17.06.2005 12:31
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Allgemein

Die Gleichnishaftigkeit der Welt, oder vielmehr die sense-making Prozesse des menschlichen Geistes, sind super.
An meinem gestrigen Schweigetag fuhr ich Fahrrad, um zu zeichnen, und natürlich verlor ich den Weg.
Und ich sah mein Projekt schon Wanken und mich jemandem nach dem Weg fragen. Sofort dachte ich
“Aha! Gleichnis! Wenn man unbekannte Wege geht, und niemanden einen versteht, ist das ganz schön schwer”.
Und deshalb wollte ich niemanden fragen, denn ich will meinen Weg ja alleine gehen, das war ja das Statement (übrigens mehr für mich denn für irgendwen, eigentlich) hinter der Aktion.

Ich fand es insgesamt ganz schön, übrigens. Das ganze hatte jetzt für mich 3 Aspekte, die getrennt zu betrachten vielleicht Sinn macht:

  1. Mehr meditieren. Da gibt es nicht viel zu zu sagen, ich fand nur immer diese Schweigegelübde unheimlich spannend.
  2. Weniger schwätzen. Ich definiere mich ja ziemlich übers Reden, da war es interessant zu schauen, was bleibt, wenn das wegfällt.
  3. Sich getrennt fühlen. Eine gehörige Portion Trotz war ja auch dabei, Trotz gegen die Welt. Wenn ich nicht verstanden werde, gebe ich den versuch eben auf

Zu 1: Ist super. Man ist wirklich ziemlich nah bei sich, und vor allem bemerkt man, in welchen Situationen man was sagen würde, denn der Impuls des Kommentars bleibt. Zumindest am ersten Tag, wenn man das monatelang macht, ist das wahrscheinlich irgendwann weg.

Zu 2: Das war auch super. In der Tat war mein Umfeld ziemlich perplex (gut, is ja klar), aber es war interessant zu sehen, wie sich die Kommunikationsrollen neu verteilen, wenn eine Standard Sprechrolle einfach wegfällt. Auch sehr belehrend, was so die eigene Wichtigkeit angeht.

Zu 3: Auch das, fand ich, hat gut geklappt. Weil es wirklich keinen großen Unterschied gemacht hat, erstaunlicherweise.
Ich habe mich an meine These erinnert gefühlt, dass die Menschen halt eh “unverbindbar getrennt” sind, dass nichts, weder Sex noch Liebe noch sonstwas, das existentielle Alleinsein des Menschen durchdringen kann; und die Tatsache, dass es ziemlich wenig Unterschied macht, ob man mit den Leuten spricht, oder nicht, passt da sehr gut rein.

Gleichzeitig hab ich, das will ich zugeben, die anderen Menschen schon vermisst. Habe mich ein bisschen geärgert, dass ich e-mails nicht beantworten durfte (Mann, Mann, bin ich streng mit mir). Und ich hatte gehofft, dass andere Aspekte der Zwischenmenschlichkeit stärker in der Vordergrund treten, dass man mehr einfach da ist, sich mehr anschaut und berührt, mehr “sinnlich” teilt, also gemeinsam zuhört und solche Sachen. Aber das hat nicht geklappt.
Die Leute meiden, was sie nicht verstehen, klar, würde ich auch, und so war ich ziemlich viel allein gestern. Das war natürlich okay, um das Gefühl ging es ja, aber ich hätte nicht gedacht, dass die Nähe dann so fehlt. Oder die fehlende Nähe so spürbar wird?

Ich würde das irgendwann, glaube ich, gern mal mit jemand anderem wiederholen. Und einen Tag schweigend miteinander verbringen, Spazieren gehen und leben. Ganz still.

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