16.09.2005 21:07
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Allgemein

Die Systematische Desensibilisierung nach Wolpe ist ein Konfrontationsverfahren in sensu, und wird bei vielen Angststörungen eingesetzt.
Anders als bei “in vivo”-Verfahren sucht man die angstauslösenden Situationen nicht auf (man steigt also nicht auf den Turm), sondern stellt sie sich während einer Entspannungsübung vor.
Dafür arbeitet man zunächst eine Angsthierarchie aus. In 10er-Schritten geht man dann im Geiste von Situation zu Situation und entspannt sich zwischendrin, weil sich Angst und Entspannung nicht gut vertragen.
Wenn man bei einer Situation Angst erlebt, bricht man die Vorstellung dieser Situation ab und geht zurück zur letzten angstfreien Situation. Über kurz oder lang kommt man immer höher auf der persönlichen Angsthierarchie, und “in vivo”-Maßnahmen sind denkbar. Die können auch hierarchisch ablaufen, zum Beispiel Hund im Nachbarzimmer hören, Hund hinterm Zaun sehen, kleiner Hund, dann großer Hund und so weiter.

Im soeben beendeten und sehr schönen Gespräch mit Powergirl, die ja im Ausland ist, kam ich auf die Idee einer Eifersuchtshierarchie. Die könnte man dann auch durchlaufen, sich zwischendrin entspannen und so lernen, mit seiner (meist ja, ebenso wie die Angst, irrationalen) Eifersucht umzugehen.
Mal ein Beispiel:

00 – (Ruhebild, sollte nicht direkt mit dem Thema zu tun haben). Ich liege in der Badewanne und bin ganz ruhig.

10 – Ich sehe, wie meine Freundin bei einer Feier mit Freunden mit einem anderen Mann spricht.
20 – Ich sehe, wie meine Freundin auf einer großen Feier mit einem anderen Mann spricht.
30 – Der Mann ist gutaussehend.
40 – Meine Freundin bietet einem anderen Mann einen Schluck aus ihrer Colaflasche an.
50 – Meine Freundin unterhält sich angeregt mit einem anderen Mann und sie lachen zusammen.
60 – Wie 50, aber die Freundin berührt den Mann an der Hand, wenn sie lacht.

70 – Meine Freundin hält die Hand eines anderen Mannes, mit dem sie befreundet ist, und den ich kenne.
80 – Meine Freundin hält die Hand eines anderen Mannes, den ich nicht kenne.
90 – Meine Freundin gibt einem anderen Mann, den ich nicht kenne, ein Küsschen auf die Wange.
100 – Meine Freundin gibt einem anderen Mann, den ich nicht kenne, einen Kuss auf den Mund.

Das Beispiel würde in der tatsächlichen Praxis noch eingehend darauf geprüft, ob die Abstände wirklich gleich sind. Der Sprung von 60 zu 70 ist möglicherweise zu groß, da müsste man dann individuell schauen.
Grundsätzlich aber halte ich Eifersucht für genau so störend und genau so irrational wie Angst, und ich halte beides für ähnlich gut therapierbar.
Nur leider gibt es bei Angst eben auch den sozialen Druck, dass man sich davon befreit – diese Motivation bei Eifersucht herzustellen ist schwierig. Besonders in einem Paar, wo die eine Partei sicher großes Interesse daran hätte, dass die andere nicht mehr eifersüchtig ist, aber ob die das dann auch so sieht…?

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