10.03.2006 11:09
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Allgemein

Lichtwerk

Neele Leana Vollmar ist zwei Jahre älter als ich und hat einen Film gemacht.

Ich sage das nicht leichtfertig, viele Leute machen, obwohl sie Filmemacher sind, etwas ganz anderes: zuviel Tamtam, einem Schande, Schlag ins Wasser.

Neele Leana Vollmar erzählt in “Urlaub vom Leben” die Geschichte eines Mannes, der Urlaub bekommt, nicht damit umzugehen weiß, und nun schonungslos mit seinem schwierigen Privatleben konfrontiert ist.

Klingt beinahe etwas schlicht, die Geschichte.

Aber wie sie das erzählt! Es ist ein Film, wirklich, das ganze Ding hat keine Szene zuviel, in jeder versteht man mehr über die Menschen, mehr über die Zusammenhänge, und Frau Vollmar, oder meinetwegen auch der Pascal Schmit (Kamera), zieht die Einstellungen aus dem Holfter wie im Duell, und mit jedem Schuss erblühen Metaphern, die so universell wie einfach sind.
Zack, zack, zack – Supermarktregal, Bus, Taxi – Überforderung, Vergangenheit, Hoffnung. Pffh, Knarre auspusten, Duell erledigt, gewonnen.

Jedes Bild (Und AuD spricht sinngemäß zu Recht: “Ein gutes Bild ist ein Schlüssel zu einem ganzen [U]niversum“) ist aufgeladen mit Semantik, obwohl nichts darin ist, nichts außer all der Dinge, die schon immer da waren, die man so gut kennt, dass sie einem öde werden: Nämlich dem Leben.

Der Film nimmt viele dieser Dinge und Begebenheiten, und schickt sie in Urlaub, nur dass sie dadurch nicht fort sind, nicht entfernt, sondern ganz nah an sich, an ihrem Wesen, und endlich versteht man, was dahinter ist.

Gustav Peter Wöhler
Gustav P. Wöhler

Nebst der Bilder sind es die Figuren, wo man immer das “dahinter” spürt, ohne dass es wirklich oft auftaucht, vor allem ohne dass es erklärt wird.

Meret Becker
Meret Becker

Und genau das ist ja eben das Leben, ist vor allem das Leben mit anderen Menschen: Hinter jedem Menschen wartet eine Geschichte, ein Schicksal meinetwegen, zumindest eine Pointe, auch ohne dass sie erzählt wird, sie ist einfach da, und irgendwie schafft Neele Vollmar es, diese … ja, diese Präsenz, im eigentlichen Wortsinne, diese große Präsenz einzufangen, und auch die Schauspieler schaffen es, jeder auf seine Weise.

Gustav Peter Wöhler dadurch, dass er eigentlich fast nichts tut, und so die Dinge, die er dann tut, auflädt und auflädt mit Energie, Meret Becker dadurch, dass sie tiefe, schöne Dinge ausspricht in einer Oberflächlichkeit, die irgendwo zwischen Nonchalance und Nebensächlichkeit liegt. Ich habe lange darüber nachgedacht, was ihre Sätze (Drehbuch übrigens Janko Haschemian, die Sätze kommen ja irgendwoher) so schön macht, und ich glaube, sie spricht die Dinge einfach aus, bei denen man eigentlich Pausen erwartet, Zögern, Stocken, eben Nachdenken, aber all dies tut sie erst, wenn der Satz schon gesprochen ist. Wahrheit sagen, sacken lassen. Und die ganze Zeit schaut sie so, als wäre sie selbst der gute Einfall, den man gerade hatte.

Hach, ich kann mich gar nicht sattreden! Im Film sind so unglaublich viele kleine Metaphern und Bilder und Wahrheiten und Kunstgriffe, ist, und ich glaube das ist der Grund, dass ich so bewegt bin, Authentizität.

Und genau deshalb darf und muss die Geschichte etwas schlicht klingen, weil das Leben nunmal schlicht ist und eben gerade darum dennoch und deswegen genau wunderbar.

Ich verneige mich tief, wirklich wirklich tief, vor einem solchen Film und allen die daran beteiligt sind.

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