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Die Gedanken aus meinem letzten Post begleiten mich weiterhin, und ich verstehe mehr über mich.Wenn ich verliebt bin, hatte ich lange das Selbstverständnis, dass die Liebe nur “da sein will”. Ich habe das auch hier im Blog oft geschrieben. Freies Lieben ist frei, weil es nur da sein will.

Ich beginne eine Seite zu sehen, die ich dabei vernachlässige.
Denn ich will geliebt werden.

Wenn ich liebte, und jemand erwiderte das Gefühl nicht, habe ich oft gedacht und gesagt, dass das schon okay ist, Hauptsache, meine Liebe durfte da sein. Böse wurde ich, wenn mir jemand das Gefühl gab, meine Liebe sei nicht in Ordnung. Wenn mich jemand aussperrt.
Das ist ein geschickter Kniff, denn damit bin ich immer aus dem Schneider. Ich will ja gar nichts, ich will nur so sein können, wie ich bin. Da kann mir keiner was, die Liebe findet rein in mir statt, und da hat ja nun wirklich niemand was drin verloren.

Aber so ganz stimmt das nicht. Denn ich will geliebt werden. Es ist ein basales Gefühl, von dem ich glaube, jeder kennt es, und ich bemerke gerade, wie ich es erst jetzt wirklich anerkenne. Verdammte Axt, ich sehne mich nach Liebe und Anerkennung. Und warum überrascht mich das eigentlich? Vor zweieinhalb Jahren dämmerte es mir schon, wie ich jetzt erkenne, aber jetzt ist es wirklich deutlich.

Dieses Gefühl anzuerkennen ist erstmal nicht so schön. Mit Kira erlebe ich gerade Liebeskummer, und ich habe auch bei ihr zunächst gedacht, ich würde nur wollen, dass mein Gefühl anerkannt wird. Aber tatsächlich will ich geliebt werden von ihr, ich will, dass sie so für mich fühlt wie ich für sie.

Es ist nicht schön, das zu bemerken, aus 2 Gründen. Erstens wird das nichts werden in der Form, wie ich es mir wünsche. Das ist schmerzhaft. Es hat auch sein Gutes, weil es sehr viel handfester ist als “Ich darf meine Liebe nicht fühlen”. Ich darf das nämlich durchaus fühlen, und der Schmerz, dass das nicht erwidert wird, ist real und will gegrokt werden. Der Schmerz, dass meine Liebe nicht da sein dürfte, ist abstrakt und irgendwie virtuell. Dieser hier ist echt, und das ist gut. Aber zunächst ist es schmerzhaft, und ich trauere.

Zweitens und komplizierter ist es nicht schön, weil ich mir damit eine Falle baue.

“Wenn jemand Liebe will, dann gibt es so etwas wie Liebe nicht, sondern nur Beweise der Liebe.”
aus “Die Träumer”

Wer geliebt werden will, neigt dazu, alles in die Dichotomie zu packen: Ist etwas ein Beweis von Liebe oder nicht? Man deutet alles auf dieser Dichotomie. Wenn Kira keine Zeit hat, wenn Kira sich verliebt – alles sind Beweise, dass sie mich nicht liebt.

Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich da schonmal weiter war, und auch jetzt noch ist mir durchaus zugänglich, dass ihre Liebe unabhängig von diesen Sachen ist, dass ich ihr wichtig bin und sie mich liebt, so wie sie mich halt liebt (und nicht so, wie ich das gerne hätte).

Dennoch bleibt ein Kummer, jetzt wo ich mir den Wunsch eingestehe, widergeliebt zu werden. Mal sehen, wohin er mich führt. Es hängt mit etwas zusammen, was ich letztens über mich und die Rolle des Leidenden schrieb, und wie ich die Rolle einmal abgelegt hatte:

Ich war dann nicht mehr der Leidende, der nicht wagt, das zu leben, was da ist, ich war ich, und es war halt anstrengend das zu leben, was da ist. Ich hab sogar Fieber bekommen, und war nachher erschöpft.
Aber ich hab es eben gemacht.

In gewisser Weise ist der Kummer genau das gleiche. Und ich habe Kira sogar davon erzählt, habe es gefühlt und gelebt. Habe es eben gemacht.

Ich habe über mich selbst verstanden, dass ich häufig derjenige bin, den Leute sich wünschen. Oft sind die Leute, die sich einen bestimmten J. wünschen, auch Leute die mich lieben, von daher ist das nicht so schlimm: Ich bin dann ein liebenswerter J.

Aber bin ich dann noch J.? Das Muster taucht an vielen Ecken auf, nicht zuletzt in meiner Arbeit: Therapeutisch tätig zu sein (ob Psychotherapie oder Massage) bedeutet, dass man für jemanden etwas ist, was er gerade braucht. Oder was er sich wünscht. Und es ist eine dankbare Rolle, wir alle, die das tun, werden reich belohnt dafür.

