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Gewisse Sachen gefallen mir nicht, und ich gerate darüber in unregelmäßigen Abständen in die Krise. Neustes ungewolltes Kind der Beziehung: Das regelmäßige Sehen.

Noch nie hab ich so funktioniert. Eine nicht abreißende Kette von Verabredungen, und am Ende der einen weiß man schon, wann die nächste sein wird, das geht mir gegen den Strich. Das ist schon organisatorisch für mich blöd, weil ich wirklich viele wunderbare Menschen kenne, für dich ich Zeit haben will, und mit denen ich immer recht spontan schauen will. Dafür brauche ich freie Zeit.

An sich alles kein Problem, könnte man meinen, muss ich ja nur so machen, und es Cullawine erklären, ist ja logisch dass man hie und da über Sachen sprechen muss.
Aber was passiert, ist kompliziert. Ich wehre mich gegen das mir verkrampft anmutende ständige Verabreden und stelle fest, dass Cullawine das nicht so gut behagt. Und sofort gehen die Gedanken los.

Was heißt das dann? Ist mein Wunsch falsch? Bin ich böse deswegen? Liebe ich Cullawine nicht genug? Das will ich nicht glauben, erstmal sind ja Bedürfnisse eben Bedürfnisse, und die sind immer in Ordnung. Es muss in Ordnung sein, wenn man nicht so ist, wie der andere ist.
Oder bin ich vielleicht einfach nicht für eine Beziehung gemacht? Gehört das möglicherweise zu einer Beziehung dazu, dass man seine Treffen plant, und wenn mir das nicht gefällt, dann gefällt mir eben Beziehung nicht?
Oder muss das nicht zu Beziehung gehören, und es ist eher eine Unstimmigkeit zwischen Cullawine und mir? Mit wem anders wäre das gar kein Thema. Und heißt das dann, dass ich besser mit wem anders dran wäre, oder dass das dann eben ein Thema für uns ist?

Diese Gedanken sind fürchterlich zermürbend. Sie sind ein direkter Weg zu Zweifeln an meiner Liebe, an unserer Beziehung, an meiner Bindungsfähigkeit. Ich denke oft an die Diskussion mit Schwinger zurück, in der er mir vorwarf, ich wolle die “Auseinandersetzung mit dem Partner nur solange wie sie meine Kreise nicht stört”.

Das war 2005. In gewisser Weise bin ich fast am gleichen Punkt… Nur dass ich mich jetzt auf die Auseinandersetzung eingelassen habe, meine Kreise gestört werde, und ich die Anstrengung merke und bezweifle, ob das alles so seine Richtigkeit hat. Vielleicht ist das ja ein großer Schritt.

Ich habe Cullawine wiedergetroffen. Vor einigen Wochen hatte sie das ursprünglich einmal geplante Treffen abgesagt, sie wolle mich jetzt doch nicht sehen. In der Zeit darauf kam ich unklar. Das Gefühl von “Ich bin okay wie ich bin, ich darf ich sein” war mir nicht zugänglich, ich habe mich viel abgelenkt, und hatte natürlich auch sehr schöne Tage, aber immer, wenn ich zurück zu mir kam, bemerkte ich die Baustelle.

Zwischendurch gab es immer wieder mal die bitteren, weinerlichen Tage, und es wurde immer klarer: So werde ich das nicht weitermachen. In mir geschah eine Veränderung, und irgendwann sprach ich einen Gedanken – der mich erschreckte – gegenüber der Wahlschwester aus, weil er immer wieder kam: Am liebsten würde ich einfach an Cullawines Tür kratzen, sie möge mich zurücknehmen.

Obwohl das sicherlich nicht die Wahrheit ist, und nicht der tatsächlich gute Kurs, so war darin doch ein Gefühl, von dem ich merkte, es nicht mehr lange verleugnen zu können. Nachdem ich lange versucht habe, mit mir selber auszumachen, wie es nun gehen soll, welcher Kurs ins Glück führt, wie ich ich selber bleibe und Cullawine nah sein kann, weil sie mir fehlt, merkte ich: Das kann man nicht mit sich selber ausmachen. Ich brauche dafür den Kontakt zu ihr.

Sonntag habe ich es endlich über mich gebracht, ihr zu schreiben, und wir hatten uns für letzten Mittwoch verabredet und uns getroffen, beide mit einer Riesenmuffe.

