25.11.2006 19:29
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Allgemein

Ich betone ja oft und gern, dass es keine Beziehungen gibt.
Es gibt nur zwei Menschen und ihre Gefühle füreinander, und selbst das ist schon weit aus dem Fenster gelehnt, denn die Gefühle von anderen sind mir in keinster Weise zugänglich (das Problem nennt man Qualia).

Das ist eine sehr dekonstruktionistische Position, aber fairerweise gehört da auch ein bisschen zu, dass Sprache Welt ausmacht, und von daher gibt es natürlich durchaus Beziehungen, und zwar sind das halt die Dinger, die man so nennt. Wir hätten also die eigentliche Sache, von der ich sage, dass es sie nicht gibt, und das Wort, das jedem klar ist.

So. Jetzt mal ein kleiner semiotischer Exkurs…
Dieses Verhältnis von Bezeichnetem und Bezeichnendem nennt man in der Linguistik “Zeichen“, und “Beziehung” ist nicht das einzige Zeichen, wo das Bezeichnete nicht so leicht zu finden ist. Auch die weltliche Entsprechung von Worten wie “Weltfrieden”, “Glück” oder “Würde” ist nicht ganz leicht zu finden.

Insofern könnte man solche Wörter durchaus als “hohle Zeichen” bezeichnen (das kann man nirgendwo nachlesen, das finde ich, obwohl es sicherlich jemanden gibt, der sowas Ähnliches sagt – weiß jemand meiner LinguistikfreundE weiter?).

“Beziehung” ist also ein hohles Zeichen, und damit hat sich der Exkurs. Das musste ich gerade einführen, Verzeihung. Hohles Zeichen also. Das, was es bezeichnet, ist nicht komplett klar. Das fiel mir letztens nochmal besonders auf, weil eine Freundin von mir Beziehungen fürchtet. Sie mag Nähe, aber sie mag auch Freiheit, und offenbar hat das Wort “Beziehung” für sie eine Konnotation, dass das nicht geht. Damit steht sie nicht alleine, ich habe da ein ganz ähnliches Bedeutungsproblem, und auch im Film “Breakfast At Tiffany’s” hat Holly Golightly (gespielt von Audrey Hepburn; was für eine Figurenbezeichnung übrigens, wunderbar!) ein ähnliches Problem, das im Taxigespräch mit Paul Varjak deutlich wird, der sie nämlich gern hat.

Paul Varjak: Holly, i’m in love with you.
Holly Golightly: So what?
Paul: So what? So plenty! I love you. You belong to me.
Holly: No. People don’t belong to people.
Paul: Of course they do.
Holly: Nobody’s going to put me in a cage.
Paul: I don’t want to put you in a cage, I want to love you!

Holly: It’s the same thing!

Das hat mir zu Denken gegeben. Hier ist der schöne Zwiespalt zwischen Freiheit und Nähe noch einmal umgekrempelt dargestellt, als Zwiespalt zwischen Gefangenschaft und Einsamkeit. Heiei, was steckt da nur viel drin.

Tja. Was sagt uns das jetzt? Ich ziehe aus all dem (verzeiht den weitschweifigen Beitrag), dass ich nach wie vor für frische, offene Beziehungsbegriffe bin. Das soll mal jedeR so formulieren, wie es das gerne hätte, dann muss man ja auch weniger Angst davor haben (Im Übrigen gibt es auch genug Leute, die einen hohlen Beziehungsbegriff nicht fürchten, sondern ihm hinterherlaufen. Damit wird man meiner Meinung nach auch nicht glücklich. Das sind die Leute, die einfach eine Beziehung wollen und hoffen, dadurch würde sich ihr Leben verbessern).

Zum Anderen bietet Paul Varjak im Verlauf des Gesprächs noch eine schöne pragmatische Synthese der ganzen Zwiespalte an:

You know what’s wrong with you, Miss whoever-you-are?
You’re chicken. You got no guts. You’re afraid to say, “Okay, life’s a fact.”
People do fall in love! People do belong to each other, because that’s the only chance anybody’s got for real happiness! You call yourself a free spirit, a wild thing. You’re terrified somebody’s going to stick you in a cage. Well, baby, you’re already in that cage. You built it yourself. And it’s not bounded by tulip, texas, or somaliland. It’s wherever you go. Because no matter where you run, you just end up running into yourself.
Paul Varjak in “Breakfast At Tiffany’s

Autsch. Aber Recht hat er wohl. Zuallererst gehört das hohle Zeichen “Beziehung” nämlich mit sich selber gefüllt. Nur dann geht die Gleichung auf, nur so kommt ausreichend Inhalt rein.

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