Ich kenne dieses Muster auch aus meiner Liebensgeschichte, wenn ich verliebt war in Frauen, die das nicht so sahen. Ohne, dass ich überhaupt zu mir hinspüre, gehen schon Worte über meine Lippen wie “Ist okay, dacht ich mir schon, ist ja auch gar nicht schlimm”, und es ist sogar was Wahres dran. Aber es wäre auch was Wahres an “Wow, das ist richtig, richtig schlimm, und ich bin sehr traurig”.

Auch aktuell gibt es Menschen, wo ich mich vernachlässigt fühle, traurig darüber bin, dass Gefühle nicht erwidert werden, oder ich schlicht das Gefühl habe, mehr reinzustecken. Und natürlich ist das immer okay: Mach wie’s gut für dich ist, ich will dich zu nichts zwingen, Gefühle sind eben Gefühle. Aber es wäre eben auch wahr: Ich vermisse dich, ich will dir nah sein, es macht mich einsam, wenn du mir fehlst.

Selbst in ganz kleinen Situationen passiert mir das: Jemand lädt mich ein, ich freue mich darüber, und sage schon zu, bevor ich bemerken konnte, ob ich da Lust zu habe. Vielleicht bräuchte ich auch meine Ruhe? Vielleicht will ich später auch absagen. Müsste ich mal hinfühlen.

Es geht hier nur einerseits darum, Leiden zuzulassen, Schwäche zuzulassen. Zum Anderen (und fast wichtiger) geht es aber darum, jegliche Gefühle zuzulassen, und vor allem:
Meine Gefühle zu fühlen, bevor ich für die anderen die Reaktion raussuche, die jetzt wohl am allerbesten wäre.

In der Beziehung zu Cullawine ist es auch dieses Muster gewesen, dass mich oft hat stolpern lassen. Noch bevor ich nur ahnte, wie es mir vielleicht gehen könnte, wusste ich schon, was zu tun war, weil ich es von mir erwartete, und nachher merkte ich dann, wie ich gegen mein Gefühl gegangen war.

Ich achte in den letzten Tagen mehr darauf, versuche mehr das zu tun (und zu bemerken) was ich wirklich will, das zu äußern, und dann möglicherweise einen Kompromiss einzugehen. Aber nicht sofort den Kompromiss ausdenken und mich zwingen, den zu fühlen.
Manchmal gelingt es mir. Bei einem Treffen von allen Trainern eines Projekts, für das ich arbeite, scherzte ich mit einer anderen Trainerin, und sie reagierte irgendwann genervt von einem Kommentar von mir. Anstatt gleich zu reagieren mit einem “Du, das hab ich gar nicht so gemeint wie das jetzt wohl angekommen ist”, hab ich sie einfach reagieren lassen und dachte “Herrje, das hat sie jetzt wohl kurz in den falschen Hals gekriegt”.

Und wenn mir eine Mitbewohnerin sagt, ich war ihr in den letzten Tagen etwas zu körperlich, nicht gleich zurückzurudern und Besserung zu geloben, sondern zu sagen “Ich hab dich sehr gern, ich berühre dich gern, und wenn ich an Grenzen komme, bitte zeig mir das. Ich werde jetzt nicht vorauseilend alles unterlassen, was dich möglicherweise stören könnte, denn das ist ein wunderbarer und guter Ausdruck von meinen Gefühlen”.

Bei Kira, in die ich verliebt bin, und einer weiteren gemeinsamen Freundin, von der ich mich manchmal etwas stehengelassen fühle, möchte ich genau das noch mehr schaffen. Weniger “hey, ist doch okay, du bist voll okay”, sondern zu gleichen Teilen ein “hey, ich bin voll okay, bitte respektiere mich mit meinem ganzen Kram”.

Die vielen Schuhe, die im Weg stehen, sind nicht alle zum Anziehen da. Weniger für die anderen sein, was ich für mich sollte. Das ist nicht nur respektvoller mir selbst gegenüber, sondern letztlich sogar auch gegenüber den anderen. Indem ich mich nicht für sie verbiege, nehme ich sie ernster. Indem ich mich ihnen zumute, gestatte ich ihnen eine wahrhaftigere Begegnung mit mir.

Der Prozess, der beim Massage-Workshop angestoßen wurde, wird mit der Zeit danach etwas klarer für mich. Ich war ja krank, und merkte: Ich versage mir dann Sachen, und bin sauer. Auf die Krankheit oder auf mich, das ist gar nicht wirklich zu unterscheiden. Jedenfalls stehe ich dann da mit meinem rauhen Hals und leide, und bin der arme J., der jetzt nicht mitmachen kann.

