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“Du bist cool” sagte meine Mitbewohnerin gestern zu mir, und überraschte mich. Der Anlass war nämlich gar nicht so cool, denn ich war dabei, für ein paar Tage die WG zu verlassen, in der Cullawine und ich uns kennenlernten, zusammenwaren, trennten und jetzt eben miteinander umgehen mussten. Nun zieht Cullawine aus, und der zeitweise Auszug meinerseits war die Reaktion darauf, dass wir uns nicht vorstellen konnten, während Packen und Auszug aufeinanderzuhocken. Also lieber kurz “aus dem Feld gehen”.

“Wieso bin ich denn cool?”, fragte ich, denn ich fühlte mich eher sehr verloren in der Situation.
“Naja, euer Umgang ist cool, wie ihr allem Raum gebt, Liebe und Nicht-Liebe”.
Das war schön zu hören, denn das stimmt und ich verliere es manchmal aus den Augen. Der Umgang ist gut.

Zumindest solange ich davon ausgehe, dass die Trennung das richtige war, beziehungsweise das einzig mögliche, ist der jetzige Umgang gut. Eine Richtung ist nicht wirklich erkennbar – für Cullawine macht es das schwieriger, für mich aber erscheint es sehr authentisch. Ich will nämlich zweierlei: Einerseits will ich zurück zu mir finden, will Verstrickung auflösen und unabhängig sein. Andererseits will ich aber auch Cullawine in meinem Leben haben, will gerne eine Möglichkeit finden, wie es weitergeht, und hätte mir sogar gewünscht, dass die Beziehung klappt.
Der Weg, den wir jetzt gehen, entspricht diesen beiden Seiten in mir. Ich weiß zwar nicht, ob er in eine klare Richtung weist (eher nicht…), aber er ist aufrichtig. Auf jeden Fall ist er aufrichtiger, als entweder jeden Kontakt zu kappen oder stattdessen weiter in einer Beziehung zu bleiben, die sich nicht gut anfühlte.

Der richtige Weg ist nicht immer der schönste.

Viel geschieht, und ich werde immer wieder zurückgeworfen auf die Themen, die Ansichten und Einsichten, deren Erarbeitung hier im Blog dokumentiert ist.
Einige Unterscheidungen werden mir immer klarer, und das ist gut: Beziehung ist nicht Liebe, herrschaftsfreie Liebe hat nicht unbedingt mit Polyamory zu tun, und Verantwortung ist nicht Schuld.

Gerade letzteres gibt mir Nüsse zu knacken. In der Beziehung zu Cullawine war ich oft mit Schuld konfrontiert – nicht, weil sie mir Dinge vorwarf, sondern weil sie unter Dingen litt, die mir wichtig waren, die wichtig sind, um ich zu sein. Das macht einen Doublebind auf, denn plötzlich sind diese Dinge sowohl gut (weil: Ausdruck meines Selbst) wie schlecht (weil: Verletzung für sie). Ich vermute, dass für sie ein ähnlicher Doublebind bestand, weil ihre Verunsicherung (als Ausdruck ihres Selbst) war zugleich Gewalt gegen mich (weil ich mich einschränkte). So waren wir beide füreinander Belastung, sobald wir wir selbst waren.
Irgendwie glaube ich, dass es da etwas zu lernen gibt. Sich frei von Schuld zu machen, was einhergehen könnte mit dem Versuch Cullawines, sich freier von Erwartungen zu machen, denn Schuld empfand ich in den Momenten, in denen ich ihre Erwartungen nicht erfüllte. Aber wir haben es lange probiert, und sind immer wieder vor die Mauern gelaufen, die um die notwendige Erkenntnis errichtet sind, und auch vor jene, die der andere um sein Ich errichtet, teils zu recht (weil man zu sich stehen muss), teil sicher auch zu unrecht (weil nicht jedes Eindringen ein Angriff ist).
Da ich das nicht mehr ausgehalten habe, und weil ich nicht sah, was wir noch hätten tun können, habe ich kapituliert, und spüre jetzt deutlich:
Liebe ist nicht Beziehung. Ohne die Schwierigkeiten, die in der Beziehung so groß waren, ist mein Zugang zu meiner Liebe für Cullawine jetzt offen, und ich kann spüren: Ich liebe sie.

