Monatsarchive: August 2005

13.08.2005 13:13
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Freedom’s just another word for nothing left to lose.
Janis Joplin

Dieses Zitat ist keines, was meine Gedanken gut widerspiegelt, sondern was mich immer wieder wundern macht (fieser Anglizismus, Entschuldigung).

Einerseits klingt es irgendwie bitter, klingt nach “Dass, was du Freiheit nennst, ist im Grunde nur der Mangel an irgendetwas, an das zu binden sich lohnen würde”.
Andererseits klingt es sehr wahr, kann verstanden werden als “Besitz macht unfrei”, ganz schlicht, oder als “Freiheit heißt, nichts verlieren können, weil man ohnehin nichts hat”.
Besonders letztere Definition gefällt mir. Meine Freunde sind nicht meine Freunde, die Welt ist nicht meine Welt, selbst meine Identität ist weniger stabil, als ich das gerne hätte. Und wenn ich eigentlich nichts, aber auch gar nichts, mein eigen nennen kann, dann kann ich ja auch nichts verlieren.

Das Lied, in dem Janis Joplin das singt, heißt Me Bobby McGee, und geht über Bobby, der Janis wohl verlassen hat.

Freedom is just another word for nothing left to lose,
Nothing, that’s all that bobby left me, yeah,

Klingt in der Tat eher bitter. Andererseits heißt es dort auch:

Nothing don’t mean nothing honey if it ain’t free.

Ich interpretiere die doppelte Verneinung als verstärkend, sodass diese kryptische Zeile wohl heißen soll: Nichts bedeutet irgendetwas, wenn es nicht frei ist.

Und so ist der Text von Janis Joplin ähnlich voller Widersprüche, wie das Thema Lieben nunmal ist. Frei fühlt man sich dann, wenn man verlassen ist. Aber wenn man sich nicht frei fühlt, fühlt man sich sich selbst nicht mehr nah. Und so weiter.
Ich habe mir ein Buch bestellt, in dem alternative Liebensformen diskutiert werden oder so (offenkundig geht’s da auch viel um Sex), auf Anregung von der Ideenjongleurin. Man darf gespannt sein.

08.08.2005 15:18
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Everything you own ends up owning you.
Tyler Durden in Fight Club

Fight Club kann man ja fast als bekannt vorraussetzen. Und sollte er nicht bekannt sein, werde ich dennoch nichts schreiben, weil er so ungeahnt verläuft, dass ihn zu spoilen völlig unverantwortlich wäre.

Apropos unverantwortlich: Fight Club wurde von Fox produziert, einem ziemlichen major Ding, sodass man sich durchaus wundern kann, was die mit einem solch sperrigen Film gemacht haben.
Der Verantwortliche bei Fox namens Bill Mechanic wusste das, aber er glaubte an den Film; nicht unbedingt, dass er Geld einbringen würde (er hat angeblich 26 Millionen Dollar Miese gemacht, Werbekosten noch nicht eingerechnet), aber dass es ein guter Film werden würde.
Deswegen hat Bill Mechanic dem Chef von Fox Rupert Murdoc, nichts davon erzählt (er hatte wohl viel Entscheidungsgewalt intus), bis es zu spät war, um den Film noch zu stoppen.

Bill Mechanic arbeitet jetzt nicht mehr bei Fox, sondern hat sich nach dem Rausschmiss selbständig gemacht.

Aber zurück zum Zitat. Tyler Durden (gespielt von Brad Pitt) sagt das zum Protagonisten (Edward Norton), und ich glaube, bin aber nicht sicher, er sagt es, als die Bude des Protagonisten abbrennt.

Für mich hat es, natürlich, was mit Lieben zu tun. Wie ich im Intro schreibe, sollte Lieben kein Besitzen sein.
Manchmal reagiere ich sogar schon allergisch auf “mein Freund”, aber das ist übertrieben, das weiß ich auch.
Aber häufig läuft so Besitzscheiße, die ich schrecklich finde, schon zum Zuschauen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich es besser finde, wenn es mir widerfährt.
Ganz schlimm zum Beispiel finde ich es, wenn ich mich mit dem einen Partner kebbel, wir uns ein bisschen anfoppen, alles fein und spaßig ist, und der andere Partner dann meint, verteidigend eingreifen zu müssen, häufig auch auf einer härteren Ebene, ebenfalls häufig so, dass ich rausgeschmissen werde aus der Situation (Perfektes Beispiel: “Soll ich ihm die Eier abreißen?” Hab ich schon gehört. War als Spaß gemeint, aber ich finde es durchaus ziemlich hart).
Etwas verständlicher, aber ebenso nervig, ist es, wenn ich schäkere, ein bisschen flirte, aber wirklich auf deutlich nett gemeinte Art, und in Anwesenheit des Freunds, und er dann meint, nen Spruch raushauen zu müssen, um mich in meine Schranken zu verweisen. Ebenso wie bei Kebbeleien richten sich die Sprüche gern an die Angebetete.