Es ist eine bestimmte Rolle, in die ich dann gehe: Die Rolle des Leidenden. Und in dieser Rolle versperre ich mir selber ganz viele Dinge. Ich kenne diese Rolle gut, fiel mir auf, und zwar nicht von Krankheit, sondern von Verliebtheit. Wenn ich unglücklich verliebt war, ging ich massiv in diese Rolle des Leidenden, was damit einherging, dass ich in der Konstruktion meiner Identität nur Raum fand für traurige, schlimme Bauklötze.

Eine Freundin von mir bändelt gerade mit einem gemeinsamen Bekannten an, und ich spürte in mir ein Gefühl von Ausgeschlossensein. Das ist nicht komplett angebracht, sie ist loyal und aufmerksam, und ihr Anbändeln dort ändert nichts an der Verbindung hier. Sie ist poly und frei und kriegt das noch dazu ziemlich gut hin.
Aber spannenderweise führte gerade dieser Eindruck von “J., das Gefühl ist doch gar nicht nötig” geradewegs in die Leidenden-Rolle. Weil ich mir das Gefühl versagte, war ich viel mehr der Gelähmte, der Eingeschränkte.

Der Leidende leidet nämlich nicht an einem Gefühl, sondern eher an der Abwesenheit von authentischem Ausdruck.

Auch bei Kira, bei der ich genau diese Rolle vor ziemlich genau einem Jahr schonmal erlebte, war es dieses Fehlen von authentischem Ausdruck, das die Rolle einleitet. Überhaupt kenne ich dieses Gefühl von Zeiten, in denen ich unglücklich verliebt war. Um zu verhindern, auf die Schnauze zu fallen, lege ich mich schonmal ganz still hin. Und letztlich stelle ich damit den Zustand her, vor dem mir eigentlich graut: Wenn meine Gefühle nicht sein dürfen.

Dabei sind die Gefühle in jedem der Fälle ganz zauberhaft und wunderbar: Ich habe ein bisschen Angst, ausgesperrt zu werden, ich bin dabei voller Wohlwollen und Liebe, ich möchte diese Menschen nah in meinem Leben haben, ich möchte Zärtlichkeit ausleben, ich will sie nicht verlieren.

Diese Dinge allein zu schreiben stärkt mir den Rücken, ich richte mich innerlich wie äußerlich auf und spüre mich. Diese Gefühle zu leben, zuzulassen, erscheint mir gut und richtig. Selbst wenn ich natürlich nicht immer das bekommen kann, was ich gern hätte, ist es eben doch ein Unterschied, ob ich es versuche (und vielleicht auf die Schnauze falle) oder es gar nicht erst versuche.

Auf dem Workshop gab es einen Moment, wo wir alle im Kreis standen, und (da es um Körper und Körpererfahrung geht) ein bisschen Musik lief, zu der wir uns bewegen durften. “Toll”, dachte ich, “ich bin krank und kann nicht mittanzen, obwohl ich das gut fände”. Glücklicherweise gelang es mir aber, von diesem Gedanken Abstand zu finden. Wieso soll ich nicht tanzen? Also habe ich getanzt, und obwohl es natürlich anstrengend ist mit krankem Körper, ging das, und vor allem veränderte es etwas in meiner Haltung mir selbst gegenüber:

Ich war dann nicht mehr der Leidende, der nicht wagt, das zu leben, was da ist, ich war ich, und es war halt anstrengend das zu leben, was da ist. Ich hab sogar Fieber bekommen, und war nachher erschöpft.

Aber ich hab es eben gemacht.

Uff. Die letzten beiden Tage waren schwer auf eine Art, wie ich sie lange nicht mehr erlebt habe. Nicht, dass sie besonders dolle schwer waren, nur schwer auf eine unübliche Art.

Ich hatte mich ein bisschen verliebt in Kira, ohne genau zu wissen wo das hin sollte. Kira hat eine kleine Tochter, hängt emotional dem Kindsvater in ähnlicher Hinsicht hinterher wie ich Cullawine, und so richtig hatte ich nicht das Gefühl, irgendwohin zu wollen, sondern eher, es da zu mögen, wo ich bin. Wir verstehen uns gut, teilen eine große Vertrautheit und denken in vieler Hinsicht ähnlich. Ich fühlte mich wohl, verliebte mich, und das einzige, was mich störte, war meine etwas unbeholfene Art, die ich immer an den Tag lege, wenn ich verliebt bin und mich nicht traue, es zu sagen.

