Uff. Die letzten beiden Tage waren schwer auf eine Art, wie ich sie lange nicht mehr erlebt habe. Nicht, dass sie besonders dolle schwer waren, nur schwer auf eine unübliche Art.
Ich hatte mich ein bisschen verliebt in Kira, ohne genau zu wissen wo das hin sollte. Kira hat eine kleine Tochter, hängt emotional dem Kindsvater in ähnlicher Hinsicht hinterher wie ich Cullawine, und so richtig hatte ich nicht das Gefühl, irgendwohin zu wollen, sondern eher, es da zu mögen, wo ich bin. Wir verstehen uns gut, teilen eine große Vertrautheit und denken in vieler Hinsicht ähnlich. Ich fühlte mich wohl, verliebte mich, und das einzige, was mich störte, war meine etwas unbeholfene Art, die ich immer an den Tag lege, wenn ich verliebt bin und mich nicht traue, es zu sagen.
Vor kurzem sprachen wir mal wieder miteinander, und es ergab sich die Gelegenheit, mich endlich mal zu öffnen. Sie sei nicht verliebt (womit ich durchaus gerechnet hatte), und doch war es nach kurzer Seltsamkeit eigentlich besser, weil ich endlich wieder kongruent war, im Draußen das hatte, was ich im Drinnen habe, eben all die Sachen, die Ehrlichkeit und Authentizität möglich machen.
Seit gestern aber hänge ich in ganz doofen Gedanken von Einsamkeit und Sorge, ob das mit mir ein gutes Ende nimmt. Seit gestern fällt mir auf, dass um mich rum alle wichtigen Menschen in Beziehungen stecken, und plötzlich stört es mich.
Das ist überraschend für mich gewesen, also hab ich genauer hingeschaut.
Was passiert, ist in weiten Teilen Angst, wie mein Leben wird. Ich habe eine Vision vom guten Leben – eher diffus, aber sie ist da – und ich merke, sie ist schwierig zu erreichen. Sie ist insbesondere deshalb schwierig, weil andere Menschen dazugehören, und ich weiß weder, ob ich Menschen finde, die da mitmachen würden, noch, ob ich es schaffen würde, mich auf sie einzulassen. Meine Grenzen diesbezüglich habe ich bei Cullawine deutlich gemerkt.
Die Paare in meinem Freundeskreis, die ich betrachte, zeigen mir eines ganz deutlich: Sie sind Verbündete. Sie unterstützen sich bei ihren Visionen. Das löst zum Einen Neid aus in mir, aber zum Anderen ist gerade der Gedanke stark, dass all diese Menschen für Visionen mit mir nicht zur Verfügung stehen. Niemand dort würde gemeinsam mit mir irgendwohin ziehen, denn der Partner ist mit im Boot, und der Kurs wird dort entschieden. Ganz konkret überlegen Menschen, die mir unendlich wichtig sind, wo sie leben wollen, und ich komme in diesen Plänen nicht vor. Das finde ich schlimm, denn unter ihnen sind einige, mit denen ich gern planen würde.
Es ist ein Gefühl, als ob die anderen schon aufbrechen in ihren Booten, einer am linken, einer am rechten Ruder, und ich weiß nicht genau, ob ich noch wegkomme.
Banal nennt man das wohl Torschlusspanik. Aber es ist nicht so sehr die Frage, ob ich das zeitlich noch schaffe, sondern ob es (a) möglich ist, und (b) ist es gerade ein Gefühl, als ob ich Menschen verliere, die mir wichtig sind, weil sie anderweitig planen. Weil sie weggehen.
Das ist nicht rational, natürlich, und es erstaunt mich, dass dieses Gefühl gerade kommt. Es ist ein bitteres, schwaches und weinerliches Gefühl, und ich gefalle mir so nicht. Es ist, als wäre die heteronormative Matrix mich von hinten angefallen, und viele alte Ängste und Sorgen sind wieder da.
Unguterweise kommt Cullawine natürlich in diesem Gedankenzug ebenfalls vor, denn Cullawine war – so meine augenblickliche Interpretation – meine Chance für das Boot, war eine wunderbare Frau, die nach wie vor in meinem Herzen ist, und deren Entscheidung, mich nicht sehen zu wollen, mir wehtut, und war eben das Angebot: Hier, J., so würde es gehen. Jemand will dich.
Und ich konnte nicht wollen, mir war nicht wohl dabei. Und obwohl ich durchaus auch Zugang habe zu der Wahrheit, dass wir keine erfüllende Beziehung hatten, dass wir uns gegenseitig nicht gutgetan haben, so ist da doch auch das Gefühl von Scheitern sehr stark. Ich scheitere an dem, was all meinen Freunden gelingt, und das Vermissen von Cullawine kommt noch obendrauf.
Uff. Was für ein bitteres, schwaches und weinerliches Gefühl.
Beim Wäschezusammenlegen legte ich auch mein T-Shirt zusammen, auf dem steht “Monogamie ist keine Lösung”. Ich merkte: Das glaube ich nach wie vor. Die Krise im Moment scheint mir nicht auflösbar durch ein Verleugnen meiner Wünsche.
Es ist mehr die Frage nach der Umsetzbarkeit dieser Wünsche als die Frage nach der Richtigkeit, mehr die Frage “Schaff ich das?” als “Darf ich das?”.
Immerhin.
Die therapeutische Frage, die ich mir selbst dazu stellen würde, wäre: “Was würden Sie denn brauchen, um diese Wünsche umzusetzen”. Die Antwort ist noch dabei, zu kommen, aber ich hoffe, sie braucht nicht mehr lang.
Sicherer sein, dass ich okay bin, dass mein Weg okay ist.
Das war die Wahrheit im letzten Monat. Sie ist schwerer als gedacht.