Eventuell werde ich bald zusammen mit einer Kollegin ein Seminar geben, das ist super. Dabei sind wir aller Wahrscheinlichkeit nach auf Gelder der Frauenseminarsgruppe angewiesen, das ist nicht ganz so super, ich bin nämlich keine Frau.
Anlässlich dieser Umstände denke ich nochmal verschärft über Frauenseminare nach.
Frauenseminare sind feministisch. Sie fördern Frauen, um strukturelle Ungleichheiten zu verringern. Letztens schrieb ich schon davon, dass das auf einer individuellen Ebene seltsam ist, weil dann halt doch einfach Einzelpersonen ausgeschlossen werden.
Gerade las ich in der Zeit von Jungenförderung. Sofort könnte man schreien “Was, Jungenförderung? Die sind doch eh schon privilegiert!”. Aber, wie ich immer sage, Sexismus trifft immer beide Seiten, auch Jungs sind in Rollen gefangen. Jungenförderung bedeutete dort, wo ich es las: Aufklärung über Verhütung und die Fähigkeit zu konstruktiver Konfliktlösung.
Genau an solche Beispiele denke ich immer, ohne sie dann parat zu haben, wenn ich Frauenförderung einseitig finde. Sexismus muss weg, ja. Aber wenn man versucht, Ungleichheit wegzukriegen, indem man Männer links liegen lässt und Frauen fördert, kommt man nicht weiter.
Der Postfeminismus legt zugrunde, was ich ganz am Anfang meines Studiums über Geschlechtsunterschiede gelernt habe. In den meisten Fällen ist die Varianz innerhalb der Geschlechter größer als die zwischen den Geschlechtern. Zu deutsch: Der Durchschnittsmann unterscheidet sich in viel geringerem Maße von der Durchschnittsfrau, als irgendein Mensch von irgendeinem anderen Mensch gleichen Geschlechts. Individuelle Unterschiede sind größer als Gruppenunterschiede.
Damit, so der Postfeminismus, ist Geschlecht kein besonders gutes Kriterium, um irgendwas zu entscheiden. Die Einteilung ist einfach nicht besonders hilfreich.
Und dann geht es eben nicht mehr um “Männer sind privilegiert, wir müssen Frauen fördern”, sondern um “Wir haben hier ein schlechtes Miteinander und ganz miese Rollenvorstellungen auf allen Seiten, wir sollten da mal überall versuchen, die Rollen aufzuweichen und auszuweiten”.
Zum Beispiel, indem Jungen lernen, sanft zu streiten. Aber auch, indem Jungen lernen, dass es okay ist, nicht (oder halt eben doch) über Gefühle reden zu wollen. Kann ja jeder machen wie er will.
Oder (und interessanterweise ist das genau ein Effekt der bisherigen Emanzipationserfolge der Frauen) indem Frauen lernen, tough zu streiten, sich anzuschreien und nachher trotzdem zusammen weiterarbeiten zu können. Auch das ist eine hilfreiche Fähigkeit. Immer geht es nur um Defizite. Ich seh überall Ressourcen.
Deswegen finde ich Frauenseminare nicht so toll. Sie sind eher feministisch als dass sie postfeminstisch (und damit automatisch antisexistisch) wären, sie bekämpfen Ungleichheit mit erneuter Ungleichheit, und etablieren weiter die alten, defizitorientierten Rollen: Frauen brauchen Schutzräume, weil sie sich unter Männern nicht behaupten können, und Männer sind Täter an guter Kommunikation, weil sie Frauen unterbuttern.
Oder: Frauen kommunizieren besser als Männer, und Männer würden nur stören. Lernen sollen sie es aber auch nicht.
Übrigens: Die gleiche Forschung, die belegt, dass geschlechtsgetrennter Unterricht für Mädchen auf Dauer was bringt, zeigt auch, dass Jungs eher von gemischgeschlechtlichem Unterricht profitieren.
Das mal zu dem Argument “Die Männer könnten ja Männerseminare machen”. Das wollen die Männer aber nicht. Die Männer haben das Gefühl, dass es zusammen irgendwie gut ist, vielleicht, dass sie da was lernen können.
Würde man sie doch nur lassen.