Schlagwort-Archive: Freiheit



Gelegentlich, eigentlich sogar oft, teilte ich aufregende Nächte mit Menschen, und aus irgendwelchen Gründen gab es Beschränkungen: Ich war in einer Beziehung. Sie war in einer Beziehung. Oder einer von uns war gerade sehr mit sich selbst beschäftigt. Wir waren befreundet. Wir wohnten zusammen. Ganz oft ist irgendwas, wodurch man nicht gänzlich frei ist.

Vorhin fiel mir auf: Es ist weder oft noch gelegentlich, es ist ausnahmslos. Sex unterliegt Beschränkungen, oder besser: Wir legen unserem Sex Beschränkungen auf.

Ich musste daran denken, wie ich nach meinem Studium sehr bewusst entschieden habe: Ab jetzt wird nicht mehr nur “der nächste Schritt” im Lebensllauf abgehakt, jetzt guck ich mal gerade, was ich will. Nicht “nach dem Zivi/ dem Diplom/ der Probezeit bin ich endlich frei” sondern: “Ich bin frei. Genau jetzt.” Aus diesem Geist heraus habe ich mich selbständig gemacht, was viele tollkühn bis dumm fanden, und es war eine der besten Sachen, die ich je gemacht habe.

Beim Sex, ahne ich, wird etwas ähnliches stattfinden. Nicht “bald mal jemand ohne Beziehung/ ohne Komplexe/ wo ich mich sicherer fühle”, sondern “Ich bin frei. Genau jetzt”. Diese ganzen Beschränkungen sind Einengung, Unsicherheit, sind lauter Kram, der einem eben das Leben schwer macht.

Jetzt nur noch trauen.

Wow. Ich ging ins Blog, um einen Artikel zu suchen, und las nochmal den letzten. Der kommt genau richtig. Die Zweifel, gegen die ich die innere Wahrheit verteidigen wollten, sind gerade heute wieder stark, und sind es immer wieder mal.

Dabei muss ich ziemlich genau hinschauen, um rauszufinden, was eigentlich das verdammte Problem ist. Im Grunde ist ja alles ganz einfach: Wenn ich mit Cullawine nicht mehr zusammen sein will, mache ich Schluss. Dummerweise erscheint mir das aber nicht als Lösung, denn ich habe dummerweise nicht das Gefühl, dass Cullawine das Problem ist. Zwar zweifle ich an Tagen wie heute auch daran, ob wir überhaupt zusammenpassen, aber die Gefühle von Überforderung und “nicht-bei-mir-sein” hatte ich auch nach der Trennung. Die haben mit mir zu tun.

Was ich finde, ist etwas, das ein Freund von mir kürzlich das Freiheitsmotiv nannte. Es ist stark in mir (und auch in ihm), und tatsächlich erklärt das ziemlich genau, was in mir passiert. Ich fühle mich unfrei, und das stört mich. Das hat nur sehr sekundär mit Cullawine zu tun, denn es hängt eher an meiner Sicht von mir, an meinem Verhalten ihr gegenüber und meinen Gefühlen gegenüber.

Das Freiheitsmotiv ruft nach uneingeschränktem Erleben. Es will alles tun können – möglicherweise will es nicht mal wirklich alles tun, es will es aber können.
Single sein hieß für mich, das erkenne ich gerade, immer, eine riesige Welt von Möglichkeiten um mich herum zu wissen. Jeder Moment konnte fließen, wohin er wollte. Jeder schöne Abend durfte zu einer schönen Nacht werden. Jede Umarmung durfte etwas länger dauern, an jeder schönen Frau in der Stadt konnte ich mich erfreuen und mir erbauliche Zeitvertreibe mit ihr ausdenken.

Dazu muss man sagen: Getan habe ich all sowas eher selten. One Night Stands hatte ich nie, und dass ich mal spontan irgendwo übernachtet hätte, wüsste ich auch nicht. Und, mal ehrlich, irgendwelche schönen Frau in der Stadt hinterherzugucken ist nun wirklich kein Privileg von mir und meinem Singlesein. Das ist ja Volkssport (was das über das Frauenbild im Volk und in mir aussagt, ist übrigens noch eine ganz andere Frage, mit der ich mich beizeiten mal beschäftigen muss). Es ging eben nicht ums tun, sondern um die Freiheit, es zu tun.

