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Gelegentlich, eigentlich sogar oft, teilte ich aufregende Nächte mit Menschen, und aus irgendwelchen Gründen gab es Beschränkungen: Ich war in einer Beziehung. Sie war in einer Beziehung. Oder einer von uns war gerade sehr mit sich selbst beschäftigt. Wir waren befreundet. Wir wohnten zusammen. Ganz oft ist irgendwas, wodurch man nicht gänzlich frei ist.

Vorhin fiel mir auf: Es ist weder oft noch gelegentlich, es ist ausnahmslos. Sex unterliegt Beschränkungen, oder besser: Wir legen unserem Sex Beschränkungen auf.

Ich musste daran denken, wie ich nach meinem Studium sehr bewusst entschieden habe: Ab jetzt wird nicht mehr nur “der nächste Schritt” im Lebensllauf abgehakt, jetzt guck ich mal gerade, was ich will. Nicht “nach dem Zivi/ dem Diplom/ der Probezeit bin ich endlich frei” sondern: “Ich bin frei. Genau jetzt.” Aus diesem Geist heraus habe ich mich selbständig gemacht, was viele tollkühn bis dumm fanden, und es war eine der besten Sachen, die ich je gemacht habe.

Beim Sex, ahne ich, wird etwas ähnliches stattfinden. Nicht “bald mal jemand ohne Beziehung/ ohne Komplexe/ wo ich mich sicherer fühle”, sondern “Ich bin frei. Genau jetzt”. Diese ganzen Beschränkungen sind Einengung, Unsicherheit, sind lauter Kram, der einem eben das Leben schwer macht.

Jetzt nur noch trauen.

In letzter Zeit verdrießt mich des öfteren mein Liebesleben. Und mein Sexleben. Bin insgesamt recht verdrossen.
Dann erzählen mir Freunde und Menschen, bei denen ich gern hätte, dass sie meine Freunde wären, von ihren Sexabenteuern, von One Night Stands, von Dreiern, vom Knutschen im Hausflur und vom quietschenden Bett, und mein Neid zieht sich die Feinrippunterwäsche an und verweigert die Zärtlichkeit.

“Nix is, alles scheiße. Will auch”, denkt es dann, das Neid, “Orgasmen, jajaja” und derlei unflätiges Zeug. Ja, das denkt es dann in mir. Dann werde ich still und quittiere die Erzählungen einsilbig, soso, aha, Hände auf Haut, hm-hm, weil ich schlecht reden kann, wenn das Neid so laut herummäkelt.
Irgendwann dann stellt sich mein Gehirn an und wundert sich. J., wieso bist du so still, es ist ja das alte Neid! Sei nicht blöd, Neid ist ein Arschloch, sofort aufgehört.

Das Neid hat leider einen mächtigen Motor, nämlich das Ego. Deshalb ist das nicht so leicht mit dem “aufgehört”. Der Motor hat so viel Power, der treibt alles Mögliche an. Machtstreben. Liebeskummer. Sex halt auch. Whrummmm.

Und mir fiel auf: Ich will gar keinen Sex. Ich will noch nichtmal, das war meine zweite Hypothese, Liebe. Erstens krieg ich viel, und zweitens kann man die gar nicht kriegen, sondern nur fühlen, und das ist immer noch Privatsache. Ihr wisst schon, Own you Feelings.
Eigentlich braucht mein Ego gerade ein bisschen Aufwertung. Das ärgert mich zwar, weil ich ja gern unabhängig bin, aber was hilft es, es fühlt sich grade nicht so wohlauf und schickt seine Vorhut: Neid und Liebeskummer, Verzweiflung und Geilheit. Alle auf der Suche, Dinge abzuwehren, die das Ego bedrohen, und den heiligen Gral voller Selbstwert zu entdecken.
“Aha, Disco, hier, Beutebeutebeute!”, “Aufgepasst, gute Sexgeschichte, schnell die Tür zu!”.

