In diesem Sommer habe ich ja meinen inneren Pöbel kennengelernt, die Volkszugehörigkeit und den Parolenbrüller in mir, und natürlich wobei? Bei der WM.
“Jan”, hab ich gedacht, “Jan, das ist die WM im eigenen Land, hier wird die Hölle los sein”. Zwei Dinge haben dazu beigetragen, dass ich mich drauf eingelassen habe. Erstens dachte ich, das drauf einlassen wird weniger stressig als Gespräche nach dem Format “WAS? Du guckst kein Fußball?? Aber… das ist doch die WM im eigenen Land!”, und zweitens wollte ich gern besser verstehen, was da passiert.
Ich hatte kurz vorher in irgendeinem Blog einen brillianten Ausspruch gelesen, der Fußball als die Ilias der Neuzeit bezeichnete, eine Geschichtensammlung, universal verständlich, mit Helden, die sich nicht durch Tiefe auszeichnen (wie in Romanen) sondern durch Heldenhaftigkeit. So in der Art.
Das gefiel mir, und gab mir ein intellektuelles Alibi, um mich mit Fußball zu beschäftigen.
Und, ja, es hat mir gefallen. Es war super. Und ich habe tatsächlich besser verstanden, was da passiert. Emotionen passieren, und sie sind okay. Es gibt wenig Situationen, in denen Männer so weinen dürfen wie nach dem Spiel gegen Italien, aber auch weniger offensichtlich war in diesem Sommer alles erlaubt. Jubel auf offener Straße, mit fremden Menschen singen, Weinen, Lachen, der ganze Scheiß eben. Das hat mir schon gefallen. Schön war’s.
Gerade war ich in Sönke Wortmanns Film zur WM (“Deutschland, ein Sommermärchen”), und muss leider sagen: Keine großen Überraschungen, filmisch wenig anspruchsvoll. Meine Hauptkritik an Photographie war immer die große Rolle des Motivs. Jeder Depp kann photographieren, wie ein schwarzes und ein weißes Baby kuscheln, das wird immer was. Oder eine monumentale Eiche vor einem tollen Himmel. Aber schön ist dann die Eiche, ist der Himmel, und das ist keine Kunst.
Der Film ist auch so. Das Motiv, also die WM, ist nochmal schön zu sehen (und wie unglaublich witzig, ich meine wirklich humorvoll witzig, der Bastian Schweinsteiger ist…), die Emotionen kommen auch wieder, aber als Film ist das Ding verzichtbar.
Vielleicht gehört auch das zum Zauber der WM: Vorbei ist eben vorbei, nach dem Spiel ist vor dem Spiel, und der Film ist eben nach dem Spiel über das vergangene Spiel und somit nicht mehr nah genug dran an dem roten Faden der Ilias.