28.07.2005 13:26
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Allgemein

Wie schon oft gesagt, bin ich ein körperlicher Mensch. Die Menschen, die ich liebe, berühre ich gern, und mittlerweile weiß ich für mich, dass ich deswegen auch kein Lüstling bin.

Gestern in der Cafete meiner Uni traf ich zwei Kommilitoninnen, setzt mich zu ihnen und wurde von jener, die mir zur Seite saß, in den Armen genommen, ich nahm zurück in den Arm und berührte unabsichtlich, obschon gern, ihren nackten Rücken, denn die Mode muss auch sparen.
“Du hast gerade übrigens über meinen nackten Rücken gestreichelt, aber macht ja nichts”, sagte sie, korrekterweise annehmend es war ein Versehen, fälschlicherweise annehmend, ich hätte es nicht bemerkt oder es wäre mir unangenehm.
“Warum soll das auch was machen? Ist doch super”, sagte ich, und wiederholte meine Tat, weil ich wirklich völlig unverständig war, warum das irgendwie schlimm sein sollte.
Besagte Rückenbesitzerin drehte sich dann zu ihrer Freundin und sagte “Naja, bei J. findet man es ja ganz süß.”

  1. Süß. Soso. Der Albtraum meiner Pubertät. Männer wollen nicht süß sein, weil süß sich mit sexy und männlich nicht so gut verträgt. Aber, auch wenn ich hier vielleicht gern auch ein bisschen als begehrenswert und männlich rübergekommen wäre, das war okay. Besser süß als grenzüberschreitend.
  2. Ihre Freundin erwiderte ein ziemlich schlichtes und gleichermaßen trockenes “Nein”. Das hat mir dann schon wieder zu denken gegeben… Doch grenzüberschreitend? Wir haben das nicht vertieft.
  3. Drittens ist am Wichtigsten: Auf der Suche nach der Ursache, warum man irgendwie den Rücken nicht berühren sollte, fand ich und äußerte ich, dass das ein Teufelskreis ist.
    Weil Männer als sexhungrige, oberflächliche Grabscher gelten, werden Momente wie jene, in denen ich zufällig ihren Rücken streichle, dahingehend interpretiert. Wenn eine Frau sie beim Umarmen berührt hätte, wäre es nichtmal Thema geworden.
    Und dann gilt die Situation als weiterer Beweis für die Sexhungrigkeit “des Mannes”.
    Zirkelschluss. Das Klischee determiniert das Verständnis der Situation determiniert das Klischee.
    Die Tatsache, dass ich nun gerade irgendwie als kleine Ausnahme gelte, bestärkt das nur – “Ausnahmen bestätigen die Regel” stimmt insofern, dass es erst durch das Konstatieren einer Regel eine Ausnahme von der Regel geben kann – wenn ich – ausnahmsweise – kein fieser Lüstling bin, bestärkt das nur, dass alle anderen Männer so sind.
    Sexismus gibt es nicht nur bei Frauen.

Ganz abgesehen davon möchte ich mal eben in die Blogosphäre werfen, dass es okay ist, sexhungrig und oberflächlich zu sein.
Gut, das war extra provokant formuliert.
Aber man stelle sich ein Alternativ-Universum vor, in dem folgender Dialog möglich ist.
Er: “Du denkst nie an Sex. Manchmal denke ich, reden und kuscheln ist alles, an was du denken kannst. Liebst du etwa nur meinen Geist?”
Sie: “Unsinn, Schatz. Ich liebe alles an dir. Frauen sind halt so.”

Irgendwann wurde die These “Sex wollen ist unfair” oder so, vielleicht eher “Sex wollen reduziert die begehrte Person auf ihren Körper” populär, Sex zu wollen wurde politisch unkorrekt. Das macht aber überhaupt keinen Sinn.
Ganz abgesehen davon, dass alle Menschen Sex und Orgasmen mögen, sind Männer offensichtlich häufig mehr da hinterher (inwiefern kulturelle Rahmenbedingungen wie bspw. oben das bedingen, lasse ich mal dahingestellt, viel ist dann halt doch biologisch – wenn man Frauen Testosteron spritzt, werden die ganz fürchterlich heiß. Bei Männern hat es übrigens keine Wirkung – die laufen offensichtlich schon am oberen Limit). Aber das macht nichts. Das ist nicht falsch.
Falsch wird es erst, wenn man Dinge tut oder sagt, die die andere Person nicht will. Das ist ein schwieriger Satz, weil es halt sehr auf den Rahmen ankommt, ob zum Beispiel so eine Rückenberührung ein sexueller Übergriff ist oder einfach eine freundschaftliche Berührung. Und zu diesem Rahmen gehören dummerweise auch wieder die Klischees, die Normen, die ja evtl. falsch oder dumm sein können.
In meinen Augen ist der Begriff der sexuellen Belästigung übrigens in den letzten Jahren zu weit gefasst worden (s. auch die Diskussion bei Bandini, wo ich in weiten Teilen auch nicht nachvollziehen konnte, warum das jetzt alles so schlimm ist und in weiten Teilen mit Timanfaya übereinstimmte).
In jenen Grenzen, also bevor es belästigend wird, darf man auch einfach das ausleben, was in einem ist. Die Gedanken sind frei. Will ich doch hoffen.
Das gilt natürlich für Männer und für Frauen (weil letztere, was Sex anbetrifft, auch einem ganzen Haufen Erwartungen gegenüberstehen. Aber das ist ein anderes Thema).

PS: An dieser Stelle mal zwei Links zu zwei Sexblogs, die ich gern lese:

Beide stehen zu ihrer Sexualität, teils eben auch zu ungewöhnlichen Wünschen oder Handlungen, und das finde ich super. Bei Frauen ist es leider noch ungewöhnlich, wenn sie überhaupt Sex wollen und vor allem leben, scheint mir manchmal, und als moderner Mann muss man ja auch eher zurückhaltend und zärtlich sein. Alles Scheißklischees.

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