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Ich habe mich mit meinem lieben Freund Clayton getroffen, mit dem mich viel verbindet. Beispielsweise haben wir beide Beziehungen hinter uns, in denen es unseren Partnerinnen und auch uns so vorkam. als hätten Clayton und ich Beziehungen nicht so drauf. Bindung, das merkten wir, fällt uns eher schwer, wir haben schnell das Gefühl, uns zu verbiegen und brauchen viel Freiraum.

Das zumindest ist die dominante Geschichte, die für unser Seelenleben zur Verfügung steht.

Clayton hat jetzt eine gegenteilige Erfahrung gemacht, die ihm zeigte: Wenn die Partnerin mich nicht mehr spürt, muss das nicht daran liegen, dass ich den Kontakt habe abreißen lassen. Es kann auch daran liegen, dass sie den Kontakt verloren hat.

Und da fiel ihm auf, was auch außerhalb dieser ganz speziellen Situation wahr ist: Das ist dann ihr Ding. Es ist ihr Gefühl von allein-gelassen-sein. Dieses Gefühl lässt sie rausfallen, nicht sein Verhalten. Er war gar nicht aus dem Kontakt getreten: Sie hat ihn nicht mehr spüren können. es ist, wenn überhaupt, ihr Versäumnis, oder besser: Ihr Thema (wie Clayton mir per Mail noch schreibt, ist das natürlich nicht trennbar, sondern ist auch ein gemeinsamer Prozess, der zwischen zwei Menschen stattfindet. Essentiell ist vor allem: Es ist nicht mein Versäumnis, nicht meine Schuld).

Damit konnte ich viel anfangen. Ich würde beispielsweise Cullawine nie vorwerfen, sie hätte mich eingeengt oder mir Schuldgefühle gemacht. Ich war es, der Enge und Schuld erlebt hat, und die Beschäftigung damit, warum ich das empfinde, hat mich viel verstehen lassen über mich. Im Grunde ist es nur der umgekehrte Schuh, dass auch ihre Gefühle von verlassen-werden, nicht vertrauen können, eigentlich ihre Gefühle sind (und wie so oft denke ich wieder an den weisen Satz: “Own your feelings“).

Damit löst sich auch ein Teil der Schuld auf, was natürlich gut ist. Nach dieser Variante habe ich kein Bindungsproblem. Clayton hat es so ausgedrückt: Die Basis, auf der wir in Kontakt stehen mit unseren Liebsten ist eben ziemlich freistehend. Unser Vertrauen in die Liebe wird nicht erschüttert, nur weil man sich nicht sieht, sich nicht hört oder so etwas.

Wir haben überhaupt kein Problem, in Kontakt zu sein.

Natürlich (wichtig!) haben wir Probleme, die augenscheinnlich werden, sobald wir in Beziehung treten. Ich beispielsweise habe ein Schuld-/Verantwortungs-Thema. Aber das ist kein Bindungsproblem, das ist ein Schuld-Problem, genau wie es beispielsweise Sicherheits- oder Vertrauensprobleme  gibt, die Menschen dazu bringen, den Kontakt zu verlieren.

Und plötzlich sind alle gleich kaputt. Da begegnet man sich dann plötzlich auf Augenhöhe.

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Cullawine hat mir in unserem Trennungsgespräch ans Herz gelegt, die Themen, die mir in der Beziehung begegnet sind, nicht einfach ad acta zu legen, und ich halte das für einen guten Rat. Die Impulse, die unsere Beziehung in mein Leben gegeben hat, sind groß und rühren wichtige Dinge an.

Im Tarot, wo ja zweimal als Quintessenz der Tod auftauchte, ist es folgendermaßen: Um die Quintessenz zu berechnen, berechnet man die Summe aller Kartenwerte, und – falls die Zahl außerhalb des Deutungsspektrums liegt – nimmt dann die Quersumme. Der Tod kam raus, weil die Quintessenz 13 war.
Weil man aus der 13 erneut eine Quersumme ziehen kann (wie aus allen zweistelligen Ergebnissen), ist mit dem Tod eine andere Karte eng verbunden. Der Herrscher.

