Ich hab letztens überlegt, dass ich total gerne mal was zu Pornotube schreiben würde. Hatte ein wenig Skrupel, kein Mensch bei Sinnen schreibt zu Pornoangeboten, die er kennt. Aber dann hab ich gedacht “Scheiß drauf”. Wie ihr sehen werdet ist diese Entscheidung auf einer Metaebene von einer gewissen Portion Komik durchtränkt, ein regelrecht feiner Hauch Humor lädt diesen Beitrag auf.
Aber zur Sache. “Pornotube”, der Name ist augenscheinlich eine naheliegende Hommage an YouTube. Naheliegend deshalb, weil es da auch selbstgedrehte oder immerhin selbst abgefilmte oder immerhin selbst raubkopierte Filmchen gibt.
Das ist von allen erdenklichen Seiten irgendwie erstaunlich:
Der große Teil der Filme ist Amateurmaterial, da haben sich wirklich Leute (ich hoffe konsensuell) beim Sex gefilmt. Die Leute also, die da so rumsurfen (ich auch, ich geb es zu), schauen sich folglich fürchterlich billige Sachen an. Also, wirklich nicht nur schmutzig-billig, sondern auch noch schlecht gemacht, langweilig, dillettantisch und verwackelt. 5 Minuten draufhalten, wie irgendeine Frau irgendeinem Mann irgendeinen bläst. Wenn ich überlege, dass ich in meiner Jugend lange aufbleiben musste, um auf Sat1 und Vox die schmutzigen Filmchen zu sehen… welch ein Fortschritt! Dennoch ist es interessant, mit wie wenig sich die Leute zufrieden geben (nur gemessen an der Latenz des Pornotube-Servers). Hey, der Pornomarkt ist nun wirklich keiner, auf dem keine Konkurrenz herrscht. Die Triebe der Menschheit sind hart umkämpfte Ware.
Als Geschäftsmodell übrigens ist Pornotube mal wieder schlau. Ich weiß gar nicht genau, wie YouTube funktioniert, vermute aber Werbung als Haupteinnahmequelle. Das, schätze ich, ist bei PornoTube etwas schwierig, denn auf Pornoseiten kann man nur für eine Sache seriös Werbung machen: Mehr Pornos. Auf einer Gratispornoseite aber für sein Bezahlpornoangebot zu werben, machen vermutlich nicht so viele. Deswegen gibt es Premiumaccounts, die habe ich nicht komplett verstanden, aber irgendwie kriegen die nen Link zu dem Video, oder ne Download-Quelle, was weiß ich. Genutzt wird dabei die 1%-Regel: 1% aller User sind bereit, für eine verbesserte Form des Angebots Geld auszugeben. So funktionieren viele Webmail-Anbieter, so funktioniert Skype, so funktioniert ne ganze Menge Krims im Netz. Aber zurück zu erstaunlicheren Dingen.
Noch erstaunlicher nämlich als die Seite der Konsumenten ist die der Produzenten. Da filmen Leute sich beim Sex. Ich glaube mich erinnern zu können, dass das mal unter die Privatsphäre fiel. Ich meine, klar, die Leute veröffentlichen was weiß ich nicht bei MySpace, StudiVZ oder Zeit Campus, aber hey, Datenkraken und Werbekunden hin oder her, bis mein Arsch im Netz zu sehen ist müsste aber einiges passieren, das ist nochmal was Anderes als Hobbies und Interessen. Und wenn ich Arsch sage, meine ich Penis.
Was geht da vor? Was treibt die Leute, da Content reinzustellen? Es ist erstaunlich. So gern ich mir gelegentlich einen guten Blowjob anschaue (heute ist Outing-Tag!), so wenig würde ich mich dabei filmen lassen. Obwohl, vielleicht wär das gar nicht schlimm, die Identifikationsmöglichkeiten sind ja nur sehr begrenzt, für die aktive Person ist das ja brenzliger.
Aber ich gehe eigentlich nicht davon aus, dass das alles Videos von Leuten sind, die das da nicht freiwillig reinstellen wollten. Wäre zwar denkbar, sich beim Sex zu filmen ist ja keine neue Idee, und wenn das dann einmal in die Hände der bösen Nachbars-Scriptkiddies gerät, dann Hallo Pornotube!
Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Eher glaube ich, dass die heute mögliche riesige Medienpräsenz jedes Einzelnen (“In 15 minutes, everybody will be famous!” – Andy Warhol. In dem Beitrag habe ich übrigens Nacktheit noch metaphorisch für den Trend zu mehr Enthüllung benutzt, aber Analogschlüsse sind jetzt unnötig geworden) den nötigen Einsatz erhöht, mit dem man in die Medien kommt. Für die Talkshows der Achtziger reichte es noch, seinen Mann zu betrügen, oder Alligatoren zu züchten. Heute muss es schon etwas mehr sein. Selbst wenn noch Betrüger und Züchter zu sehen sind, so wie die will man nicht sein.
Man will “Jackass” sein, krasser als die anderen krassen Leute, bekloppter als die anderen Bekloppten. Und offensichtlich jetzt auch nackter als die anderen Nackten, entblößter als die anderen Entblößten auf MySpace, im BB-Container, in Blogs (hier, geneigte Leserschaft, gibt es jetzt den hintergründigen Spaß zu erfühlen). Viel entblößter will man sein. Erstaunlich.
Ich bin froh, dass ich auch kontrazyklische Signale wahrnehme. Als ein Beispiel sei Ask A Ninja erwähnt. Ein Mann in schwarzem Anzug ist witzig. Er legt keinen Seelenstriptease hin, auch keinen tatsächlichen, er macht sich nicht zum Hampelmann, er macht einfach eine witzige Sache.