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Das ist ein bisschen gelogen, aber ein bisschen ist es auch wahr. Wenn die Welt nach den Definitionen funktionieren würde, die ich in mir habe, wäre es wahr. Zwei Frauen sind in mein Leben getreten, in beide bin ich verliebt, und beide finden das gut bis okay. Unser Miteinander ist zärtlich, intensiv, authentisch und wunderbar.

Grund genug für mich zu sagen: Ich lebe gerade zwei Beziehungen.

Das Spannende ist, dass jetzt all das Geschreibe und Behaupte, das ich so in die Welt gepustet habe, ins Tun kommt. Jetzt geht’s ab. Jetzt endlich mal “praktische Polyamory”. Ich hab in letzter Zeit oft an das Blog gedacht, und dass mir gerade Dinge widerfahren, die hierher gehören. Nur war das hier immer ein Ort der Theorie. Das ist sozusagen die Bedienungsanleitung für das Fitnessgerät, und jetzt steh ich eben auf dem Ding.

Ich hoffe, es gelingt mir, die Erfahrungen zumindest teilweise hier abzubilden (und überhaupt erstmal konzeptuell einzufangen, ich kann ja keine Gefühle posten sondern nur Wörter).

In diesem Sinne: Auf geht’s.

Natürlich ist gerade auch eine Phase, wo ich viel von Polyamory, freiem lieben und allem in Frage stelle, schlicht weil es so unglaublich schwer ist, und zumindest aktuell tue ich jemandem weh, den ich liebe.

Da tut es dann zwischendurch gut, sowas wie beim Streetgirl zu lesen, die als Prostituierte arbeitet:

Sylvia hatte mich telefonisch bestellt. Sie klang recht sympathisch und wir vereinbarten den Termin. Als ich hinkam, empfing sie mich auch sehr freundlich und entschuldigte sich, weil es noch ein paar Minuten dauern würde. [...]
Etwa eine Viertelstunde später klingelte es und Rainer kam nach Hause. [...] Freundlich begrüßte er mich und meinte anerkennend zu Sylvia, dass sie einen fantastischen Geschmack hätte.
Und 5 Minuten später verschwanden Rainer und ich im Schlafzimmer und Sylvia vor dem Fernseher.
via Streetgirl

Gibt’s also doch, Beziehungen frei von Eifersucht, und Sex frei von Aufladungen.

Mich haben Grenzgebiete von Sexualität und Geschlecht immer interessiert. Ob Asexualität (Menschen, die kein Interesse an Sex haben, aber durchaus an Zärtlichkeit und Beziehung), Transgender (Menschen, die sich zu einem anderen Geschlecht umoperieren lassen, weil sie sich im “falschen” Körper fühlen) oder eben auch Polyamory (Menschen, die Interesse an mehreren parallel geführten Liebesbeziehungen haben).

Das alles ist ja nicht “normal”, und das gefällt mir. Warum gefällt mir das? Ich glaube, weil Abweichungen von der Norm immer wieder neu in Frage stellen, was wahr ist. Das gibt es auch im Kleinen: In Deutschland beispielsweise gibt es ein Nacktheitstabu. Man kann nicht einfach nackt einkaufen gehen, wo kämen wir denn da hin. Einfach so nackt sein geht nicht. In der Sauna geht es dann aber plötzlich doch.
Auch Swingerclubs stellen die Sex-Negativität, die hierzulande herrscht, sehr in Frage: Offensichtlich gibt es Menschen, die schlicht ein Interesse an bindungslosem Sex haben, und das auch sehr erfolgreich tun.

Intersexuelle Menschen, oder auf vulgärsprachlich: Zwitter, eröffnen ebenfalls eine neue Wahrheit hinsichtlich der Rolle von Geschlecht für unsere Identität. Was ich nicht wusste: Jeden Tag wird in Deutschland ein intersexuelles Baby geboren. Das sind immerhin ein halbes Promill aller jährlichen Geburten – immer noch eine winzige Minderheit, aber eben doch keine Einzelfälle, sondern Fakt. Bei den meisten dieser Babys entscheiden dann die Eltern über das Geschlecht, und Eierstöcke oder Hoden oder was auch immer nicht ins Bild passt wird raus- oder abgeschnitten.

So mächtig ist die Zweigeschlechtlichkeit, so sehr will man ignorieren und anpassen, was das in Frage stellt. Da fragt man sich schon: Wieso wäre es so schlimm, ein drittes, viertes und fünftes Geschlecht zu haben?

Mehr Info gibt’s bei PolyLux in einem Beitrag, mit netten intersexuellen Menschen, bei denen man nicht versteht, warum es die nicht geben sollte. Wirken alle sehr freundlich und bescheiden.

(via Genderblog)