Monatsarchive: März 2006

05.03.2006 16:47
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Wie allseits (zumindest allseits hier) bekannt, bezeichne ich mich als poly. Die Ankunft bei diesem Begriff hat mir gutgetan, hat mich gefestigt in dem, was ich bin, hat mir aufgezeigt, was ich will und war alles in allem ganz schön wichtig für mein 2005.

Der Begriff Polyamory hat eine Weile auch dieses Blog hier definiert, in letzter Zeit bin ich aber eher wieder zu “freies Lieben” zurückgekehrt und betrachte Polyamory als Hyponym, weil sich für mich die Möglichkeit der Liebe für mehr als eine Person aus der von mir gern beschworenen Freiheit ergibt, aus der Freiheit zu entscheiden, zu lieben, zu sein.

Dennoch blieb das Thema interessant für mich, denn ich kann mir mittlerweile nur noch schwer vorstellen, in einer exklusiven Paarbeziehung in irgendeiner Form zufrieden zu sein, und dieses thematische Interesse führte dazu, dass ich auch erwog meine Diplomarbeit in irgendeiner Form in dem Bereich zu schreiben.

Während der Suche nach einem Betreuer musste ich logischerweise von dem Thema berichten, und selbstverständlich tauchte hier und da die Frage auf, warum mich das denn interessiere. Und neben der Tatsache, dass es ein Thema ist, das bislang wenig beforscht ist, und man somit die Chance hat, tatsächlich etwas Neues herauszufinden, interessiert mich das Thema natürlich auch aus persönlichen Gründen, was ich auch sagte. Ich dachte, das müsste wohl reichen an Information.

Es war sogar schon zuviel.

Die Öffentlichkeit an der Uni unterscheidet sich, wie ich merken musste, ganz gehörig von der Öffentlichkeit in meinem privaten Umfeld, und so habe ich zum ersten Mal bezüglich dieses Themas erlebt, was ich in der Tat als Anfeindung bezeichnen würde.
Klar, ich habe vorher schon Unverständnis erlebt, und Freunde haben in dem Zusammenhang auch stürmisch reagiert (“Reicht dir eine nicht?”), aber das habe ich immer mehr als Überforderung verstanden.
Aus der Arbeitseinheit, in der ich Betreuung suchte, kamen aber sehr kühle, überhaupt nicht überforderte, sondern gleichgültige aber dadurch nicht minder harsche Worte.
Dass ich doch wohl in jedem Fall die Paarbeziehung als Norm anerkennen müsste, das wäre ja nunmal einfach so.
Hat man , frug ich zurück, das nicht bei Homosexuellenforschung auch so ähnlich gesagt, dass Mann/ Frau nunmal einfach so wäre?
Unfug, das ist was Anderes, Homosexualität ist ja genetisch, das findet man ja sogar im Tierreich. Und überhaupt, kann es sein, dass du dir eine Rechtfertigung herbeiforschen willst, um so zu sein? Kann es sein, dass du da irgendwie bei dir selber was klar kriegen willst?

Autsch! We call that the Gürtellinie, I suppose.

Dieses Ereignis hat mir nochmal in aller Deutlichkeit zwei eng verknüpfte Sachen gezeigt.

  1. fühle ich mich deutlich solidarischer mit Schwulen, Lesben, Transgendermenschen und was weiß ich noch. Sexuelle Minderheit sein ist kein Spaß. Meinen Respekt für die vor 20, 30 Jahren noch ungemein schwierigere Situation. Wow.
  2. bin ich tatsächlich Teil einer Minderheit… das wurde mir gar nicht so recht bewusst, denn um mich rum sind Menschen, die offen und liberal denken, mich schätzen und so nehmen, wie ich bin. Aber in der echten Welt läuft die Mehrheit rum und zeigt mit dem Finger auf mich.

Der besagte Mensch hat sich mittlerweile per e-mail für die normativen Anteile in seinem Geseiere entschuldigt. Das finde ich gut. Ich überlege noch, wie ich da jetzt reagiere, denn irgendwie passt es mir nicht, jetzt ganz artig einen auf “Oh, wie nett dass du mich akzeptierst, das ist aber toll” zu machen. Für Grundrechte muss man nicht dankbar sein.

04.03.2006 21:35
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Die Prinzipien und ich mochten uns schon immer, wir machen sehr viel zusammen. Mein Primary ist und bleibt zwar das Alleinsein, aber in meiner Freizeit hänge ich oft mit den Prinzipien rum.

Ich mag, wie sie immer adrett gekleidet sind, und stets darauf achten, sich richtig zu verhalten. Sie sind beinahe höfisch. Manchmal werden wir belächelt, weil wir halt nicht in die großen Kinos gehen, oder, zugegeben, oft große Reden schwingen.
Aber ich hab mich immer wohl gefühlt.

