Der Freund einer Freundin erschien mir in den letzten Tagen ziemlich besitzergreifend von ihr. Auf der einen Seite spiele ich das Spiel mit, weil ich, genau wie er, Angst habe, weniger von ihr zu haben.
Auf der anderen Seite ärgere ich mich darüber, weil wir überhaupt nicht in Konkurrenz stehen. Das will ich auch gar nicht, ich mag ihn auch gern. Es ist doch unabhängig… Nichts was ich mit ihr habe berührt auf einer emotionellen Ebene das, was er mit ihr hat, und andersrum. Allein auf einer zeitlichen Ebene konkurriert man, weil die Woche nunmal nur 7 Tage hat, aber sonst nicht.
Weil genug Liebe da ist.
Aber gut, er scheint das anders zu sehen. Oder vielmehr sehe ich es wohl anders. Das strengt mich an, und er ist dabei nur Symbol. Weil ich niemanden kenne, der es so sieht wie ich.
Gestern Abend habe ich wieder im Luhmann gelesen, der einen Bedarf postuliert, einen Bedarf nach dem Medium Liebe. Das Medium Liebe dient der Reduzierung von Unwahrscheinlichkeit – die Liebe macht laut Luhmann also wahrscheinlicher, was selten ist (nämlich Zweisamkeit und so).
Im Weiteren schreibt er über diesen Bedarf nach Liebe:
Dieser Bedarf ist klar, wenn man vorraussetzen kann, dass die Differenz von [...] intimen und unpersönlichen [...] Sozialbeziehungen bewusst und geläufig ist.
Wenn also die Unterscheidung von Bekanntschaft und Beziehung in den Köpfen präsent ist, es somit einen “erfahrbaren Unterschied” gibt.
Die Differenzerfahrung stabilisiert den Bedarf und reproduziert die Suche nach geeigneten Formen der Kommunikation.
Weil ich also um den Unterschied weiß, ist Liebe erstrebenswert. Sowas Ähnliches schrieb ich schonmal bei “Eine wie keine“). Und weil ich es distinkt anstrebe, festige ich wieder den Unterschied. Der Bedarf bedingt den Unterschied, der Unterschied bedingt den Bedarf.
Jetzt sehe ich, offenbar im Gegensatz zu vielen Leuten, wie zum Beispiel eben auch dem Freund der Freundin, diesen Unterschied nicht mehr so klar. Ich bin kurz verliebt, wenn sie sich in der Musik verliert, und bin froh darum. Ich verliebe mich in das Schulterwippen des Mädchens neben mir. In den Mund ihres Freunds. Sogar stellvertretend, wenn ich eine Freundin der Wahlschwester treffe, und jene mir berichtet, wie letztere am Telefon ein bisschen litt, und das Geräusch nachmacht, das ich so kenne.
Offenkundig bin ich da also anders. Der Zirkelschluss von oben stimmt nicht mehr für mich, eine “normale” Beziehung interessiert mich nicht. Ich bin raus.
Es gibt in dieser Gesellschaft keine Normen für sowas. Es gibt noch nichtmal Worte für die vielen Dinge zwischen Freundschaft und Beziehung. Um auch nur annähernd zu erklären, was ich meine, muss ich ein Blog schreiben, muss hie und da erläutern, und muss mir dennoch dumme Sprüche anhören, dass ich mich erstmal “richtig”verlieben solle, dass ich einfach Angst hätte, mich fallen zu lassen. Die Gesellschaft will sich selbst erhalten, und Devianz wird nicht gern gesehen.
Und deshalb spüre ich momentan stark den Wunsch nach Kapitulation. Einfach wieder mitmachen.
“Ich ergebe mich. Ich will heiraten und ein Haus bauen”.
Aber das stimmt nicht. Und es gibt auch keinen Weg zurück. Dennoch will ich diesem Aspekt in mir Raum geben.
Um meiner Kapitulation vor der Devianz, meinem wahrgenommenen Ausschluss und meiner Unzufriedenheit mit dem Mangel an Worten Ausdruck zu verleihen, werde ich morgen schweigen.
Ich werde einen Zettel mitnehmen, der den Menschen eben jenes kommuniziert, aber das wars dann auch. Ich werde nicht sprechen, werde keine Gebärdensprache machen, nicht telephonieren, nicht chatten, und e-mails werden auch nicht geschrieben.
Ich werde zuhören, wenn mir danach ist.
Morgen früh fange ich an, und dann wird bis zum nächsten Aufwachen geschwiegen.
Wer mich besuchen will, um mitzumachen, ist herzlich eingeladen. Bitte ruft nicht vorher an.