Monatsarchive: Mai 2007

16.05.2007 11:43
0 Kommentare »
Allgemein

Im Urlaub haben ich zwei Esten kennengelernt. Also, kennengelernt ist zuviel gesagt, eigentlich habe ich Zeit mit ihnen verbracht. Um genau zu sein, haben sie Zeit mit mir verbracht, ich habe die Zeit nicht ver- sondern rumgebracht.

Wir waren nicht kompatibel.
Ich war in Italien, um allein zu sein, um vielleicht ein bisschen italienisch zu sprechen, aber nach einer halben Stunde ist mein Wortschatz ohnehin ausgegeben, oder das Suchen nach italienischen Wörtern beginnt mich anzustrengen – hauptsächlich war ich also dort, um allein zu sein, nicht viel zu sprechen, nicht viel zu tun, ein bisschen zu zeichnen vielleicht.
Die Esten dagegen wollten eigentlich in Perugia Party machen, aber ihre Schlafmöglichkeit dort war ausgefallen, da ihr Freund nicht an sein Telefon gegangen war. Ich konnte den Freund recht gut verstehen, denn ich fand die beiden Esten total hohl. Saufen, Frauen, schmutzige Witze, coole Photos, spielerische Wettkämpfe… Hohl eben. Oder auf jeden Fall nicht kompatibel zu dem, was ich so vorhatte, sie sind sicher gute Menschen, nur für mich waren sie halt nicht so gut.
Aber nun, zumindest habe ich an ihnen sehr deutlich gemerkt, dass es wirklich ganz wunderbar ist, Zeit allein für sich zu haben. Vielleicht wäre mir das ohne ihre Bekanntschaft nicht so deutlich geworden.

Jedoch, die Geschichte die ich erzählen will ist eine andere. Ich merkte nämlich, dass ich mich, obwohl ich recht genervt war von den beiden, nicht einfach abseilen konnte. Die Insel war klein, und abends hat man sich natürlich beim Essen getroffen, es gab ja nur den einen Raum in der Jugendherberge.
Einmal waren wir auf der selben Fähre, wir wollten an den gleichen Ort, die beiden konnten kein Italienisch, ich schon. Ich hatte keinen Bock mehr auf ihr Geseier, aber: Ich bin geblieben. Habe ein bisschen für sie übersetzt, habe mir ihre hohlen Scherze angehört, so eben.

Und die Frage ist: Warum? Warum bin ich nicht gegangen? Warum habe ich nicht gesagt “Listen, boys, you sure are nice guys, but I want to be alone a lot, so, don’t take it personal, but I’ll leave now. See you.” Ich kenne die beiden kaum, ich seh sie nie wieder, warum also habe ich weiter Zeit mit ihnen verbracht, obwohl ich das nicht wollte?
Darüber dachte ich dann nach, am Abend in Italien. Und ich stellte fest, dass ich an dieser Stelle Erwartungen entsprochen habe, obwohl noch keine geäußert wurden. Das fühlt sich für mich nicht so gut an, denn ich bin kein Service-Mensch, und doch habe ich es getan.
Offenkundig, so dachte ich, ist dieses Ding, dass Erwartungen wahrnimmt und erfüllt, man kann es “Höflichkeit” oder “Anstand” nennen, aber durchaus auch “Faulheit, weil Konflikte anstrengend sind”, dieses Ding jedenfalls ist immer aktiv. Sogar bei fast fremden, hohlen Esten.
Dann ist das also meins“, dachte ich, und dachte an die Service-Menschen, über die ich mich oft ärgere, und befand: “Da ärgere ich mich also eigentlich über mich“. Denn das Ding ist meins, der Erwartungssensor ist meiner, und wie ich auf sein Piepen reagiere, müsste ich mir doch eigentlich aussuchen können.

Wahrscheinlich ist es wieder nur die Frage, ob man sich das traut. Ob man sich selbst nah genug ist, um Leute vor den Kopf zu stoßen.
Und wahrscheinlich auch, ob es das wert ist. Ob zwei Stunden mit hohlen Esten wirklich schlimmer sind als die Situation, wenn man der arrogante Egoist ist und die Esten abends eh wieder trifft. Was ja dann sicher recht unangenehm geworden wäre.

15.05.2007 18:39
0 Kommentare »
Allgemein

Mit Paikja hatte ich vor einiger Zeit festgestellt, dass es verschiedene Sorten von Menschen gibt (wobei uns bewusst ist, dass diese Einteilung viel zu einfach und natürlich auch nur eine von Millionen denkbaren ist):

Egoisten und Service-Menschen.

