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Ich kam mit Ava an einen Punkt, den ich so oder ähnlich schon kannte, und diesmal kann ich ihn besser benennen: Es ist der Punkt, an dem alles mit der Beziehung zu tun hat. Es ist die Meta-Falle.

Ich brauche Zeit für mich, und das hat dann mit der Beziehung zu tun. Ich habe viel zu tun, und das hat dann mit der Beziehung zu tun. Ich hab einfach mal keinen Bock, Ava zu sehen, und das hat dann mit der Beziehung zu tun.
Es gibt dann kein “außerhalb” mehr. Selbst wenn ich mich dann kurz einfach mal auf mich konzentrieren will, um EINMAL wenigstens frei zu haben davon, dass alles immer mit der Beziehung zu tun hat, dann… hat selbst das wieder damit zu tun.

Das ist enorm tückisch (und, für’s Protokoll: Nicht Ava macht diese Falle auf, die ist in der Sache angelegt). Man kommt da schlecht raus, weil jedes “raus” sich wiederbeziehen lässt, und schon ist es wieder ein “rein”. Ein bisschen, als würde man die ganze Zeit krampfhaft versuchen, nicht an den blauen Elefanten zu denken. Oh Mist. Jetzt aber, jetzt denk ich nicht an den blauen Elefanten.

It can’t be done. Und diese Meta-Ebene macht einem die ganze schöne Begegnung kaputt, weil es nicht mehr möglich ist, dass ich von mir und sie von sich erzählt und wir zwei Menschen sind, nein, wir reden immer von uns. Alles was ich von mir erzähle, hat ja dann mit uns zu tun. “Ich war spazieren, ich dachte das tut mir gut”, “Ich will zurück bei mir ankommen”, alles Botschaften von der Meta-Ebene.

Ich bin einigermaßen wieder rausgekommen. Ich wusste recht früh: Das ist Unfug, was ich da mache, es wird nicht verlangt und nervt, und ich wusste auch: Man kann nichts einfach lassen, sondern muss etwas stattdessen tun. Und ich wusste sogar, dass dieses stattdessen irgendwie damit zu tun haben müsste, ganz bei mir zu sein, sodass da wieder zwei Menschen sind, die sich begegnen können, aber da hat’s dann gehakt (weil sich alles, was ich “für mich” gemacht habe, so angefühlt hat, als würde ich es irgendwie “für uns für mich” tun, also als würde ich es für mich tun, damit es uns hilft).

Aber ich kenne einen guten Homöopathen, und genau solche Knoten, solche Perpetuum Mobiles der Selbstzerfleischung, kann man da gut einmal auflösen um wieder klar zu sehen. Das war knapp. Nächstes Mal möchte ich da früher richtig abbiegen. Mal sehen.

Wir wählen unsere Interpretation der Welt. Wir sind es, die entscheiden, was uns geschieht. Das ist nichtmal besonders esoterisch gemeint, sondern ganz handfest: Welche Brille wir aufhaben, um die Welt zu betrachten, ist unser Bier.

Manche dieser Brillen tragen wir schon ganz schön lange, und es ist schwer, sie abzunehmen. Es ist sogar schwer festzustellen, dass es überhaupt eine Brille ist und nicht die Wahrheit.

Ein neues Wort, das ich für diese Brillen, die Interpretationen gelernt habe, lautet “Kontext”.

Der Kontext, in dem ich mein Leben interpretiere, das ist in den letzten Artikeln hier schon deutlich geworden, ist in weiten Teilen einer von “Ich muss geben, damit ich geliebt werde”. Leg dich ins Zeug, J., sei wer verlangt wird. Tu was gerade gut wäre. Es geht um einiges, es geht um Anerkennung.
So ein Kontext ist autopoietisch, er erhält sich selbst aufrecht. Wenn ich erstmal alles durch die kackbraune Brille sehe, ist alles was ich sehe Beweis dafür, dass die Welt nunmal kackbraun ist.

Mit einer Freundin war es vor geraumer Zeit mal spannend. Es gab ein paar Berührungen, eine Suche nach Haut, und am Ende das Bekenntnis, dass wir am liebsten nackt miteinander im Bett lägen. Was aber nicht ging, ihre Beziehung ist (noch) geschlossen. Vor kurzem habe ich herausgefunden, dass sie im Anschluss an diesen aufregenden Abend etwas frappiert davon war, dass ich so wenig Anstalten machte, daran anzuknüpfen. Sie fühlte sich abgewiesen und blockte mich ganz ab, was wiederum dazu führte, dass ich mich abgewiesen fühlte.