Der Herrscher steht für Handlungsfähigkeit und Struktur, für Ordnung und Klarheit. Denn auf jeden Tod folgt eine Neuordnung, und sie beginnt momentan.

Die Themen, die mich begleiten, und die integriert sein wollen, sind vielfältig, und tatsächlich muss ich mich ein bisschen an die kurze Leine nehmen, um nicht vor ihnen wegzulaufen. Das Thema Schuld spielt eine große Rolle, warum ich soviel Verantwortung für andere übernehmen will, und was ich den Menschen damit antue (weil ich sie entmündige). Dabei ist vor allem der Einfluss meiner Eltern interessant, die sich im Schlechten getrennt haben und das nie wieder bearbeitet haben.

Sexualität ist ein weiteres Thema, was mir zu knacken gibt. Schönheit und warum sie mir so wichtig ist, Lust erleben und Kontrolle abgeben, Haut wollen aber vor Sex zurückschrecken… Ohne das hier detailliert behandeln zu wollen, sei gesagt: Das fiel mir alles nicht so einfach in der Beziehung zu Cullawine, und mir war nicht klar, wieviel ungepflügte harte Erde da ist.

Insgesamt habe ich das Gefühl, es geht jetzt mehr ums Eingemachte. Bislang war das Blog konzeptuell, war kühl und mit Abstand. Diese neuen Dinge aber sind massiv und fundamental Teil von mir. Ich habe noch nicht entschieden, wie sehr ich gewillt bin, das hier im Blog zu öffnen. Einerseits, weil es öffentlich ist und ich selbst keine Blogs mit Seelenstriptease mage, und andererseits auch, weil ich durch Text eher wieder Gefahr laufe, konzeptuell zu werden, und das ist genau wider die Idee.

Phrasenhafte Selbstermahnungen von “Sei mehr bei dir” und “Steh zu deinen Gefühlen” reichen nicht aus, um das zu fassen, was geschieht. Manchmal stehe ich selber vor mir und wundere mich, was da so alles abgeht. Oft mache ich dann lieber den Rechner oder die Xbox an, weil es mir etwas groß erscheint.

Und doch will ich da hinschauen. Weil ich es bin, den ich da sehe.

Mr Review sorgt sich, das finde ich nett, und so komme ich seiner Bitte nach und melde mich nochmal. Tatsächlich fällt die Bitte in eine Phase, in der ich von mir selber sage: Es hat sich was getan.

Cullawine und ich hatten in der Zwischenzeit noch mal ein Gespräch, in dem deutlich wurde: Hier ist etwas kaputtgegangen. Vorher, als wir innerhalb der WG täglich miteinander umgehen mussten, war für diese Erkenntnis kein Raum, da war das “Es ist schwer” sehr im Vordergrund. Nach diesem Gespräch war, das traurig war, aber auch fair und ehrlich, wollten wir uns erstmal nicht sehen. Was folgte, war bei mir erstmal eine Weile Trauer und Hilflosigkeit. Es ist ja leider nicht so, als wäre die Entscheidung gegen die Beziehung so eindeutig in mir gewesen, wie ich sie habe durchziehen müssen. Denn die schlechten Sachen, die ich loszuwerden hoffte (Schuld, Enge, Kopfkino, Erwartungen), gingen natürlich einher mit vielen guten Dingen. Nähe, gemeinsamer Alltag, und schlicht und einfach: Sie. Sie fehlt mir immer noch. Zwar glaube ich auch, dass ich mich richtig entschieden habe – zu einer Beziehung gehört einfach doch auch Übereinstimmung in den Vorstellungen, und nicht nur Liebe, aber natürlich blieb eine Trauer.

Danach kam eine große Ablenkung, eine Art Urlaub von dieser Trauer. Ich hatte vermutlich schlicht keine Kraft mehr, mich weiter damit zu beschäftigen, und – aus den Augen, aus dem Sinn – Cullawine war innerlich weiter weg.