Powergirl zum Beispiel ist ein Service-Mensch. Sie würde zu Parties gehen, auch wenn sie keine Lust hat, weil es den Gastgeber so freuen würde. Tatsächlich bereitet das ihr wiederum so viel Freude, dass sie wieder gern geht.
Ich dagegen bin, genau wie Paikja, Egoist. Wenn wir müde sind, oder einfach keine Lust haben, sagen wir ab. Wir tun das nett, erklären uns vielleicht, aber für uns wäre es ganz schrecklich, trotzdem zur Party zu gehen, und den ganzen Abend würden wir uns vorwerfen, nicht auf uns gehört zu haben.

Die Kombination von Egoisten und Service-Menschen ist denkbar schwierig. Das Verhalten der Egoisten stößt die Service-Menschen vor den Kopf, und das Verhalten der Service-Menschen belastet die Egoisten, teils weil es ihnen Verantwortung abnimmt, teils weil sie spüren, sie müssten zurück Service anbieten.
Entscheidend ist meiner Meinung nach bei dieser Unterteilung vor allem die Rolle der Erwartungen. Für Service-Menschen sind Erwartungen nichts schlimmes, sie sind nur der andere Pol dessen, was sie anbieten. Das leuchtet mir sogar ein: Wenn ich weiß, dass ich für andere Menschen viel tun würde, auch wenn ich selber vielleicht nicht 100%ig dahinter stehe, dann ändert es auch nichts, wenn sie es erwarten. Es gibt kein Mehr an Druck, wenn der Plan schon in einem selbst ist – wenn ich ohnehin weiß, dass ich immer etwas zu essen für meine Gäste vorbereite, auch wenn ich Kopfschmerzen habe, bin ich nicht verärgert, wenn die Gäste sagen “Du, wir dachten wir bekommen eine Kleinigkeit zu essen…”.

Für Egoisten dagegen sind Erwartungen die Hölle. Wir wollen selbst entscheiden, was wir für wen tun, und wenn wir es tun, soll man sich freuen, und wenn wir es nicht tun, tun wir es eben nicht. Wir sind wie das Wetter.
Diese Abscheu vor Erwartungen kann sehr weit gehen. Zum Beispiel kennen sowohl Paikja wie auch ich folgende Situation: Wir sind mit jemandem zusammen, und merken, diesen Jemand stört irgendwas. Er ist still, guckt komisch, irgendwas ist, aber er sagt nichts. Vielleicht haben wir sogar eine Ahnung, was los ist, aber er sagt nichts.
Da werden wir fuchsig. Warum zur Hölle sagt er denn nichts, wenn ihn was stört? Muss ich jetzt etwa fragen? Ist doch seins… Erwartet der etwa, dass ich jetzt frage?

Schon das tut uns Gewalt an, schon das fühlt sich an wie Verbiegen, sich selbst nicht mehr nah sein.
Wahnsinn, oder? Ganz schön empfindlich.

15.05.2007 11:19
0 Kommentare »
Allgemein

Gestern war ich mit einer mir sehr lieben Freundin im Kino. Diese Freundin und mich einen verschiedene Vorstellungen und Vorlieben, so zum Beispiel ein Hang zu körperlichen Botschaften, will sagen Zärtlichkeit, aber gleichzeitig zu großer Unabhängigkeit. Da wir beide wissen, dass der andere auch zu Befreiungsschlägen neigt, wenn es zu eng wird, können wir recht entspannt miteinander sein. Dadurch, dass wir beide zu viel Nähe erstmal bedrohlich finden, sind wir uns sehr nah.

Manchmal küssen wir uns, nicht immer, und selten intensiv, aber es geht und ist sehr schön. Im Kino saßen wir in einem Kuschelsitz, jene ohne Lehne, und führten ihn seiner Bestimmung zu. “Pärchen spielen ist witzig”, sagte sie, und Recht hat sie.
Wir frugen uns dann, was wir sagen würden, wie wir uns nennen würden, träfen wir jetzt Freunde von uns.
“Das ist J.”, schlug sie vor – geschickt aus der Affäre gezogen, oder in die Affäre, wie man’s nimmt.

Mir fiel dann auf: Aus unserer gemeinsamen Weigerung zu definieren, und uns festzulegen, erwächst eine große Verbindung, und in gewisser Weise ist das, auch wenn es die klassischen Kriterien nicht erfüllt, im Grunde fast meine sicherste Beziehung. Zwar haben wir keinen Sex, und wir sehen uns auch nur alle 1, vielleicht 2 Wochen, aber von der emotionalen Stabilität und der Kongruenz unserer Vorstellungen sind wir ganz weit vorn.

