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Das ist ein bisschen gelogen, aber ein bisschen ist es auch wahr. Wenn die Welt nach den Definitionen funktionieren würde, die ich in mir habe, wäre es wahr. Zwei Frauen sind in mein Leben getreten, in beide bin ich verliebt, und beide finden das gut bis okay. Unser Miteinander ist zärtlich, intensiv, authentisch und wunderbar.

Grund genug für mich zu sagen: Ich lebe gerade zwei Beziehungen.

Das Spannende ist, dass jetzt all das Geschreibe und Behaupte, das ich so in die Welt gepustet habe, ins Tun kommt. Jetzt geht’s ab. Jetzt endlich mal “praktische Polyamory”. Ich hab in letzter Zeit oft an das Blog gedacht, und dass mir gerade Dinge widerfahren, die hierher gehören. Nur war das hier immer ein Ort der Theorie. Das ist sozusagen die Bedienungsanleitung für das Fitnessgerät, und jetzt steh ich eben auf dem Ding.

Ich hoffe, es gelingt mir, die Erfahrungen zumindest teilweise hier abzubilden (und überhaupt erstmal konzeptuell einzufangen, ich kann ja keine Gefühle posten sondern nur Wörter).

In diesem Sinne: Auf geht’s.

Freies Lieben ist Hinnehmendes Lieben

A: “Ich liebe dich”
B: “Aber du bist 45, es würde nicht funktionieren”

So oder ähnlich ist es in Filmen oft. Es ist aber Quatsch. Vom Funktionieren hat ja niemand gesprochen, sondern von Lieben.
Oft scheinen Erwartungen an das Lieben gekoppelt zu sein, seies es jetzt welche von A oder von B, also irgendwie sowas wie “Ich liebe sie, sie muss mich auch lieben”, oder “Ich liebe sie, ich muss ihr nahe sein”.
Ich finde es schöner, wenn man es erstmal dabei belässt. oder es zumindest trennt. “Ich liebe dich. Außerdem würde ich gern meinen Urlaub mit dir verbringen.”
Das erfordert auf Seiten der geliebten Person viel Hinnehmen (ungefähr so, als wolle man ein Kompliment annehmen), aber nichts darüber hinaus, und auf Seiten der liebenden Person auch viel Hinnehmen (weil man die Liebe da sein lässt, unabhängig davon, ob sie erfolgversprechend oder “möglich” ist), aber natürlich auch sehr viel Hingeben. Freies Lieben ist nämlich auch hingebendes Lieben.

Freies Lieben hat für mich sehr, sehr viele Facetten. Alle denken sofort an Sex, und das kann ich gut verstehen, denn Sex ist ne feine Sache, aber eigentlich steht das gar nicht so im Vordergrund.
Deswegen hier der erste Teil dieser Definitionsversuche.

Freies Lieben ist Allgegenwärtiges Lieben
Liebe ist nicht exklusiv. Bei Freunden ist das den meisten Menschen sofort einsichtig. Warum soll ich nicht mehrere Freunde haben? Immerhin sind sie alle unterschiedlich, und jeder und jede von ihnen hat bestimmte Eigenschaften, die sie sehr besonders machen, wegen derer ich sie liebe.
Auch in der Familie oder bei Tieren und Pflanzen wird nie gefordert, dass man sich auf ein Liebesziel beschränkt.
Wenn ich eine Frau liebe, aber schon… komisch.

Das ist für mich der eine Aspekt von freiem Lieben als allgegenwärtigem Lieben. Es gibt keine Einschränkung, wen man alles liebt.

Der andere Aspekt ist umfassender. Ziel ist für mich eine liebevolle Einstellung gegenüber allem und jedem. Klingt unkritisch, aber in gewisser Weise sind alle Menschen toll. Das kann man auf unterschiedliche Weise umreißen. Wenn ich das zum Beispiel konstruktivistisch sehe, dann baue ich mir durch meine Wahrnehmung meine eigene Welt (von der ich nie weiß, ob sie der Realität, wenn es eine gibt, entspricht). Demnach sind alle Menschen, die ich wahrnehme, ein Teil von mir. Wenn ich mich selbst liebe (und das ist wichtig), dann liebe ich auch sie.
Oder man sieht das Ganze holistisch. Diese Menschen sind genauso Teil der Welt, wie ich es bin, wir sind zusammen Teil der Menschheit. Dadurch sind wir uns ähnlich.
Oder man betrachtet es relativistisch. Jeder Mensch wird von irgendwem geliebt. Zumindest irgendwann mal. Also muss es etwas liebenswertes an ihm geben. Das zu sehen ist dann mein Job.

Hat ein bisschen mit meinem Praktikum zu tun (s.u.), wo ich ja genau das gut schaffe, weil man den Menschen so nahe kommt, ihren Gefühlen so nah ist, dass man mitfühlt (Achtung! Nicht mitleidet – wichtiger Unterschied), und so versteht, wer sie sind. Und im Kern sind sie alle sehr liebenswert.

Und diese liebenswerten menschen sind überall. Vielleicht hätte man, wenn das eigene Leben etwas anders verlaufen wäre, einige von ihnen kennengelernt. Wer weiß,
Und auch gegenüber anderen Lebewesen sollte man meiner Meinung nach diese Haltung entwickeln.

Im Wald geht das besonders gut. Da geht man hin und liebt einen Baum.
Der übrigens nichts zurückgibt. Aber das ist ein anderes Kapitel.