Irgendwann kommt man sich bei sowas aber selbst auf die Schliche, und stellt fest: Man lenkt sich von sich selber ab. Seit einigen Tagen sind die Gedanken an Cullawine wieder öfter da, aber durchaus ein bisschen verändert. Anstatt “Wie komm ich wieder klar?” ist da wieder mehr Platz für ein “Wie kommen wir wieder klar?”.

Ich habe in der Zwischenzeit begonnen, morgens eine Meditation zu machen (ein Freund von mir konnte mich darin anleiten), weil ich das Gefühl hatte, bestimmte Gedanken und Gefühle viel zu schnell durch die Kopfmaschine zu schicken. Aus einem “Ich vermisse Cullawine” wurde unmittelbar ein undurchdringliches Gewirr von “Liebe ich sie noch?”, “War es falsch die Beziehuung zu beenden, hätten wir es schaffen können?”, “Stopp, J., geh nicht dorthin zurück, du machst dich unfrei”, “J., du kannst nicht immer so hin und her, du tust ihr damit weh” und was weiß ich nicht alles.
Die Meditation erschien mir als gute Übung, um Gefühle und Gedanken erstmal zu haben, bevor man sie analysiert.

Das ist natürlich ein Weg, vermutlich eher ein langer als ein kurzer, und in den Überlegungen, wieder Kontakt aufzunehmen, gehen die Gedankenketten schon wieder eher los. Aber immerhin ist wieder Raum für diese Überlegungen, der Schutzwall wird langsam weggeschaufelt, und ich bin ja ausgebildet, kleine Veränderungen wahrzunehmen.

Ich glaube, ich weiß sogar, was ich bräuchte, damit es weitergeht (und wie ich soeben lese, wenn ich den Beitrag hier drunter anschaue, wusste ich es auch Anfang April schon): Mehr zu mir stehen. Sicherer sein, dass ich okay bin, dass mein Weg okay ist, dass meine Liebe zu Cullawine okay ist aber eben auch meine Entscheidung, keine Beziehung mit ihr führen zu wollen.
In meiner Vorstellung sehe ich uns irgendwann miteinander reden, und beide stabil sein. Wenn sie weint, will ich mit ihr fühlen, aber keine Schuldgefühle haben. Wenn ich weine, will ich das tun können, ohne Rationalität und Gedanken über Berechtigung, zu weinen.

Noch bin ich nicht da, das merke ich, aber immerhin – die Schuldgefühle nehmen ab, ich traue mich wieder öfter, meine Gefühle zu haben und manchmal sogar, stolz darauf zu sein. There is a path.

Ich hoffe und wünsche sehr, dass bei Cullawine auch gute Dinge geschehen. Auch darum wächst das Bedürfnis, von ihr zu hören, denn ich fände es so schön, wenn es ihr besser ginge. Ich hab sie immer am meisten geliebt, wenn sie stark war.

Jetzt, wo die Trennung und der Auszug geschehen sind, kümmere ich mich mehr um mich. Nach wie vor bin ich zwar froh, dass Cullawine und ich in Kontakt bleiben, wir einen gemeinsamen Umgang suchen, aber ich stelle auch immer mehr fest, was bei mir so alles passiert ist, und dass ich mich darum kümmern muss und möchte.

Das vorrangigste und schlimmste: Dinge, die mich ausmachen, sind aufgeladen mit Schuld und dem Gefühl, sie wären falsch. Solche Setups machen einen ganz schnell psychisch krank, also schnell da ran.