Und das, obwohl wir uns ja, wie gesagt, gar nicht *so* nah sind, also nicht so nah, wie sich das “gehört”. Dies brachte mich zu der Überlegung, ob vielleicht für das Beziehungsgefühl die Nähe zu sich selbst wichtiger ist als die Nähe zum Partner. Ob also die Tatsache, dass ich mit ihr lebe, was sich genau richtig anfühlt, nicht viel mehr dazu beiträgt, dass ich mich ihr verbunden fühle, als irgendwelche Kriterien wie Küsse, Kuschelsitze oder Kondome.
Zumindest, so glaube ich, wenn sie schon nicht die Beziehung ausmacht, ist diese Nähe zu sich selbst auf jeden Fall relevant für die Liebe. Wer sich verbiegen muss, kann nicht lieben.

14.05.2007 0:39
0 Kommentare »
Allgemein

So, jetzt bitte nicht an Nazischeiße denken, die Überschrift passt schon, ist aber nicht ernst gemeint. Jedoch hatte ich gerade mit Cullawine eine Unterhaltung über den Einfluss der biologischen Uhr auf die Partnerwahl: Frauen werden mit Mitte 30 häufig nervös, was Kinder und Familienplanung angeht, und somit auch bezüglich ihrer Beziehungen. Soweit, so klar, tausendmal Thema von Filmen gewesen.

Männer haben weniger Nestbautriebe. Kann man ja alles noch nachholen, Kinder kann ich auch noch zeugen, wenn ich 70, 75, 80 bin. Immer eigentlich.

Das sorgt für Probleme. Die Männer machen nämlich einfach mal Karriere, weiterweiterweiter, wohingegen bei den Frauen irgendwann der Kinderwunsch kommt. Und mir fällt auf: Ich fände das glaub ich für Männer auch super – immerhin macht man sich so mal Gedanken darüber, was man für ein Leben führen will. Diese Gedanken sind zwar sicher mühsam, aber auch sehr lohnenswert. Dann hat man nämlich nicht plötzlich eine Midlife-Crisis, wenn man bemerkt, dass man sein ganzes Leben nur geschuftet hat, ohne auf sein Glück zu achten.

Aus all diesen Gründen wäre es total interessant, wenn Männer einfach mit 40 steril würden. Das wäre irgendwie so, meinetwegen per Erlass aus Rom, was weiß denn ich, ist ja nur ein Gedankenspiel. Dann würden sich (a) die Männer auch mal überlegen, was für ein Leben sie führen wollen, und (b) wären die Effekte für die Partnersuche total spannend. Erstmal wären natürlich plötzlich auch Männer um die 30 hoffnungslos panisch, aber auf Dauer würden sich sicher viel mehr Leute zusammenfinden, die Schiss haben vor dem Torschluss. Lauter “Was-Anderes-gabs-halt-nicht”-Beziehungen, mehr noch als jetzt schon, und natürlich viel mehr Kinder! Alles ruft ja immer nach mehr Kindern, Hilfehilfe, die Deutschen sterben aus – So würd’s gehen.

Aber natürlich zöge das andere Probleme nach sich. Zum Beispiel würden lauter Männer auf ihre Karriere verzichten, damit sind die Führungsposten, wo bis jetzt das einzige Problem die fehlenden Frauen sind, plötzlich einfach nicht zu besetzen. Alles Aussteiger, tschüs, ich erzieh lieber Kinder, die großen Firmen gehen alle pleite, das Bruttosozialprodukt sinkt, Steuereinnahmen durch Firmen auch, die Arbeitslosigkeit schnellt hoch, Kindergärten und Erziehungsgeld werden mehr benötigt… Ist vielleicht doch nicht so gut, die Idee.

13.05.2007 1:38
0 Kommentare »
Allgemein

Es gibt sie doch noch, die Menschen die wissen, wieso sie hier so leben können, wie sie leben können, und die das gern so behalten würden:
Peter-Alexis Albrecht ist Juraprofessor in Frankfurt und äußert sich wie folgt zu Onlinedurchsuchungen:

“Das ist strafbarer Verfassungsmissbrauch. Das ist organisierte Kriminalität gegen die Verfassung.” Es sei eine “verfassungsrechtliche Schweinerei”, dass ein Verfassungsgericht sage, “hier ist die Grundrechtsgrenze erreicht und die aktive Exekutive hat nichts anderes im Sinn, als die Gesetzeslage auf ihre Absurdität hin anzupassen.”
Peter-Alexis Albrecht
(via Heise.de)

Dem habe ich vorerst nichts hinzuzufügen.

05.05.2007 12:39
0 Kommentare »
Allgemein

Get a first life
Get a first life!

Absolut wunderbare Idee. Ich werde dem auch prompt folgen, und meinen Urlaub beginnen. Heute nachmittag geht’s los. Bis dann!

