aber die Richtung stimmt schon), aber dass gleichzeitig bei beiden (allen?) Geschlechtern der Körper eine so hohe Wichtigkeit bekommt, dass Makellosigkeit zum Ziel wird. Bei Frauen ist das momentan noch deutlicher (gibt’s da ja auch schon länger), aber es gibt auch immer mehr schöne Männer in den Medien – es entsteht ein Stereotyp des schönen Mannes, und mit schön meine ich halt perfekt. Das ist genau das Problem.
Vor 2, 3 Jahren noch fiel es mir sehr schwer, einzuschätzen, welche Männer schön sind, meine Freundinnen waren da oft sehr unterschiedlicher Meinung, aber mittlerweile gibt es ein bisschen eine Norm, wie es sie für Frauen schon lange gibt.
Tja. Was macht das nun. Irgendwie schön, dass Männer und Frauen jetzt beide gegen diesen (von mir mal ziemlich frei benannten) Physizismus kämpfen müssen. Vielleicht können sie sich ja verbinden.
Andererseits irgendwie scheiße, wenn die Gleichberechtigung der Frau noch immer nicht vernünftig abgeschlossen ist, und schon verwandelt sich das Problem, wird größer und irgendwie weniger greifbar.
Denn wer würde schon sagen “Nein, ich will keine schönen Menschen im Fernsehen sehen!”. Alle wollen schöne Menschen. Ich auch, gerade im Kino beispielsweise, so von wegen heile bunte runde Welt.
Aber natürlich verstärkt das jene Rollenerwartungen an Männer und Frauen, die ich eigentlich scheiße finde.
Mein Fazit: Weniger Fronten. Sexismus ist nicht nur männlich (was Jana Hensel auch gut beschreibt), sondern auch viel in den Köpfen der Frauen, die denken, sie machten sich gern schön für ihren Liebsten, die denken, ihr Ausschnitt sei halt eine der Waffen der Frau (Zitat Alice Schwarzer: “Die Waffen einer Frau sind die Waffen einer Sklavin” – Treffer, versenkt).
Und Sexismus geht nicht immer nur gegen ein Geschlecht (was das Wort aber natürlich impliziert), sondern kann auch einfach Rollenvorschriften für alle bedeuten, was eigentlich noch schlimmer ist.
Deswegen: Sagen wir physicism. Oder ein anderes Wort. Womit Männer und Frauen was anfangen können.