Als ich sie dann gesehen habe, bin ich fast wie ein junger Hund auf sie zu gesprungen, voller Adrenalin von der ganzen Angst, aber eben auch sehr glücklich, sie zu sehen, der Atem ging mir schwer und ich grinste, obwohl ich doch genau wusste, dass es ein ernstes, schwieriges Treffen ist.
Aber wir kamen doch ins Gespräch, und ich konnte die Dinge sagen, die ich erkannt habe: Dass ich verstanden habe, wie eine Beziehung auf einem Bündnis sicher steht, und wie ich Cullawine immer weggestoßen habe, weil ich Angst hatte, mich selber zu verlieren, wie ich tatsächlich auch das Gefühl hatte, sie akzeptziert bestimmte Seiten nicht an mir, wie ich aber auch wusste, dass sie mit offenen Armen da stand, und ich mich weggedreht habe.
Und, dass ich nach der letzten Zeit zwar immer noch keine Antworten auf die ganzen Fragen hätte, dass ich aber ziemlich sicher wäre, sie zu lieben. Denn das bin ich. Ich hätte gedacht, dass mehr Klarheit, wie ich sie schon erreicht habe nach der Trennung, dazu führen würde, sie weniger zu vermissen, aber das Gegenteil war der Fall.

Also wieder rein. Die Ängste kommen natürlich mit, und genau wie bisher ist es so, dass die Ängste eigentlich nur da sind, wenn ich mein Kopfkino fahre. Sobald wir uns sehen, spüre ich genau, warum das alles ein guter Kurs ist. Ich kann ein bisschen besser mit den Ängsten umgehen. Ich weiß jetzt, dass ich die Beziehung nicht in Frage stellen muss, nur weil ich Angst habe. Oder weil ich mal keine Lust habe, sie zu sehen. Oder weil mir auch mal andere Menschen wichtiger sind. Die Beziehung muss nicht jede Minute meines Lebens erfüllen, und ich befürchte, das habe ich letztes Mal gedacht. Was natürlich einerseits dazu führt, dass ich das ganz schön groß und erschreckend fand, und andererseits – weil das natürlich nicht klappt – immer mit einem Gefühl des Scheiterns einherging.

Wir haben uns jetzt auf die Fahnen geschrieben, dass jeder immer ganz bei sich ist, und wir wollen uns langsam annähern und mal sehen, was passiert.

Es ist der blanke Terror, und meinen Zweifeln und Ängsten wieder zu begegnen ist der letzte Scheiß, und doch weiß ich (und versuche mir zu merken) wie es sich angefühlt hat, sie wiederzusehen. Nämlich gut. Angekommen. Richtig und kongruent. Eine große Ruhe in dem Wissen, das richtige zu tun. Diese Wahrheit braucht ihren Raum, und ich werde ihn verteidigen müssen gegen die Zweifel. Ich hoffe, dass mir meine Erkenntnisse aus den letzten Monaten dabei helfen.

Uff. Die letzten beiden Tage waren schwer auf eine Art, wie ich sie lange nicht mehr erlebt habe. Nicht, dass sie besonders dolle schwer waren, nur schwer auf eine unübliche Art.

Ich hatte mich ein bisschen verliebt in Kira, ohne genau zu wissen wo das hin sollte. Kira hat eine kleine Tochter, hängt emotional dem Kindsvater in ähnlicher Hinsicht hinterher wie ich Cullawine, und so richtig hatte ich nicht das Gefühl, irgendwohin zu wollen, sondern eher, es da zu mögen, wo ich bin. Wir verstehen uns gut, teilen eine große Vertrautheit und denken in vieler Hinsicht ähnlich. Ich fühlte mich wohl, verliebte mich, und das einzige, was mich störte, war meine etwas unbeholfene Art, die ich immer an den Tag lege, wenn ich verliebt bin und mich nicht traue, es zu sagen.

Vor kurzem sprachen wir mal wieder miteinander, und es ergab sich die Gelegenheit, mich endlich mal zu öffnen. Sie sei nicht verliebt (womit ich durchaus gerechnet hatte), und doch war es nach kurzer Seltsamkeit eigentlich besser, weil ich endlich wieder kongruent war, im Draußen das hatte, was ich im Drinnen habe, eben all die Sachen, die Ehrlichkeit und Authentizität möglich machen.

Seit gestern aber hänge ich in ganz doofen Gedanken von Einsamkeit und Sorge, ob das mit mir ein gutes Ende nimmt. Seit gestern fällt mir auf, dass um mich rum alle wichtigen Menschen in Beziehungen stecken, und plötzlich stört es mich.
Das ist überraschend für mich gewesen, also hab ich genauer hingeschaut.

Was passiert, ist in weiten Teilen Angst, wie mein Leben wird. Ich habe eine Vision vom guten Leben – eher diffus, aber sie ist da – und ich merke, sie ist schwierig zu erreichen. Sie ist insbesondere deshalb schwierig, weil andere Menschen dazugehören, und ich weiß weder, ob ich Menschen finde, die da mitmachen würden, noch, ob ich es schaffen würde, mich auf sie einzulassen. Meine Grenzen diesbezüglich habe ich bei Cullawine deutlich gemerkt.
Die Paare in meinem Freundeskreis, die ich betrachte, zeigen mir eines ganz deutlich: Sie sind Verbündete. Sie unterstützen sich bei ihren Visionen. Das löst zum Einen Neid aus in mir, aber zum Anderen ist gerade der Gedanke stark, dass all diese Menschen für Visionen mit mir nicht zur Verfügung stehen. Niemand dort würde gemeinsam mit mir irgendwohin ziehen, denn der Partner ist mit im Boot, und der Kurs wird dort entschieden. Ganz konkret überlegen Menschen, die mir unendlich wichtig sind, wo sie leben wollen, und ich komme in diesen Plänen nicht vor. Das finde ich schlimm, denn unter ihnen sind einige, mit denen ich gern planen würde.