Interessanterweise tut es gut, das zu wissen, und noch besser, das mit Paikja bereden zu können. Denn, und das ist das Wichtige, dem Ego hilft man anders. Zwar kann man die Symptome bedoktern, kann versuchen, sich neidlos zu freuen für guten Sex, kann versuchen, den Liebeskummer zu bedienen, auf dass er sich besser benimmt, aber im Grunde steht irgendwo im Hintergrund die Selbstliebe, der alte Affe Ego.

Dem Ego eine Banane geben. Oder Nüsse.

Großteil einer männlichen Emanzipation muss ein neues Selbstverständnis sein. Niemand wird den Männern neue Rollen zugestehen, wenn sie keine wollen, niemand wird die Männer respektieren, wenn sie sich nicht selbst respektieren.
Aus diesem Grund kann sich eine männliche Emanzipation nicht an der weiblichen orientieren, können neue Männer nicht das machen, was neue Frauen machen. Kind & Karriere ist kein valides Ziel mehr (wohl ein valider Lebensweg, dank der weiblichen Emanzipation).

Männer müssen eigene Wege gehen. Ganz klar. Ich sage ja oft: Es geht nicht darum, dass Männer endlich weinen können, es geht darum, dass Männer ihre Rollen frei wählen können.

Ein wichtiger Punkt daran ist, Sexismus gegen Männer zu erkennen. Ich werde oft belächelt, wenn ich das sage. Neulich beim Essen berichteten Freundinnen von mir, dass sie Einladungen zum Kaffee nur ungern annehmen, weil sie befürchten, der Mann wolle Sex. Nur Sex. Im Einzelfall mag das Intuition sein, Bauchgefühl, aber als gesellschaftliche Struktur ist es Sexismus gegen Männer. Aufgrund des Geschlechts wird meine Absicht, einen Kaffee zu trinken, aufgeladen. Das ist so, als wenn man Frauen, die Sex wollen, immer unterstellt, sie wollten einem ein Kind unterjubeln. Oder Frauen, die Nein sagen, unterstellt, sie meinten eigentlich Ja. Das mag im Einzelfall stimmen, aber es sollte keine Regel sein.

Problematisch daran ist, dass Männer tatsächlich oft Sex wollen. Nur Sex?
Nein, das eben gerade nicht. Wenn ich so überlege, welche Frauen ich im letzten Jahr gefragt habe, ob wir mal einen Kaffee trinken wollen, dann stelle ich fest: Alle sexy. Alle schlau. Alle begehrenswert und interessant, und sicher hatten sie auch schöne weiche Haut. Dennoch wollte ich einen Kaffee. Wollte näher kennenlernen und mal sehen, wollte einen netten Nachmittag.
How is that wrong?

Das ist nämlich der zweite große Punkt: Warum ist es eigentlich schlecht, Sex zu wollen? Oder, jemanden sexy zu finden?
Ich sage euch warum. Weil darin mitschwingt, man wolle nur den Sex. Man fände jemanden nur sexy.

Aber das ist Sexismus. Lasst den Männern ihr Gefallen an den Frauen, es tut nicht weh. Wir sind so. Wir gehen durch die Stadt und sehen Schönheit, Schönheit, Schönheit, und Sex ist für uns einfach eine feine Sache (übrigens natürlich auch nicht für alle – ich selbst bin da gar nicht so scharf auf Penetration, aber ich spreche mal über Trends).

Darum erstens: Männer können sexy finden, und trotzdem erstmal reden wollen (immerhin können Männer auch denken, während sie einen Ständer haben).
Und zweitens: Sex gut zu finden, ist eine ziemlich gute Idee. Sexpositivismus ist eine wunderbare Sache, Körperbejahung sollte einziehen. Nicht nur Körper. Aber Sex ist nichts Schlechtes. Die puritanischen und katholischen Lehren sind Lügen.

Und das kann man von Männern lernen. Und natürlich müssen Männer auch genau das erstmal lernen, sich selbst gegenüber eingestehen und klar kriegen, um eine männliche Emanzipation auf die Beine zu stellen. Weil es nämlich eine Stärke ist.