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Cullawine hat mir in unserem Trennungsgespräch ans Herz gelegt, die Themen, die mir in der Beziehung begegnet sind, nicht einfach ad acta zu legen, und ich halte das für einen guten Rat. Die Impulse, die unsere Beziehung in mein Leben gegeben hat, sind groß und rühren wichtige Dinge an.

Im Tarot, wo ja zweimal als Quintessenz der Tod auftauchte, ist es folgendermaßen: Um die Quintessenz zu berechnen, berechnet man die Summe aller Kartenwerte, und – falls die Zahl außerhalb des Deutungsspektrums liegt – nimmt dann die Quersumme. Der Tod kam raus, weil die Quintessenz 13 war.
Weil man aus der 13 erneut eine Quersumme ziehen kann (wie aus allen zweistelligen Ergebnissen), ist mit dem Tod eine andere Karte eng verbunden. Der Herrscher.

Der Herrscher steht für Handlungsfähigkeit und Struktur, für Ordnung und Klarheit. Denn auf jeden Tod folgt eine Neuordnung, und sie beginnt momentan.

Die Themen, die mich begleiten, und die integriert sein wollen, sind vielfältig, und tatsächlich muss ich mich ein bisschen an die kurze Leine nehmen, um nicht vor ihnen wegzulaufen. Das Thema Schuld spielt eine große Rolle, warum ich soviel Verantwortung für andere übernehmen will, und was ich den Menschen damit antue (weil ich sie entmündige). Dabei ist vor allem der Einfluss meiner Eltern interessant, die sich im Schlechten getrennt haben und das nie wieder bearbeitet haben.

Sexualität ist ein weiteres Thema, was mir zu knacken gibt. Schönheit und warum sie mir so wichtig ist, Lust erleben und Kontrolle abgeben, Haut wollen aber vor Sex zurückschrecken… Ohne das hier detailliert behandeln zu wollen, sei gesagt: Das fiel mir alles nicht so einfach in der Beziehung zu Cullawine, und mir war nicht klar, wieviel ungepflügte harte Erde da ist.

Insgesamt habe ich das Gefühl, es geht jetzt mehr ums Eingemachte. Bislang war das Blog konzeptuell, war kühl und mit Abstand. Diese neuen Dinge aber sind massiv und fundamental Teil von mir. Ich habe noch nicht entschieden, wie sehr ich gewillt bin, das hier im Blog zu öffnen. Einerseits, weil es öffentlich ist und ich selbst keine Blogs mit Seelenstriptease mage, und andererseits auch, weil ich durch Text eher wieder Gefahr laufe, konzeptuell zu werden, und das ist genau wider die Idee.

Phrasenhafte Selbstermahnungen von “Sei mehr bei dir” und “Steh zu deinen Gefühlen” reichen nicht aus, um das zu fassen, was geschieht. Manchmal stehe ich selber vor mir und wundere mich, was da so alles abgeht. Oft mache ich dann lieber den Rechner oder die Xbox an, weil es mir etwas groß erscheint.

Und doch will ich da hinschauen. Weil ich es bin, den ich da sehe.

Schon mein zweiter Eintrag beschäftigte sich mit Freiheit und Einsamkeit.
Gestern bekam ich von 3und20 folgende Bitte geschickt:

wenn du irgendwann das rezept findest, wie man freiheit und unabhängigkeit kocht, ohne dass es nach einsamkeit schmeckt, gib mir bitte bescheid ;-)
das suche ich schon sooo lange.

Ich dachte ein bisschen nach, immerhin ist das ja bei mir auch selber Thema, dass ich mich oft von Menschen befreie, um dann einige Zeit später zu merken, dass das a) nicht so ganz fair war, ich vielleicht Leute verletzt habe, und zu sehr bei mir bin, und dass das b) durchaus dazu führen kann, dass man sich dann einsam fühlt.
Hier ist was ich ihr schrieb:

Ich glaube, man muss das Alleinsein umarmen.