Einmal geht es also ums Besitzen von Menschen. “Nein, wir haben heute keine Zeit” gehört auch dazu. Als wenn die Entscheidung für einen Menschen nur ginge, wenn man dafür Entscheidungsmacht abgibt.

Globaler geht es um das Besitzen der Liebe. “Ich habe meine große Liebe gefunden” meint primär den Partner, aber offenkundig ist das Gefühl in einem selber, und man ist (völlig zu Recht) froh über dieses Gefühl, und will es gern behalten.
Dazu gehört auch die Vorstellung, dass man die Liebe, die man spürt, von einem anderen Menschen bekommt, sie also nicht wirklich Teil von einem ist, sondern irgendwie implantiert, und dass man hart arbeiten muss, um sie zu behalten. Abhängigkeit und so.

Im Deutschen gibt es eine schöne Passivform, die meine Schwierigkeit mit dieser Denke verdeutlicht.
Alles was du besitzt, besitzt irgendwann dich.
Dann bist du besessen.

Im Übrigen habe ich leider keine Ahnung, wie man sich von diesem Besitzdenken frei macht. Vielleicht ist jener Umkehrschluss, den Tyler Durden uns erklärt, ja schon hilfreich. Wenn du etwas an dich bindest, jemandem Freiheit nimmst, gibst du auch deine eigene Freiheit.
Die meisten Leute, mit denen ich über freies Lieben spreche, können sich sehr gut vorstellen, für sich selber die Freiheit in Anspruch zu nehmen, finden es aber schwierig, sie jemandem zuzugestehen.
Sich da klarzumachen, dass all das, was man in die Welt hineingibt, aus der Welt zurückkommt, dass also, wenn ich jemandem seine Freiheit lasse, er sie mir auch lassen wird, oder eben in der Negativform des Zitats, ist eventuell ein guter erster Schritt.

05.08.2005 12:11
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Ich hab mir im Urlaub überlegt, dass ich mal die Zitate erläutern könnte, die ich da unten links so einblende.
Immerhin erschließt sich nicht bei allen der Bezug zum Lieben, manche widersprechen sich in gewisser Weise. Also los.

“What’s in the box?”
“Pain”
Frank Herbert, Dune

Den Film Dune kennen viele. Dahinter stecken 6 Bücher, eigentlich 7, wenn der Autor nicht zu früh gestorben wäre, und sie sind brillant. Wirklich unglaublich. Die Hexalogie erstreckt sich über mehrere 1000 Jahre, was ich allein schon cool finde, und das sogenannte Duniverse ist lebendig, kompliziert, politisch und… denkbar. Genau. Alles macht Sinn.

Ich stehe nur bedingt auf Science-Fiction. Gut, ich mag das meiste irgendwie, habe Spaß an Raumschiffballereien und verrückten Ideen, aber nie hat mich etwas so sehr in den Bann gezogen wie Dune von Frank Herbert.

Das besagte Zitat stammt aus dem ersten Buch, in dem Paul Atreides, Sohn des Duke Leto II Atreides, mit der Reverend Mother Gaius Helen Mohiam spricht.
Die Reverend Mother gehört der Bene Gesserit Schwesternschaft an, die ein Zuchtprogramm haben, um die Menschheit nach ihrem Willen zu formen. Sie behaupten, dieses Formen sei essentiell, um den Genpool zu retten, aber es wird nie wirklich klar, ob sie nicht einfach nur machthungrig sind.
Diese Schwesternschaft hat bereits große Macht. Beispielsweise können die “voll entwickelten” Reverend Mothers jeden Muskel ihres Körpers willentlich steuern, können andere durch “Voice”, einer bestimmten Stimmlage, die etwas im Cerebellum anspricht und den Cortex umgeht, manipulieren und auf die Erinnerungen ihrer weiblichen Vorfahren zurückgreifen. Allerdings nur die weiblichen.

