15.06.2007 11:29
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Allgemein

So, mal wieder muss ich einen bösen Brief an “den Staat” schreiben. Heute: Frau Rogall-Grothe. Diese Frau arbeitet im Bundesinnenministerium und ist, angeblich, für das Verfassungsrecht zuständig.

Sehr geehrte Frau Rogall Grothe,

über die Website Heise.de erreicht mich folgende Darstellung Ihrer Meinung zur Freiheitsgefährdung durch Überwachung:

Die für das Verfassungsrecht zuständige Vertreterin des Bundesinnenministeriums, Cornelia Rogall-Grothe, fand diese Diskussion “einseitig und sehr Datenschutz-geprägt”. Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit sei “nicht so dramatisch”, wie es die Referenten dargestellt hätten. “Ich habe eher den Eindruck, dass der Bürger seine Freiheit nicht gefährdet sieht”. Man solle “die Diskussion nicht so führen, als würde jeder Bürger mit Online-Durchsuchungen überzogen”
Quelle: Heise.de

Ich möchte Sie hiermit höflich darüber informieren, dass ich (und ich bin zufällig Bürger) meine Freiheit durchaus gefährdet sehe.
Im Rahmen der Untersuchungen nach dem 11. September war ich schon Teil einer Rasterfahndung. Dem biometrischen Pass konnte ich durch die rechtzeitige Beantragung eines neuen Passes vor dem Datum der Umstellung noch entgehen. Den Mainzer Hauptbahnhof mit seiner hochgerüsteten Videoüberwachung betrete ich nicht mehr. Ebenso wenig, aber das nur am Rande, würde ich Großbritannien besuchen, aber das berührt weniger als Mainz den Artikel 11 GG (Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet). Ich bin schockiert über die Anwesenheit der Bundeswehr bei den Demonstrationen in Heiligendamm, und noch schockierter über die Palette an Urteilen des BVG, die wieder und wieder vereiteln (und somit als verfassungswidrig einstufen), was an sicherheitspolitischen Maßnahmen durchgedrückt werden soll.

Und der Punkt, liebe Frau Rogall Grothe, ist nicht, ob man mit Online-Durchsuchungen überzogen wird, der Punkt ist, dass es möglich ist, Opfer einer Onlineuntersuchung zu werden (und somit eines Präventiveingriffs in die verfassungsmäßig garantierte Privatsphäre (Art. 2, 10 und 13 GG)). Diese Möglichkeit, nicht die Maßnahme (oder ein “Überziehen” mit dieser Maßnahme) ist es, die meine Freiheit gefährdet – weil Überwachung auf das Verhalten wirkt. Ich werde Ihnen dieses Argument nicht ausbuchstabieren, denn ich bin sicher, Sie kennen es.

Ich weiß, ich werde Ihren Standpunkt nicht verändern können, aber ich verlange eines: Sprechen Sie nicht über die Sichtweise der Bürger, wenn Sie keine Ahnung davon haben. Das ist insbesondere deshalb peinlich, weil Sie für das Verfassungsrecht zuständig sind. Die Verfassung regelt das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Da Sie den Staat vertreten, aber für die Verfassung zuständig sind, sollten Sie umso mehr und umso genauer wissen, was die Bürger denken und befürchten. Sie sind Volksvertreterin und haben (vermute ich) auf die Verfassung geschworen. Handeln Sie bitte danach, oder, wenn Sie es nicht tun, geben Sie wenigstens nicht vor, es zu tun.

Ärgerliche Grüße,

J.

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