23.08.2005 12:58
0 Kommentare »
Allgemein

“Ich bin poly” sage ich in den letzten 24 Stunden vor mich hin, nur manchmal, leise, und es fühlt sich so unglaublich richtig an.
Die Enthüllung, kann man fast sagen, die Enthüllung dieses Wortes ist wichtig für mich, ich erlebe sie als sehr großen Schritt.
Das ist sicherlich für Außenstehende schwer nachzuvollziehen, immerhin wundere ich mich selber darüber, wie erleichtert ich bin, und deswegen will ich einen Vergleich ziehen, der zum Einen erklärend ist, und der zum Anderen in sich selbst schon wieder spannend ist.

Ich habe mir vorgestellt, wie es ist, zu einer anderen sexuellen Minderheit zu gehören, denn das tue ich offensichtlich, auch wenn Sex nicht im Vordergrund steht. Ich habe mir vorgestellt, mich irgendwann nicht in eine gute Freundin, sondern in einen Mann verliebt zu haben. Und dann, später, in noch einen. Allerdings hätte ich das vor ca. 30 Jahren gemacht, und ich hätte nicht gewusst, dass es sowas wie Homosexualität gibt.
Ich hätte mit guten Freunden gesprochen, die hätten das in gewisser Weise akzeptiert, und hätten gesagt “Naja, dann leb das mal aus, irgendwann wirst du schon eine Frau finden, in die du dich richtig verliebst”, oder vielleicht “Du brauchst einfach nen richtigen Fick”, und vielleicht hätte ich das erwogen.
Ich hätte in meiner Jugend dann auch schon Erfahrungen mit Frauen gemacht, aber es hätte nie so richtig gut funktioniert.
Und ich hätte immer wieder gezweifelt, wie das denn sein könne, immerhin ist es evolutionär völliger Unfug, so zu empfinden, und alle meine Freunde und Freundinnen machen das anders.
Was, wenn sie recht haben? Und wenn ich mich dem nicht anschlösse, weil sie vielleicht ja auch nicht recht haben, wie sollte ich glücklich werden, wenn ich Männer liebte.

Und dann, irgendwann, ich wäre gerade 25 geworden, würde ich die homosexuelle Szene entdecken. Würde Menschen sehen, die die gleichen Probleme hätten wie ich, die sie aber schon zu großen Teilen gelöst hätten, und zwar so, wie ich Teile meiner Probleme auch gelöst hätte. Und die dafür neue Probleme durchdenken.
Die die Ablehnung, mindestens aber das Unverständnis der anderen Leute kennen.

So fühlt sich das an. Es ist wie ein Coming-Out vor mir selber, vorerst, schlicht dadurch, dass ich ein Label habe.

Und die Analogie zur Homo-Szene gefällt mir auch, weil ich daran weiterdenken kann. Dass ich mich schon jetzt darauf vorbereiten kann, dass ich nach der ersten Euphorie festellen müssen werde, dass manche Leute, die auch poly sind, doch wieder ganz anders sind als ich, dass es Subkulturen gibt.
Und dass auch das okay ist. Nicht jeder Schwule muss Leder tragen, nicht jede Lesbe muss kurze Haare haben und nicht jeder Poly muss mit Sex komplett freizügig sein. Oder so. Wo auch immer dann die Unterschiede eben liegen werden.

Honey, I’m home.

Kommentieren