Nun gilt es herauszufinden und zu verhandeln, was dieses Freiheitsmotiv in einer Beziehung will und sein kann. Ich bin ja weiterhin ich, und für mich darf eine Beziehung das nicht einschränken. “Mein persönliches Glück ist mir wichtiger als die Beziehung”, hat der Freund auch noch gesagt. Und natürlich hat er Recht.
Es geschieht mir zu oft, dass ich mehr schaue, was “die Beziehung” braucht, was andere Paare so machen (nämlich sich sehr oft sehen), was Cullawine gern hätte (nämlich Liebesbeweise hie und da und gemeinsame Lebensplanung) und all so was, und muss ehrlicherweise sagen: Das erschreckt mich alles ganz fürchterlich.

Mir sind meine Gefühle für Cullawine viel näher als die Beziehung. Ich war nie scharf auf eine Beziehung, das ist strukturalistischer Überbau für etwas, was ganz im Herzen passiert. In den Momenten, wo es mir gelingt, einfach Cullawine als Cullawine zu sehen, geht’s mir total gut. Sie sagt dann, das wäre nicht anders als eine Freundschaft, aber das stimmt nicht. Oder irgendwie schon, weil auch das nur strukturalistischer Überbau ist, und entfernt man den, sind viele Sachen gleich, aber der Punkt ist doch der:
Wenn ich Cullawine als Cullawine sehe, dann bin ich doch nicht aus der Beziehung ausgestiegen, sondern maximal drin, nämlich maximal bei ihr.

Ich glaube, wie überstürzen da ein paar Sachen. Eigentlich sind wir ja unter der Prämisse zusammenzukommen, einen gemeinsamen Kurs zu finden, ganz wir selber zu sein und zu schauen, was sich daraus so ergibt. Gerade mache aber zumindest ich den Fehler, dass ich schon viel zu sehr wieder irgendeine Struktur bediene, die noch gar nicht mit mir abgestimmt ist. Und um den gemeinsamen Kurs zu finden, muss ich – glaube ich – ganz, ganz viel maximal bei ihr sein. Anstatt zu überlegen, wie oft man sich sehen sollte, wann man anrufen sollte. Was so die Rahmenbedingungen einer Beziehung sind. Das interessiert mich alles nicht.

Insofern: Vielleicht will das Freiheitsmotiv gerade wieder eine Welt voll Möglichkeiten haben, und das Problem ist nicht (oder zumindest nicht hauptsächlich), dass die Beziehung die Welt um mich rum verändert, sondern dass ich bislang die Beziehung noch nicht als Teil dieser Welt sehe. Auch die Beziehung soll eine Welt voller Möglichkeiten sein, soll frei sein von Struktur und Regeln, sondern soll authentischen Austausch ermöglichen.

Mal sehen, was sie so dazu sagt.

Ich hatte gerade ein langes Gespräch über die Liebe. Eine sehr wichtige Freundin von mir wollte auch immer frei lieben, und hat auch frei geliebt, und hatte auch freien Sex. Jetzt gibt es da einen Mann, und irgendwie will sie nur noch Sex mit ihm, und will die Nr. 1 für ihn sein, weil er auch ihre Nr. 1 ist.
Interessant.

Eigentlich ist da ganz viel drin, was mir missfällt. Hierarchie. Vergleich. Einzigartigkeit.
Aber wir haben lange gesprochen, schon zum wiederholten Mal, und auch das, was sie jetzt hat, ist frei, weil sie das jetzt so will.
Und in diesem Gespräch fiel mir auf, dass ich auch hier im Blog falsch verstanden werden könnte.
Dies ist keine Missionierung. Liebt wie ihr wollt.

Aber ich hatte schon oft das Gefühl, dass Leute mit den klassischen Konzepten unglücklich waren, ohne recht zu wissen, warum. “Warum verliebt sich niemand in mich?”. “Warum mag sie ihn lieber als mich?”. Usw.
Und das ist der springende Punkt. Glück ist das Ziel. Wenn man glücklich ist, ist alles gut. Wenn man sie dazu noch frei entschieden hat, für welchen Weg auch immer, ist das noch besser.
Die nicht-so.klassischen Konzepte sind auch nicht von Pappe.