Mit einem gewissen Abstand ist es schön, das spüren zu können, und frei von Bitterkeit und Ärger sein zu können. Ohne diesen Abstand ist die Paradoxie fast nicht zu ertragen, dass die Liebe nur Raum hat, wenn wir keine Beziehung haben.

Aber eines bleibt wohl wahr: Zu sich zu stehen, auf sein Gefühl zu vertrauen, und nach dem Glück zu streben, ist die einzige Chance, die man hat, auch wenn das Dinge verbaut und andere Dinge zerstört, auch wenn man sich selbst weh tut und anderen.

In Wikipedia gibt es einen Eintrag zur Liebe! Vielleicht überrascht es dich nicht, aber mich hat es überrascht. Ich kenn Wikipedia nicht so gut.

Jedenfalls taugt der Artikel ziemlich, und selbst wenn vielleicht der einen oder dem anderen klar sein mag, dass es diesen Eintrag wohl gibt, gelesen haben ihn vielleicht nur wenige. Man weiß ja, was Liebe ist.
Tja.

Hier ein Ausschnitt:

Im Wesentlichen gibt es zwei Formen der Liebe, die oft in Mischformen auftreten: a) die im Kern selbstlose Liebe, die im Gefühl der Verbundenheit, im Verstehen des anderen wurzelt und nur das Beste für den Nächsten will und b) die ichbezogene, egozentrische Liebe, die ihre Wurzeln im Haben-Wollen, also besitzergreifenden Tendenzen hat.

Das greift allerdings für mein Verständnis fast zu kurz, weil es so klingt, als würde man entweder nur an sich denken, oder nur an den anderen. Ich schlage das Vierfelderschema unten vor.

Ich-Bezug Partner-Bezug
Lieben freies lieben Aufopferung
Besitzen Egozentrismus Verschmelzen

Warum denn ein Blog, lieb doch wie du willst und lass die Leute in Ruhe.
Naja.
Das hat mehrere Gründe.

1. Mich verstehen die Leute nicht. Das ist scheiße, das fühlt sich nicht gut an, das bedingt nervige Gespräche (für beide Seiten nervig). Vielleicht kann ich in Zukunft einfach sagen “Du, ich hab da was drüber geschrieben, schau doch mal auf meiner Seite vorbei, danke”.
Und an dieser Stelle will ich, um Missverständnissen hier vorzubeugen, gleich deutlich machen, dass ich mit freiem Lieben nicht freies Ficken meine. Das kann dazu gehören, muss aber nicht. Deswegen sage ich auch “freies Lieben” und nicht “freie Liebe”, weil der Begriff so vorgeprägt ist.

2. Ich glaube, dass viel Leid entsteht durch die Vorstellungen von Liebe, die gerade so gelten.
Denn das muss man sich klarmachen. Romantische Liebe ist gerade Mode. Noch vor 100 Jahren war das völlig egal, da ging es um eine gute Partie, die Liebe würde schon kommen.
Und jetzt, wo wir (glücklicherweise) viel Wohlstand und viele Möglichkeiten haben, da ist romantische Liebe scheinbar sehr nah, und wird uns auch nahgebracht, in Musik, in Filmen, in der Erziehung.
Und auch in den Geschichten, die Menschen dann erzählen – weilsie halt die Geschichten erzählen, die sie schön finden, die auch gesellschaftlich anerkannt sind, und schön finden sie jene, die sie halt aus Film und Musik kennen… so geht das dann weiter.
Aber diese sogenannte romantische Liebe macht traurig. Sie macht die Dinge weniger, die einem so widerfahren, obwohl sie so viel sind.
Wenn zum Beispiel eine Beziehung kaputt geht, und es dann heißt, “er war halt nicht der richtige”.
Is doch Quatsch. Für die Zeit, die man hatte, war es doch mindestens genau der richtige.

Und so glaub ich also, dass es Leuten gut tut, wenn sie auch mal andere Gedanken zum Thema Liebe lesen.
Mir tut es immer gut, wenn ich weiß, dass ich nicht allein dastehe mit dieser Meinung. Denn es ist wahrhaftig nicht einfach, sich immer wieder frei zu machen von Klammern, von Eifersucht, von Besitzdenken, aber ich glaube fest daran, dass es richtig ist, und will es halt versuchen.
Ob es klappt weiß ich noch nicht.
Aber klappt denn die romantische Liebe?