Für ihr Zuchtprogramm, und für die Schwesternschaft, züchten sie den Kwisatz Haderach (seit etlichen Jahrhunderten). Dieser kann sowohl die weiblichen wie auch die männlichen Erinnerungen nutzen.

Paul Atreides ist wahrscheinlich dieser Kwisatz Haderach, und um seine Menschlichkeit zu testen, sucht die Reverend Mother ihn auf, und zwingt ihn dazu, seine Hand in eine unscheinbare schwarze Kiste zu legen.

“What’s in the box?”
“Pain”

Wenn Paul die Hand drin lässt, besteht er den Test. Andernfalls stirbt er.
Das Leid ertragen zu können, mit dem Geist, der weiß, dass es nur Schmerz, kein Schaden ist, über den Körper zu triumphieren, der spürt, wie das Fleisch der Hand langsam verbrennt, das ist Menschlichkeit für die Bene Gesserit.
Leben ist leiden, heißt es übrigens bei den Buddhisten.

Mir gefällt diese Szene. Erstens ist sie unheimlich cool. Zweitens hat sie, und deswegen steht sie hier, viel mit dem zu tun, was ich übers Leben denke. “And be hurt some more” beschreibt für mich ja bekanntermaßen sehr gut, was Lieben ausmacht. Dass man sich, obwohl es schlimm sein wird, immer wieder dafür entscheidet.
Und das gilt halt nicht nur fürs Lieben, sondern für alles.
Mensch sein ist anstrengend. Das Leben läuft nie, wie man es haben will. Dem Fleisch (ich verstehe das etwas weiter, nicht nur Körper, sondern auch einfach “uns”) widerfahren Dinge, die wir nicht haben wollen, aber wir haben die Fähigkeit, sie hinzunehmen, und weiter zu machen.
Etwas anderes bleibt uns ohnehin nicht übrig. Wir können die Welt nicht ändern, wie können nur ändern, wie wir die Welt sehen. So wie Paul den Schmerz nicht ändern kann, sondern nur, wie er den Schmerz sieht.

Wenn Zeit nicht linear ist, was ich glaube, dann kann man zu jedem gegebenen Zeitpunkt ohnehin nur zurückschauen und sagen “Gut, dass alles war, wie es war. Sonst wäre ich jetzt nicht ich”.

Und diese Fähigkeit, die natürlich auch mit ein Grund ist, warum ich Therapeut werde, weil ich halt glaube, dass Menschen es schaffen, ihre Hand in die Box zu legen, und den Pain auszuhalten, den das Leben für sie bereithält, diese Fähigkeit der Menschlichkeit, diese große, schlimme Emotion, die da mitschwingt, und die alles drumherum aufwertet (ihr wisst schon, so wie die Nacht auch den Tag aufwertet), die steckt für mich in diesen Worten.

Paul fragt im Anschluss:

“And that’s all there is to it – pain?”
“I observed you in pain, lad. Pain’s merely the axis of the test. [...] Our test is crisis and observation.”

Krise und Beobachtung. Wie sehe ich die Welt, wenn es schlimm ist. Ganz genau das ist der Punkt.

05.08.2005 2:27
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Schon im Januar wollte ich etwas zu Treue und Loyalität schreiben, aber jetzt erst ist es soweit, aber dafür kommt es jetzt von überall.

Vom Lernen zum Leben zur Literatur, wenn man so will.

Lernen
Die Positive Psychotherapie ist eine Therapieform, die ihre Aufgaben nicht der Beseitigung von Krankheit, sondern der (Wieder-)Herstellung von Gesundheit widmet. Salutogenese statt Pathogenese. Da wird man, denke ich, im nächsten halben Jahr noch mehr von hören.
Die positive Psychotherapie postuliert zwei grundlegende Fähigkeiten im Menschen.

  1. Die Erkenntnisfähigkeit
  2. Die Liebesfähigkeit

Das allein ist erstmal sehr sympathisch. Schlau und lieb ist schonmal gut.
Weiterhin unterteilen sie die Erkenntnisfähigkeit in vier Bereiche, und sagen, dass Leute sich halt hinsichtlich der Ausgestaltung, der Gewichtung dieser einzelnen Domänen unterscheiden.

  1. körperlich
  2. kognitiv
  3. emotionell
  4. spirituell

Bei uns im Westen ist die kognitive Komponente bei den meisten Leuten sehr stark.