Neben der Tatsache, dass das schon ganz richtig von mir war, da keine Anknüpfungsanstalten zu machen, weil ich da nicht die Beziehung zerrütten wollte, steckt allerdings auch der Kontext darin: Ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie für meine Ambitionen offen gewesen wäre, dass die Zeit mit mir es wert gewesen wäre, ihre Beziehung zu gefährden. Sowas fällt mir im Traum nicht ein.

Und zynischerweise wird dadurch der Kontext reproduziert: Durch mein aus dem Kontext motiviertes Verhalten (weil ich mir nicht vorstellen kann, dass sie Bock auf mich hätte, halte ich mich zurück), entsteht eine Situation, die den Kontext erneut bestätigt (weil sie sich zurückzieht, beweist sie, dass sie keinen Bock auf mich hat).

Besagte Freundin sagte den schlauen Satz zu mir, dass ich immer wieder solche Erlebnisse haben würde, solange ich meinen Kontext nicht ändern würde. Die Herstellung eines neuen Kontextes sei gefragt – nicht (nur) die Aufarbeitung des alten.

Und tatsächlich, seit ich versuche, die Brille zu wechseln, und mich vor mir selbst neu definiere, geschehen mir neue Dinge. Und dieser neue Kontext verstärkt sich ebenso selbst wie der alte: Wenn ich erstmal davon ausgehe, dass Menschen mich lieben, einfach so, dann ist jeder Anruf, der mich erreicht, Beweis dafür, jeder zweideutige Blick bestätigt mich in meiner Männlichkeit, jedes anvertraute Wort macht mir klar, dass ich wichtig bin für meine Liebsten.

Tipptopp.

Eifersucht ist dummerweise real. Sie ist zwar nur ein Gewand für Selbstzweifel, Verlassensängste und Neid, aber dennoch sehr real. Man kann sie spüren, und sie nervt. Gerade erlebe ich selber hin und wieder Eifersucht gegenüber Kira, in die ich verliebt bin, und dadurch wächst mein Verständnis für andere Menschen, die eifersüchtig sind.

Gestern im Park mit einem Freund erzählte er davon, dass seine Freundin eifersüchtig wäre auf zwei Begegnungen mit wunderbaren Frauen, die er erlebte, und sie fragte ihn danach, was diese Begegnungen im bedeuten würden.

Ich hasse diese Frage. Die erwartete Antwort ist nämlich: “Gar nichts, Liebling, die Bedeutung ist, besonders im Vergleich zu deiner Bedeutung, absolut nichtig.”

Aber das stimmt nicht, und es ist eine Schande, es so beschreiben zu müssen. Solche Begegnungen sind nämlich heilige Momente, in denen es einem gelingt, sich zu öffnen, mehr die Person zu sein, als die man sich fühlt, es ist ein Treffen zweier Seelen, die miteinander in Schwingung gehen, es macht das Leben intensiv und schön, kurz: Es ist der totale Hammer.

Aber wie gesagt, mein Verständnis für Eifersucht wächst, denn die Frage “Was bedeutet dir diese Frau?” ist ein Code, und die tatsächlich dahinter steckende Frage ist: Was bedeute ICH dir? Es ist ein Missverständnis, wenn man stattdessen auf die gestellte Frage antwortet und sich gezwungen sieht, diese traumhaften Begegnungen herunterzuspielen (und damit die eigene Erfahrung ärmer zu machen).

Vielleicht kennt ihr Situationen, in denen ihr eifersüchtig wart und euch von einer anderen Person bedroht fühltet, und vielleicht habt ihr gefragt, was diese Person bedeutet. Wenn ich erneut in die Situationen gehe, in denen ich das erlebt und gefragt habe, stelle ich ganz klar fest: Linderung brachte immer nur die Antwort auf die Frage: “Was bedeute ich ihr?.

Mit dieser Erkenntnis einher geht für mich eine weitere Einsicht in die Natur von Beziehungen, gerade auch bei in die Natur von offenen Beziehungen, Mehrfachbeziehungen: Eine Beziehung wird zur Beziehung, weil ich mich bemühe, die Bedeutung meines Partners (bzw. meiner Partner) spürbar für ihn (oder sie) zu machen. Das ist meine Verantwortung. Bei allen wunderbaren Erlebnissen, die ich habe, bei allen Bedürfnissen nach Freiheit und der Möglichkeit, meinen Impulsen zu folgen, bleibt das die grundlegende Verantwortung: Emotional beim Partner bleiben (oder zurückkommen), sich selbst und ihm die Bedeutung klarmachen, die er für mein Leben hat.