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Ich habe den Anspruch an mich selbst, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, es zu gestalten. Nicht gelebt zu werden, sondern eben zu leben. Die Gedanken aus dem hervorragenden hard science-fiction Roman “Parable of the Sower” passen sehr gut dazu. Darin entwickelt die Protagonistin eine sehr glaubbare Religion um dem zentralen Satz: God is change. Gott ist Wandel. Und die angemessenste Form des Dienstes an diesem Gott ist, den Wandel zu gestalten, Teil des Wandels zu sein.

Pray to focus your thoughts,
still your fears,
strengthen your purpose.
Respect God.
Shape God.

Diesem Gestalten meines Lebens steht einiges entgegen. Immer zwischendurch erscheint mir das alles zu groß, zu schwierig, zu viel für ein armes kleines Menschlein allein. Oder ich fühle mich einfach zu faul, möchte mich zu gern einrichten in den Status Quo in dem naiven Wunsch, irgendwie wird es schon alles, und ich möchte nicht ständig ackern.

Wie will ich wohnen? Wie will ich leben und lieben? Das steht gerade an, und ich merke, die Gestaltung dieser Lebensbereiche ist quite challenging. Zwei Frauen, die ich liebe, mit denen gerade mehr eingestiegen wird in die Prozesse (von mir und ihnen), was mich umso mehr in die Situation bringt, es gestalten zu wollen, ja: gestalten zu müssen. Die Energie in diesen Prozessen ist wie eine Flut: Wenn ich keine Kanäle grabe, läuft sie sonstwohin und überschwemmt alles, was mühsam großgezogen wurde. Aber ich will die Prozesse kultivieren, ich brauche gute Gräben, ich will keine Auenlandschaft und dann mal sehen wie’s wird. Wasser ist gut, aber es muss gelenkt werden.

The Self must create
Its own reasons for being.
To shape God,
Shape Self.

Ich weiß gar nicht, wo ich hin will mit diesem Artikel. Ich glaube, ich will einmal deutlich machen:

Alter, alles muss gestaltet werden, alles muss gebaut werden, das eigene Leben wartet nicht im nächsten Tag, es wird in jedem neuen Heute aus dem Boden gestampft, und verdammtnochmal, das ist aber oft auch wirklich eine harte Arbeit.

Nicht, dass ich das gerne anders hätte. Es ist richtig, genau wie es ist. Ich wünschte nur, ich hätte ein bisschen mehr Power dafür, und könnte es besser.

As wind,
As water,
As fire,
As life,
God
Is both creative and destructive,
Demanding and yielding,
Sculptor and clay.
God is Infinite Potential:
God is Change.

Ich habe jetzt “Stranger in a Strange Land” von Robert A. Heinlein gelesen – das Buch gilt als ein Wegbereiter für die Polyamory-Bewegung, und man versteht auch warum.

Michael Valentine Smith ist der Abkömmling von Marspionieren. Seine Eltern sind gestorben, und so wurde er von den Marsianern aufgezogen. Das bedeutet verschiedene Dinge. Zum Beispiel bedeutet das, dass Michael grundlegende ethische Fragen anders beantwortet als Erdlinge. Und, dass er Fähigkeiten besitzt, die hier niemand hat. Das wäre mir fast zu phantastisch geworden, wenn ich nicht an Erleuchtung glauben würde, und somit an ein jedem Menschen innewohnendes Potential, das unsere Vorstellungen übersteigt.

*** SPOILER: Stranger in a Strange Land! ***

Smith kommt dann auf die Erde, und schnell gewinnt er mit seiner gleichzeitig naiven wie weisen Art eine Menge Anhänger und Freunde: Water Brothers, wie er sie nennt, denn Water Sharing ist das marsianische Ritual für eine Seelenverbindung. Kein Wunder, Wasser gibt’s da ja in der Tat nicht so viel.

Smith ist selbstverständlich erstmal ziemlich überfordert von den Dingen, und wenn er etwas nicht versteht, verfällt er in eine Katalepsie, in der sein Puls auf ungefähr 2 geht und seine Atmung auf beinahe 0. He does that to ‘grok’. Grok ist eins der wichtigsten Worte in der marsianischen Sprache. Es bedeutet ein ganz grundlegendes Verständnis, ein “Trinken” von Wahrheit. Es bedeutet, um Rückbezug auf den Nacktheitsartikel hier zu nehmen, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, ohne Masken und nix.

Einige Sachen ‘grok’t Michael nicht. Liebe zum Beispiel. Meiner Meinung nach liegt das daran, dass sein Versuch, alles zu ‘grok’en schon Liebe ist, dass er also liebevoll mit der Welt ist, in ihr schwimmt, und insofern nicht verstehen kann, wie Liebe da noch was zu packen soll.
Auch das Konzept eines Gottes versteht er nicht. Der Versuch, ihm das zu erklären, bringt ihn dazu, freudestrahlend auszurufen (weil er glaubt, es verstanden zu haben):

“Thou art god! God groks!”

Im Laufe des Buches wird immer klarer, was er damit meint, und er erklärt es Jubal Harshaw, einem guten Freund, der den Kult, der sich um Michael entwickelt, skeptisch sieht, aber verstehen will. ‘Grok’en will.

“‘Thou art God.’ It’s not a message of cheer and hope, Jubal. It’s a defiance – and an unafraid unabashed assumption of personal responsibility.”

Das gefällt mir gut. Der Gedanke, dass Gott in jedem von uns steckt, ist nicht neu. Und ist auch so schon bedeutend überzeugender für mich als die Annahme irgendeiner externen Entität. Letztlich ist es auch der Gedanke der Buddha-Natur.

Aber in “A Stranger in a Strange Land” ist diese Annahme irgendwie stärker rübergebracht als sonst, weil da jemand ist, der völlig überzeugt sagen kann “I am God! You are God!” und es meint.

Du bist Gott. Verhalte dich entsprechend.

Und zu diesem Verhalten gehört genau der Versuch ‘to grok’, die Dinge ‘in fullness’ zu sehen, und zu entscheiden, ob sie eine ‘goodness’ oder eine ‘wrongness’ sind.
Und das ist, besonders wenn man versucht, sein eigenes Leben ‘in fullness’ zu sehen, wieder der Versuch, gut zu leben.

Das ist ne ganz schön philosophische Geschichte… und ich meine gar nicht das Buch.