Ich dachte jedenfalls: Wieso gibt es (in diesem total oberflächlichen Übersichtstext, zugegeben) nicht dieselbe Einteilung für die Liebesfähigkeit?
Emotionelle Liebe, kognitive Liebe, spirituelle Liebe, körperliche Liebe. Letztere würde dann hier nicht Sex meinen, nicht “Liebe machen”, sondern erstmal nur physische Anziehung, Attraktivität.

Da könnte man dann, ähnlich wie bei der Liebe in Hexadezimal wunderbar ausmalen, was man denn so hat.

Leben

Ein Mädchen in meinem Umfeld, und hiermit taufe ich sie im Rahmen des Blogs auf den Namen Marveille, wäre nach obigem Schema eine heiße Kandidatin (pun intended) für die körperliche Liebe. Zumindest ist das die stärkste Ausprägung.
Wir sind auch gesellschaftlich durchaus ähnlich eingestellt, haben einen ähnlichen Humor und so, aber am faszinierendsten ist und bleibt, dass diese körperliche Anziehung, die seit dem ersten Zusammentreffen, mindestens seit dem ersten Date, vorhanden war, nie wegging.
Auch als alles ganz stressig wurde, auch wenn andere Menschen in unserem Leben größere Rollen hatten oder wir aus sonstwelchen Gründen wenig miteinander zu tun hatten: Wir waren immer scharf aufeinander.
Vor einigen Tagen, und jetzt kommen wir endlich zum Titel des Beitrags, war sie hier, berichtete, dass ihr Freund (sie fahren diese ganz Sache übrigens ziemlich exklusiv) ihr irgendwie nicht genug das Gefühl gebe, sie sei unheimlich heiß.
Ich kann ihr das geben, und zwar völlig aufrichtig, wie oben hoffentlich deutlich wurde, und tat das auch.
Ich sah sie an, sie sah mir zu, wie ich sie ansah, sie gefiel mir, sie sah mir zu, wie sie mir gefiel.

Es war knapp. Sie wäre fast da geblieben, und ein Teil von mir hätte sich sehr gefreut. Aber sie hat sich dagegen entschieden, und ein anderer Teil von mir fand das richtig. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihre Beziehung, namentlich sowohl sie wie ihren Freund, respektiere, auch, dass sie es halt exklusiv fahren, und ich zudem keinen Bock auf Geheimnistuereien hätte.
Ich könnte mir vorstellen, wieder etwas mit ihr anzufangen, aber nur, wenn alle Beteiligten davon wissen oder sonstwie klare Verhältnisse herrschen. Wenn alle loyal sind, ohne dass das notwendigerweise treu sein muss. Loyal zum Einen den anderen gegenüber, aber vor allem auch so, dass man hinter dem steht, was man macht, nicht das Gefühl hat, einen faulen Kompromiss eingegangen zu sein, sondern einfach machen, wie man es will. Die Wortherkunft “legal”, also “dem Gesetz entsprechend”, wäre hier also nach Hesse zu verstehen:

Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem “Sinn” des “Eigenen”.
Hermann Hesse

Literatur
Milan Kundera schreibt in “Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins” folgendes:

Treue und Verrat
Er [Franz] liebte sie [seine Mutter] von klein auf bis zu dem Moment, als er sie auf den Friedhof begleitete, und er liebte sie auch in der Erinnerung. So entstand in ihm das Gefühl, dass die Treue die höchste aller Tugenden sei. Die Treue gibt unserem Leben eine Einheit, ohne die es in tausend flüchtige Eindrücke zersplittert.
[...]
Er wusste jedoch nicht, dass Sabina der Verrat faszinierte, und nicht die Treue. [...]
Verrat. Von klein auf hören wir vom Vater und dem Herrn Lehrer, es sei das Abscheulichste, was man sich vorstellen könne. Aber was ist Verrat? Verrat bedeutet, aus der Reihe zu tanzen. Verrat bedeutet, aus der Reihe zu tanzen und ins Unbekannte aufzubrechen. Sabina kannte nichts Schöneres, als ins Unbekannte aufzubrechen.
Milan Kundera

Ins Unbekannte aufbrechen. Etwas Ungewöhnliches tun. Für das, woran man glaubt, was sich richtig anfühlt, würde ich sagen. Für das, dem man loyal ist.