05.05.2007 1:25
0 Kommentare »
Allgemein

Um lieben zu können, muss man zunächst sich selbst lieben. Sagt man.
Stimmt auch. Stimmt tatsächlich und ist wichtig. Oder vielmehr, wirklich stimmen würde folgendes: Um erfolgreich (also Glück verheißend) lieben zu können, muss man zunächst sich selbst lieben. So stimmt es. Letztens fiel mir das auf, und jetzt will ich versuchen, es in Worte zu fassen.

Der Punkt ist der: Man verbiegt sich, wenn man sich nicht selbst liebt. Keine Partnerschaft passt zu 100%. Das gibt es nicht, das kann man mir keiner erzählen. Man mag manche Dinge, die der andere nicht so gern mag. Ist kein Beinbruch.
Wenn ich nun in jemanden verliebt bin, will ich natürlich gern geliebt werden, und will den anderen glücklich machen. So ist das. Wenn ich aber nun Wünsche oder Vorlieben zu erfüllen versuche, die zu mir gar nicht passen, die mir gar nicht liegen, dann verbiege ich mich. Das macht mich dann wiederum unglücklich, denn verbogen sein ist anstrengend.

Ein Beispiel muss her. Hmmmm… Ach, nehmen wir eins mit Sex, man liest so gern was über Sex. Also, mal angenommen, ich mag das Licht gern aus haben beim Sex. Ich mag es vielleicht, mich mehr auf die anderen Sinne konzentrieren zu können, vielleicht mag ich auch nicht der Süßen in die Augen schauen aus irgendeinem Grund. Nun sagen wir mal, diese Vorliebe akzeptiere ich nicht völlig, liebe mich da also noch nicht so komplett*.

Einschub:
Das ist übrigens eine Vorannahme für diesen Gedankengang, dass Selbstliebe heißt, sich bedingungslos zu akzeptieren. Andere lieben geht so ähnlich, glaube ich, wobei bedingungslos (also: ohne an Bedingungen geknüpft zu sein) oft verwechselt wird mit haltlos (also: ohne Rücksicht auf Verluste allerseits).

Vielleicht habe ich das Gefühl, dass ich meiner Süßen eigentlich immer in die Augen schauen können sollte oder so, jedenfalls akzeptiere ich meine Grenze da nicht.

Nun kommt es, dass die Süße selber das Licht gern an hat. Sie sieht sich gern an, was geschieht, mag die Formen und Farben vom Sex, mag vielleicht meinen Gesichtsausdruck wenn ich komme. Solche Dinge. Und weil ich ihr gefallen will, weil ich sie glücklich machen will, lasse ich das Licht an.

Zrrrip, schon bin ich ein bisschen verbogen. Manches Mal geht das gut, dreimal, viermal, aber irgendwann fällt mir auf: Ich genieße den Sex nicht mehr. Ich fühle mich beobachtet, unfrei, unter Druck, aber ich sage nichts, weil ich ja eigentlich der Meinung bin, die Süße hat recht, ich müsste das auch gut finden.

You get the picture. Meiner Meinung nach ist es hier schlicht das eigene Akzeptieren, das fehlt. Klar, der Konflikt bleibt, Licht an, Licht aus, aber das zu besprechen (und im Zweifelsfall beides mal zu machen) geht eben nur, wenn ich vor mir selber erstmal aufstehen und sagen kann: Ich mag das auf jene Art, und das ist in Ordnung.

Sex im Dunkeln oder Hellen ist dabei ein triviales Beispiel, es geht häufig um viel, viel komplexere Dinge.
Bin ich mit mir im Reinen, dass ich mich sehr wohl fühle, während des spannenden Vorspiels irgendwann einfach wieder zu kuscheln? Oder habe ich ein schlechtes Gewissen, und das Gefühl, sie jetzt noch zum Orgasmus bringen zu müssen?
Akzeptiere ich vor mir selber, dass ich viel Freiheit brauche, gern für mich bin, und manchmal nicht zurückrufen mag, oder habe ich Schuldgefühle und fühle mich als schlechter Freund?

Erst wenn ich diese Sachen annehme, und akzeptiere, dass ich zumindest momentan so bin (dass man sich ändern wollen kann ist ja klar), erst dann kann ich, so glaube ich, in einer Begegnung mit einem anderen Menschen wirklich zufrieden sein, sich selbst und dem anderen Menschen gleichermaßen nah und fair.

04.05.2007 22:05
0 Kommentare »
Allgemein

Ich möchte meine Beziehungen wie einen Carport. Sie beschützen, was wichtig ist, sind aber offen. Besprach ich gerade mit einer Freundin.