Vor kurzem sprachen wir mal wieder miteinander, und es ergab sich die Gelegenheit, mich endlich mal zu öffnen. Sie sei nicht verliebt (womit ich durchaus gerechnet hatte), und doch war es nach kurzer Seltsamkeit eigentlich besser, weil ich endlich wieder kongruent war, im Draußen das hatte, was ich im Drinnen habe, eben all die Sachen, die Ehrlichkeit und Authentizität möglich machen.

Seit gestern aber hänge ich in ganz doofen Gedanken von Einsamkeit und Sorge, ob das mit mir ein gutes Ende nimmt. Seit gestern fällt mir auf, dass um mich rum alle wichtigen Menschen in Beziehungen stecken, und plötzlich stört es mich.
Das ist überraschend für mich gewesen, also hab ich genauer hingeschaut.

Was passiert, ist in weiten Teilen Angst, wie mein Leben wird. Ich habe eine Vision vom guten Leben – eher diffus, aber sie ist da – und ich merke, sie ist schwierig zu erreichen. Sie ist insbesondere deshalb schwierig, weil andere Menschen dazugehören, und ich weiß weder, ob ich Menschen finde, die da mitmachen würden, noch, ob ich es schaffen würde, mich auf sie einzulassen. Meine Grenzen diesbezüglich habe ich bei Cullawine deutlich gemerkt.
Die Paare in meinem Freundeskreis, die ich betrachte, zeigen mir eines ganz deutlich: Sie sind Verbündete. Sie unterstützen sich bei ihren Visionen. Das löst zum Einen Neid aus in mir, aber zum Anderen ist gerade der Gedanke stark, dass all diese Menschen für Visionen mit mir nicht zur Verfügung stehen. Niemand dort würde gemeinsam mit mir irgendwohin ziehen, denn der Partner ist mit im Boot, und der Kurs wird dort entschieden. Ganz konkret überlegen Menschen, die mir unendlich wichtig sind, wo sie leben wollen, und ich komme in diesen Plänen nicht vor. Das finde ich schlimm, denn unter ihnen sind einige, mit denen ich gern planen würde.

Es ist ein Gefühl, als ob die anderen schon aufbrechen in ihren Booten, einer am linken, einer am rechten Ruder, und ich weiß nicht genau, ob ich noch wegkomme.
Banal nennt man das wohl Torschlusspanik. Aber es ist nicht so sehr die Frage, ob ich das zeitlich noch schaffe, sondern ob es (a) möglich ist, und (b) ist es gerade ein Gefühl, als ob ich Menschen verliere, die mir wichtig sind, weil sie anderweitig planen. Weil sie weggehen.

Das ist nicht rational, natürlich, und es erstaunt mich, dass dieses Gefühl gerade kommt. Es ist ein bitteres, schwaches und weinerliches Gefühl, und ich gefalle mir so nicht. Es ist, als wäre die heteronormative Matrix mich von hinten angefallen, und viele alte Ängste und Sorgen sind wieder da.

Unguterweise kommt Cullawine natürlich in diesem Gedankenzug ebenfalls vor, denn Cullawine war – so meine augenblickliche Interpretation – meine Chance für das Boot, war eine wunderbare Frau, die nach wie vor in meinem Herzen ist, und deren Entscheidung, mich nicht sehen zu wollen, mir wehtut, und war eben das Angebot: Hier, J., so würde es gehen. Jemand will dich.

Und ich konnte nicht wollen, mir war nicht wohl dabei. Und obwohl ich durchaus auch Zugang habe zu der Wahrheit, dass wir keine erfüllende Beziehung hatten, dass wir uns gegenseitig nicht gutgetan haben, so ist da doch auch das Gefühl von Scheitern sehr stark. Ich scheitere an dem, was all meinen Freunden gelingt, und das Vermissen von Cullawine kommt noch obendrauf.

Uff. Was für ein bitteres, schwaches und weinerliches Gefühl.

Beim Wäschezusammenlegen legte ich auch mein T-Shirt zusammen, auf dem steht “Monogamie ist keine Lösung”. Ich merkte: Das glaube ich nach wie vor. Die Krise im Moment scheint mir nicht auflösbar durch ein Verleugnen meiner Wünsche.
Es ist mehr die Frage nach der Umsetzbarkeit dieser Wünsche als die Frage nach der Richtigkeit, mehr die Frage “Schaff ich das?” als “Darf ich das?”.

Immerhin.

Die therapeutische Frage, die ich mir selbst dazu stellen würde, wäre: “Was würden Sie denn brauchen, um diese Wünsche umzusetzen”. Die Antwort ist noch dabei, zu kommen, aber ich hoffe, sie braucht nicht mehr lang.

Sicherer sein, dass ich okay bin, dass mein Weg okay ist.

Das war die Wahrheit im letzten Monat. Sie ist schwerer als gedacht.