Ich muss außerdem genauso aufpassen, dass ich nicht zu rigide bin in meiner Freiheit. Dass ich mir eingestehe, dass ich traurig bin, wenn man sich gegen mich entscheidet, dass ich auch wissen will, woran ich bin, dass ich das Gefühl haben will, wichtig zu sein. All diese Gefühle sind real. Auf einer kognitiven Ebene aber glaube ich zu wissen, dass danach noch etwas kommt, etwas wo ich hinstreben will.
Beide Ebenen, die augenblickliche, emotionelle, echte, und die anzustrebende, momentan noch kognitive, wahrhaftige* müssen da sein dürfen, und beide gleich wichtig. Ich vernachlässige die erste oft…

Passt gut zu meiner Legung von Neujahr. Nicht zu hart im Wollen und zu halbherzig im Fühlen sein…

*Wie weiß ich eigentlich, dass das was Wahrhaftiges ist? Verdammt.

Die ganzen Bilder von Freiheit sind immer einsam.
Der Cowboy in der Prärie, der Adler in der Luft. Starke Symbole, aber einsame Symbole.
2004 war bei mir auch so, dass ich das Gefühl hatte, mit meiner Entscheidung für die Freiheit erlebten viele Menschen auch eine Entscheidung gegen die Nähe zu ihnen, was natürlich Einsamkeit nach sich zieht.

Eigentlich, so besprach ich gestern beim Silvester feiern, heißt natürlich absolute Freiheit auch Freiheit von Einsamkeit, weil man dann in sich ruht. Aber so weit bin ich noch nicht. Komm ich vielleicht auch gar nich.

Deswegen ist mein Vorsatz für’s neue Jahr “Nähe”.
Das ist zum Einen die Nähe zu mir, aber zum Anderen auch die Nähe zu Menschen, die mir wichtig sind.

Warum denn ein Blog, lieb doch wie du willst und lass die Leute in Ruhe.
Naja.
Das hat mehrere Gründe.

1. Mich verstehen die Leute nicht. Das ist scheiße, das fühlt sich nicht gut an, das bedingt nervige Gespräche (für beide Seiten nervig). Vielleicht kann ich in Zukunft einfach sagen “Du, ich hab da was drüber geschrieben, schau doch mal auf meiner Seite vorbei, danke”.
Und an dieser Stelle will ich, um Missverständnissen hier vorzubeugen, gleich deutlich machen, dass ich mit freiem Lieben nicht freies Ficken meine. Das kann dazu gehören, muss aber nicht. Deswegen sage ich auch “freies Lieben” und nicht “freie Liebe”, weil der Begriff so vorgeprägt ist.

2. Ich glaube, dass viel Leid entsteht durch die Vorstellungen von Liebe, die gerade so gelten.
Denn das muss man sich klarmachen. Romantische Liebe ist gerade Mode. Noch vor 100 Jahren war das völlig egal, da ging es um eine gute Partie, die Liebe würde schon kommen.
Und jetzt, wo wir (glücklicherweise) viel Wohlstand und viele Möglichkeiten haben, da ist romantische Liebe scheinbar sehr nah, und wird uns auch nahgebracht, in Musik, in Filmen, in der Erziehung.
Und auch in den Geschichten, die Menschen dann erzählen – weilsie halt die Geschichten erzählen, die sie schön finden, die auch gesellschaftlich anerkannt sind, und schön finden sie jene, die sie halt aus Film und Musik kennen… so geht das dann weiter.
Aber diese sogenannte romantische Liebe macht traurig. Sie macht die Dinge weniger, die einem so widerfahren, obwohl sie so viel sind.
Wenn zum Beispiel eine Beziehung kaputt geht, und es dann heißt, “er war halt nicht der richtige”.
Is doch Quatsch. Für die Zeit, die man hatte, war es doch mindestens genau der richtige.

Und so glaub ich also, dass es Leuten gut tut, wenn sie auch mal andere Gedanken zum Thema Liebe lesen.
Mir tut es immer gut, wenn ich weiß, dass ich nicht allein dastehe mit dieser Meinung. Denn es ist wahrhaftig nicht einfach, sich immer wieder frei zu machen von Klammern, von Eifersucht, von Besitzdenken, aber ich glaube fest daran, dass es richtig ist, und will es halt versuchen.
Ob es klappt weiß ich noch nicht.
Aber klappt denn die romantische Liebe?