Einige meiner Prinzipien sind mittlerweile ziemlich solide eingerichtet, die sind zuhause ausgezogen, haben sich selbständig gemacht und ne hübsche Wohnung gekauft, mit ausreichend Platz, dass man sich nirgends stößt.
Der Vegetarismus ist so ein Prinzip. Wir kennen uns jetzt (wie ich letztens mit Verwundern über mein resultierendes Alter feststellen durfte) seit fast 11 Jahren und verstehen uns nach wie vor völlig ohne Worte, und wir argumentieren mittlerweile auch sehr gelassen, wenn mal jemand nicht unserer Meinung ist.

Vor einiger Zeit zum Beispiel hatte ich eine sehr anstrengende Diskussion, in der eine der Diskutandinnen (heißt das so?), die übrigens keine Vegetarierin war, die Meinung vertrat, man möge Vegetarismus doch bitte staatlich vorschreiben, es wäre doch offensichtlich, dass es falsch wäre, Tiere zu töten, um sie zu verspeisen.
Ich musste ihr zustimmen (mein Prinzip war mit), dass es in der Tat falsch ist, Tiere zu töten, das finde ich auch, aus diversen Gründen.
Erstens kann ich mir nicht einreden, sie hätten keine Seele. Nichts spricht dafür, dass es so wäre, und da so vieles ähnlich ist (warm, laut, Planet Erde) sehe ich keinen Grund anzunehmen, dass nun grad der Seelenbesitz uns trennt.
Zweitens, und das ist schlichte Verursacherethik, da ich es selber nie über’s Herz bringen würde, den “Hier und Jetzt Artgerecht Töten”-Knopf zu betätigen, also selbst dann nicht, wenn ich wüsste, dass die Biester ein feines Leben geführt hätten und nun einen sanften Tod erführen, aus diesem Grund finde ich es arg feige, das irgendwen anders machen zu lassen.
Recht und Ethik sind Dinge, die kann man nur selber haben, die sind nicht delegierbar. Wenn ich Mord falsch finde, darf ich niemanden bezahlen, dass er’s tut. Wenn ich Tiertötung falsch finde, verhält sich das für mich ähnlich.

Dennoch sah ich mich in dieser Diskussion den interessanten Standpunkt vertreten, eine solche verordnete Richtigkeit wäre undemokratisch und somit abzulehnen. Offensichtlich ist mir die Freiheit des Gedankens und die Bestimmungsmacht der Mehrheit (natürlich bei gleichzeitigem Schutz der Minderheiten) noch wichtiger als mein eigener Vegetarismus.
Und in der Tat, wenn ich mich entscheiden müsste, welches der anwesenden Prinzipien sofort einen sanften Tod erführe, die Meinungsfreiheit oder der Vegetarismus, es wäre mir zwar schwer, aber ich würde den Vegetarismus dran glauben lassen.

Nichtsdestotrotz, denn zum Glück muss ich mich nicht entscheiden, hat mich der Artikel in der Zeit über die ethischen Aspekte unseres Umgangs mit der Vogelgrippe nochmal nachdenklich gestimmt.
Vorsorgliche Massentötungen. Wesen mit Seelen werden unserem Sicherheitsempfinden geopfert. Tja. Ist das anders, als Seelen unserem Hunger zu opfern, wie es halt in der fleischverarbeitenden Industrie tattäglich geschieht?

Und dann kam ich nochmal drauf, dass es tatsächlich nicht so anders ist. Klar, Hunger ist ein basaleres Bedürfnis als Sicherheit, aber es werden Lebewesen Bedürfnissen geopfert, die anders besser bedient würden. Durch Gemüse essen. Durch Prophylaxe und Geflügelimpfungen sowie andere Haltungsarten. Durch Modernisierung einer Gesellschaft eben.

Ich werde jetzt nicht die ganzen, alten Argumente rausholen, die mit Respekt und Gleichheit und Verantwortung, die mit Ethik und was weiß ich nicht. Auch nicht die mit Haltungsbedingungen und Welthunger, obwohl sie ganz gut sind.

Aber ich möchte gerade nochmal deutlicher meine Recht zur freien Meinungsäußerung nutzen, um zu sagen:

Tiere zu essen ist eine barbarische und im Grunde verachtenswerte, weil hier und heute unnötige Praxis, die sich nur als Relikt einer vergangenen Zeit, als unreflektierter Luxus und Hedonismus, schiere Gedankenlosigkeit oder Grausamkeit verstehen lässt.

Keiner dieser Gründe rechtfertigt den Tod eines Lebewesens, das, gleich uns, eine Seele besitzt.
Hört mal auf, bitte. Oder nehmt euch zumindest mal die Zeit, die Nachrichtenbilder wirklich anzuschauen, und danach ein Hähnchen zu essen. Da passt doch was nicht.