Vorweg: Ich werfe Cullawine nichts vor. Auch sie kann nicht aus ihrer Haut, und ich habe mich selber entschieden, ihre Erwartungen zu erfüllen zu versuchen. Aber jetzt stehe ich da und will da raus.
Immer noch meldet sich ein schlechtes Gewissen, wenn ich Menschen nah komme, sowohl körperlich wie seelisch. Die Hemmung sitzt tief.
Es kommt der Impuls, jemanden zu küssen, einfach flüchtig auf die Wange, weil es ein schöner Moment ist und Liebe in mir ist, und das schlechte Gewissen kommt mit. Es sind Gedanken von Vergleich (“Darf ich hier lieben, wenn es mir bei Cullawine nicht gelungen ist?”) und Schuld (“Wenn Cullawine das wüsste, wäre sie verletzt”), die sofort wachwerden, und ich will sie nicht haben.
Ich will sie nicht haben, weil ich die Liebe in mir für etwas Gutes halte, so pathetisch das klingt. Ich will sie äußern können, will sie leben können. Ich lese von Mehrfachbeziehungen von Liebe ohne Eifersucht, davon, dass Menschen ganz (wirklich ganz) sie selbst sein können, und mein Herz geht mir auf. Das ist mein Weg.

Ich muss ihn jetzt freischaufeln. Sein, wer man ist. Zu dem stehen, was man will. 2008 wird das Jahr sein (hoffe ich), in dem ich Entscheidungen treffe, die mich näher zu mir führen. Immer wieder überlege ich, treuer zu mir zu stehen. Das würde vor allem bedeuten, mich mehr mit Gleichgesinnten zu umgeben. Es strengt so an, immer wieder anders zu sein, die eigenen Gefühle nie in einer Normalität aufgehoben zu fühlen. Kein Wunder, dass sich bestimmte Dinge falsch anfühlen…

Viel geschieht, und ich werde immer wieder zurückgeworfen auf die Themen, die Ansichten und Einsichten, deren Erarbeitung hier im Blog dokumentiert ist.
Einige Unterscheidungen werden mir immer klarer, und das ist gut: Beziehung ist nicht Liebe, herrschaftsfreie Liebe hat nicht unbedingt mit Polyamory zu tun, und Verantwortung ist nicht Schuld.

Gerade letzteres gibt mir Nüsse zu knacken. In der Beziehung zu Cullawine war ich oft mit Schuld konfrontiert – nicht, weil sie mir Dinge vorwarf, sondern weil sie unter Dingen litt, die mir wichtig waren, die wichtig sind, um ich zu sein. Das macht einen Doublebind auf, denn plötzlich sind diese Dinge sowohl gut (weil: Ausdruck meines Selbst) wie schlecht (weil: Verletzung für sie). Ich vermute, dass für sie ein ähnlicher Doublebind bestand, weil ihre Verunsicherung (als Ausdruck ihres Selbst) war zugleich Gewalt gegen mich (weil ich mich einschränkte). So waren wir beide füreinander Belastung, sobald wir wir selbst waren.
Irgendwie glaube ich, dass es da etwas zu lernen gibt. Sich frei von Schuld zu machen, was einhergehen könnte mit dem Versuch Cullawines, sich freier von Erwartungen zu machen, denn Schuld empfand ich in den Momenten, in denen ich ihre Erwartungen nicht erfüllte. Aber wir haben es lange probiert, und sind immer wieder vor die Mauern gelaufen, die um die notwendige Erkenntnis errichtet sind, und auch vor jene, die der andere um sein Ich errichtet, teils zu recht (weil man zu sich stehen muss), teil sicher auch zu unrecht (weil nicht jedes Eindringen ein Angriff ist).
Da ich das nicht mehr ausgehalten habe, und weil ich nicht sah, was wir noch hätten tun können, habe ich kapituliert, und spüre jetzt deutlich:
Liebe ist nicht Beziehung. Ohne die Schwierigkeiten, die in der Beziehung so groß waren, ist mein Zugang zu meiner Liebe für Cullawine jetzt offen, und ich kann spüren: Ich liebe sie.

Mit einem gewissen Abstand ist es schön, das spüren zu können, und frei von Bitterkeit und Ärger sein zu können. Ohne diesen Abstand ist die Paradoxie fast nicht zu ertragen, dass die Liebe nur Raum hat, wenn wir keine Beziehung haben.

Aber eines bleibt wohl wahr: Zu sich zu stehen, auf sein Gefühl zu vertrauen, und nach dem Glück zu streben, ist die einzige Chance, die man hat, auch wenn das Dinge verbaut und andere Dinge zerstört, auch wenn man sich selbst weh tut und anderen.