Mir hat immer sehr geholfen, das ich irgendwann erkannt habe, dass der Mensch einfach allein ist. Und das ist nicht schlimm oder pessimistisch gemeint, sondern sehr hinnehmend.
Nichts, aber auch gar nichts, kann die Getrenntheit von meiner Seele und (bspw) deiner Seele aufheben. Meine ist irgendwie in mir drin, und es ist schon schwierig, die Haut zu durchdringen (meiner Meinung nach ist ein Aspekt von Sex, dass er das eben fast ermöglicht, dieses ineinander dringen, dieses “immer noch näher wollen”. Und was für die Haut eigentlich schon nicht klappt, klappt für die Seele noch viel weniger.
Und wenn man eh allein ist, und Menschen immer nur berühren kann, immer nur streifen, aber man grundsätzlich nur für sich ist, dann ist Einsamkeit nur noch ein Gespinst, ein schwarz gefärbtes Kleid fürs Alleinsein. Aber das Alleinsein kennt man schon, und wie das so ist, mit guten Freunden und alten Bekannten: Man erkennt sie trotz der neuen Klotten.
Und Schwarz steht ihm ja so gar nicht…

Also: Ich hab mich mit dem Alleinsein angefreundet, es ist nett und hat immer Zeit. Manchmal muss ich auch was anderes machen, aber eigentlich läuft es ganz gut. Heiraten will ich es trotzdem nicht.

Vor schon ganz lange habe ich mal ein Gedicht geschrieben, damals, weil ich unzufrieden war, keine Freundin zu haben. Heute hat es eine ganz andere Bedeutung für mich, oder einen anderen Anwendungsbereich.
Damals war es bitter gemeint, heute kann ich es sehr gelassen verstehen.

Erdbeereis
Die Menschen sind ein seltsamer Verein:
Sie laufen, denn sie haben Angst, allein zu sein,
sie laufen immer schneller bis sie endlich das erreichen,
was sie gesucht, doch das muss der Erkenntnis weichen,
dass jede Ruhe eine kleine Pause nur
ist, mit dem Blick auf eine Uhr,
deren zwei Zeiger schneller als sie dachten
die schönsten Stunden schnell wieder vergessen machen.

Sie denken, sie entflöhen dieser Hetze,
sie trauen sich und wagen große Sätze,
und hechten doch von Einsamkeit zu Einsamkeit
und suchen nur, das Blut, das ihnen durch die Adern treibt,
für eine kleine Weile zu erwärmen.

Sie alle suchen es und finden sich in Schwärmen,
und laufen den Phantomen hinterher,
von denen letztlich jeder weiß,
dass sie so schwer
zu finden sind wie in der Wüste Erdbeereis.

Ich mache jetzt ein Praktikum bei einem Psychotherapeuten, und merke etwas Schönes. Ich dachte, Psychotherapeut sein wäre schwer, weil man jeden Tag die Probleme anderer Leute hören muss.
Aber ein Großteil ist auch, dass man sich jeden Tag die Lösungen dieser Menschen anhört!

In der Praxis wird mit einem beratenden Team gearbeitet, das heißt, die Sitzung wird (mit Einwilligung des Klienten) per Video in einen Nebenraum übertragen. Da sitzt dann das Team, mit dem sich der Therapeut beraten kann, nachher, und das bin halt jetzt oft ich.
Und die Menschen werden so schön, wenn sie sich öffnen. Sie kommen ins Zimmer und sind nur die gleichen grauen Gesichter, wie man sie jeden Tag auf der Straße sieht, und dann beginnen sie, zu erzählen, und sie werden wunderschön.
Weil wir halt doch alle gleich sind. Manchmal, wenn ich in der Mensa und gleichzeitig schlecht drauf bin, schaue ich mich um mit dem tröstlichen Gedanken, dass alle dort, wirklich alle, schonmal geweint haben.

Die Erfahrung bei dem Therapeuten geht noch einen Schritt weiter. Nicht nur haben alle Menschen diese Probleme, sie werden durch sie gezeichnet.
Sie zeichnen uns aus. Wir sind halt alle Menschen, und unser Leid ist gleichzeitig unsere Schönheit.

Dazu passt gut die e-mail einer Freundin, die klagte, weil sie verliebt war, und es jetzt weh tut. Aber auch hier gehört das Leid zur Liebe, zur Schönheit, fand ich und schrieb ich ihr. Mal sehen was sie sagt.