Schlagwort-Archive: Berührung



Ich bin ein Geber.

Ein anderes Wort, das mir häufig dafür begegnet, ist “Helfer-Komplex”. Aber es bleibt dabei, ich gebe gern, gebe vor allen Dingen “mich” gern. Ich öffne mich gern, vertraue gern, berühre gern, bin gern da für jemanden. Ich gebe Energie. Daraus erschließt sich eine ganze Menge: Die Wahl meiner Hauptberufe (Psychotherapie und neuerdings Massage) oder auch meine Tendenz, Menschen gern zu berühren und zu streicheln (denn das wünschen sich die meisten). Letztere Eigenschaft von mir hat Cullawine in einem Streit einmal zum Anlass genommen, mir zu sagen, ich würde mich benutzen lassen. Ich wäre für lauter Leute eben eine praktische Quelle von Zärtlichkeit oder Anerkennung, und wenn diese Leute das bräuchten, wäre ich ein willkommener Gast. Es wäre aber nicht fair, ich würde dabei benutzt.

Das saß. In dieser Deutung fehlt mir zwar ein bisschen, dass mir das Berühren und Streicheln natürlich gefällt, was das Ganze weniger einseitig wirken lässt, aber es ist was Wahres dran. Das Gefühl, wenn es nicht so ist, wenn ich einfach nur geliebt werde, habe ich mit Cullawine erfahren, und es ist ein wundervolles Gefühl.

Mir fällt dieses “Benutztwerden” erst auf, wenn ich selbst in bedürftigen Phasen bin, oder wenn sich irgendwelche Rahmenbedingungen ändern. Dann merke ich: Hoppala, die zärtliche Ebene, die wir hatten, war ja gar nicht stabil. Plötzlich ist da ein neuer Partner/ eine größere Zufriedenheit, und die Nähe, körperlich wie emotional, ist weg. Und ich frage mich: Oh, war ich gar nicht gemeint? Ging es nur um das Fehlen von Partner und Zufriedenheit, und ich war guter Ersatz, ein Flicken?
Das tut dann weh.

Ähnlich ist es auch, wenn ich selbst dann einmal Nähe brauche, und feststelle: Sorum ist es scheinbar nicht okay.

Und jetzt wird das Ganze etwas knifflig. Gerade ist eine Phase, in der ich bedürftig bin. Ich will geliebt werden, und ich spüre deutlich den Wunsch in mir, dass da jemand ist, der unbrechbar hinter mir steht, mich ehrt und schätzt und begehrt.

Gleichzeitig spüre ich aber auch: Das bleibt aber innerhalb des bestehenden Musters, ich suche gerade Flicken für Löcher, die in mir sind. “Wenn jemand Liebe will, gibt es keine Liebe mehr, sondern nur noch Beweise der Liebe”. Es ist im Grunde wie mit den Menschen, von denen ich mich benutzt fühlen könnte, nur eben mit getauschten Rollen: Es geht um ein Ganz-Machen. Derjenige zu sein, der als Flicken benutzt wird, ist nur der Spiegel zu dem, dem etwas fehlt.
Beide Rollen bleiben in der Idee: Man muss komplett werden, man hat nur einen Flügel und muss sich umarmen um zu fliegen.

Aber es kann nicht aus dem Außen kommen. All die Sicherheit, Liebe und Gelassenheit wird nicht gegeben, sie kann nur gespürt werden. Es ist Selbstliebe.

Das sehe ich, und mein Yoga gestern hat mich darin bestärkt. Aber mein Gott, was ist das knifflig umzusetzen. Es ist ja ohnehin schon schwer, aus sich selbst heraus die Löcher zu stopfen, an die man sich über die Jahre gewöhnt hat, aber es ist noch schwerer, beim Stopfversuch nicht alle auszusperren.

Das ist mir nämlich auch schon öfter passiert: Während ich gut dabei war, ganz bei mir zu sein, und aus mir selbst heraus Stabilität und Sicherheit zu finden, fielen mir plötzlich meine Liebsten aus dem Boot. Den Kontakt zu ihnen zu halten, ihn zu genießen und sich dran zu freuen, und sie dabei nicht als Flicken zu missbrauchen, das ist richtig richtig schwer.

Und zu allem Überfluss haben die ja genau die gleichen Sachen am laufen, und möglicherweise sind sie selber schwer dabei, einen Flicken zu suchen, oder eben selbst zu stopfen und dabei weniger in-Beziehung-sein können.

Sachdienliche Hinweise werden liebend gern angenommen.

Manchmal juckt es mich wieder, dieses Blog mit meinen Erfahrungen zum Lieben zu füllen. Interessanterweise juckt es mich sowohl in Situationen, wo es besonders schlimm ist, aber auch in welchen, wo es besonders gut ist.

Dieses Wochenende ist ein besonderes Wochenende, weil es besonders gut ist.

Aber von vorn.

Prozesse sind gewaltig. Ich meine, ich kenne natürlich nur meine eigenen und ansatzweise die meiner Liebsten, aber ich bleibe dabei: Prozesse sind gewaltig. Die Schritte, die man auf dem Weg so geht, führen einen an erstaunliche Orte.
Seit einigen Wochen spreche ich dabei ungern über “Entwicklung”, denn diese Benennung bedeutet immer, dass man momentan “unterentwickelt” ist, und darin ist wenig Liebe für die Person, die man jetzt gerade ist. Diese Liebe ist aber wichtig.

Die Schritte jedenfalls sind heilig und wunderbar, zu jedem Zeitpunkt des Wegs ist man völlig in Ordnung, es gibt kein zu wenig oder zu langsam. Und gleichzeitig ist der Weg ebenso völlig in Ordnung – es ist wunderbar, ihn zu gehen.

Dieses Wochenende lerne ich Massage. Und obwohl ich schon ahnte, dass das ein besonderes Wochenende werden würde, dachte ich doch eher, dass ich eben Techniken lerne und ein bisschen über Energie lerne.
Dass mein Herz dabei die weitaus größere Rolle im Vergleich zum Kopf spielen würde, habe ich nicht erwartet. Mit der Massage kommt ein Zugang zu Menschen in mein Leben, der mir fundamental liegt. Es ist nicht die Berührung allein, die mir gefällt (jeder der mich kennt weiß, dass Berührung wichtig für mich ist), es ist an diesem Wochenende eher die Bewusstheit darüber, was es bedeutet jemanden zu berühren.

Ein Rücken (ich lerne nur Rücken, der Rest käme in der weitergehenden Ausbildung, wenn ich mich dafür entscheide) trägt viel, und jeder von uns hat ein paar Ecken am Rücken, die besonders sind. Wo wir merken, dass wir viel zu tragen haben. Viel auszuhalten. Wo wir einstecken, gegenhalten, und auflehnen, unflexibel sind oder uns nach Ruhe sehnen.
Und so ein Rücken liegt dann vor mir, mit all diesen Sachen, und ich gebe etwas hinein.

Ich hätte es nicht erwartet, aber die Dankbarkeit und Rührung sind groß, so etwas tun zu dürfen.
Der Space, der an diesem Wochenende aufgeht, mit den besonderen Menschen, die sich eingefunden haben, ist ebenfalls groß, und Dinge, die sonst wenig Platz in meinem Leben haben, nämlich Spiritualität (allgemein) und körperliche Nähe (in der Arbeit – privat hab ich sie und bin sehr froh darüber), geschehen darin.

Es ist heilig und wunderbar, es öffnet mich und trägt mich. Liebes Universum: Vielen Dank.