Es ist ein Gefühl, als ob die anderen schon aufbrechen in ihren Booten, einer am linken, einer am rechten Ruder, und ich weiß nicht genau, ob ich noch wegkomme.
Banal nennt man das wohl Torschlusspanik. Aber es ist nicht so sehr die Frage, ob ich das zeitlich noch schaffe, sondern ob es (a) möglich ist, und (b) ist es gerade ein Gefühl, als ob ich Menschen verliere, die mir wichtig sind, weil sie anderweitig planen. Weil sie weggehen.

Das ist nicht rational, natürlich, und es erstaunt mich, dass dieses Gefühl gerade kommt. Es ist ein bitteres, schwaches und weinerliches Gefühl, und ich gefalle mir so nicht. Es ist, als wäre die heteronormative Matrix mich von hinten angefallen, und viele alte Ängste und Sorgen sind wieder da.

Unguterweise kommt Cullawine natürlich in diesem Gedankenzug ebenfalls vor, denn Cullawine war – so meine augenblickliche Interpretation – meine Chance für das Boot, war eine wunderbare Frau, die nach wie vor in meinem Herzen ist, und deren Entscheidung, mich nicht sehen zu wollen, mir wehtut, und war eben das Angebot: Hier, J., so würde es gehen. Jemand will dich.

Und ich konnte nicht wollen, mir war nicht wohl dabei. Und obwohl ich durchaus auch Zugang habe zu der Wahrheit, dass wir keine erfüllende Beziehung hatten, dass wir uns gegenseitig nicht gutgetan haben, so ist da doch auch das Gefühl von Scheitern sehr stark. Ich scheitere an dem, was all meinen Freunden gelingt, und das Vermissen von Cullawine kommt noch obendrauf.

Uff. Was für ein bitteres, schwaches und weinerliches Gefühl.

Beim Wäschezusammenlegen legte ich auch mein T-Shirt zusammen, auf dem steht “Monogamie ist keine Lösung”. Ich merkte: Das glaube ich nach wie vor. Die Krise im Moment scheint mir nicht auflösbar durch ein Verleugnen meiner Wünsche.
Es ist mehr die Frage nach der Umsetzbarkeit dieser Wünsche als die Frage nach der Richtigkeit, mehr die Frage “Schaff ich das?” als “Darf ich das?”.

Immerhin.

Die therapeutische Frage, die ich mir selbst dazu stellen würde, wäre: “Was würden Sie denn brauchen, um diese Wünsche umzusetzen”. Die Antwort ist noch dabei, zu kommen, aber ich hoffe, sie braucht nicht mehr lang.

Sicherer sein, dass ich okay bin, dass mein Weg okay ist.

Das war die Wahrheit im letzten Monat. Sie ist schwerer als gedacht.

Jahrelang habe ich mich bemüht, eine Beziehung nicht zu brauchen. Denn, so schien und scheint mir, das Brauchen kann nicht die Basis einer Entscheidung sein. Niemand entscheidet sich frei, regelmäßig zu essen und zu schlafen. Es muss eben sein. Eine Beziehung, so denke und dachte ich, muss aber frei begangen werden.
Auch habe ich immer versucht, Gefühle zu Menschen als etwas zu sehen, dass ein MEHR ermöglicht, anstatt sie darüber zu definieren, was alles nicht mehr geht.

Diese Punkte machen es gerade nicht leichter mit Cullawine. Ich gehe durch die Stadt, und sehe immer Dinge, die ich jetzt besser lasse, weil sie ihr wehtäten. Ein Flirt hier, eine Berührung da, ein verliebter Blick.
Und weil ich Cullawine nicht brauche, gibt es wenige der klassischen Gewichte, die jene “Enthaltsamkeiten” aufwiegen könnten. “Man kriegt halt auch etwas zurück” sprach sie, denn sie stimmt mir zu, dass man Freiheiten aufgibt. Dieses Etwas zurück ist für mich nicht so spürbar.

Wenn ich heute entscheiden würde, würde ich mich dagegen entscheiden. Aber wir haben einen Deal (und ich finde ihn gut), dass wir nicht sofort die Beziehung in Frage stellen, wenn es einem von uns mal nicht gut geht. Und das ist schlau, denn ich bin heute viel zu früh aufgestanden und habe die letzten Tage wenig Dinge gehabt, die mein Leben aufregend und besonders machten, dann werde ich immer empfindlich.

Heute entscheide ich es also nicht.