Monatsarchive: November 2005

07.11.2005 2:44
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Nach der Arbeit gingen wir noch ein Getränk einnehmen, und, wie das so meine Art ist, flirtete ich ein wenig mit der Freundin einer Kollegin.
Nur ein ganz klein bisschen, fand ich, wobei letztens jemand über mich gesagt hat, ich sei ja “überflirtig”, oder halt, was schreib ich, ich wäre überflirtig. Und hormongesteuert.
Naja.

Jedenfalls ging ich dann nach Hause, und dachte, mehr spaßeshalber, darüber nach, wie so ein Flirt weiterlaufen würde. Also, der Rahmen ist ja, wenn man ehrlich ist, vorgegeben. Mailen, Telefonieren, Treffen, Reden, Schauen.
Irgendwann würde ich dann sagen “Ach, ich bin übrigens poly” – “Was heißt das denn?” – “Naja, das heißt, dass ich lieben dürfen möchte, wenn ich lieben will”

Und dann dachte ich: Stimmt. Ist ja auch überhaupt nicht einzusehen, sich da einzuschränken. Das Leben, dachte ich dann (es war schon spät, da werd ich global und pathetisch), ist zu kurz um sich einzuschränken.

Leider fiel mir 50 Meter weiter ein, dass ich noch am selben heutigen Abend gesagt hatte, den Verzicht sehr zu schätzen.
Ich trinke keinen Alkohol, rauche nicht, nehme auch keine anderen Drogen und ich esse kein Fleisch. Askese ist mein Freund.

In der Bahn versuchte ich zu fassen, was der Unterschied ist. Warum finde ich es gut, mich bei Genussmitteln wie Nahrung und Drogen einzuschränken, bei Genussmitteln wie Menschen oder Nähe aber nicht?

Der Ansatz, den ich fand, lautet so: Alkohol, Kippen, und der mit Fleischessen assoziierte Ethikbruch, bedeuten, dass ich mich von mir wegbewege. Mir selbst untreu bin.
Liebe zu äußern, Offenheit dagegen bedeuten, mir nah zu sein, und ich würde mir untreu, wenn ich mich da verleugnete.
Sex finde ich dabei einen streitbaren Punkt… Ich mag das, würde mich aber auf den Gedanken einlassen, dass der Verzicht einen näher zu sich bringt.

Und ich muss kurz Nietzsche zitieren, zum Abschluss.

Was sagt dein Gewissen? Du sollst der werden, der du bist.
Friedrich Nietzsche

06.11.2005 0:07
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Noch was zum Weltmännertag: Die Idee, am Weltmännertag irgendwas Chauvinistisches zu machen, ist doch ziemlich weit verbreitet.
“Fußball gucken” kriegte ich gerade als (zugegeben halb scherzhafte) Antwort auf die Frage “Wie hättest du ihn den verbrachtet, hättest du gewusst, dass er ist?”.

Bittere Sache. Männer gehen also zurück zum alten Männerbild. Bei Frauen käme einem das nie in den Sinn. Niemand würde, wäre ihm sein Seelen- und Leibheil lieb, am Weltfrauentag vorschlagen, was Leckeres zu kochen. Oder mal so richtig zu putzen, einfach so. Oder sonst irgendnen Scheiß aus dem klassischen Frauenbild.
Aber ich laste das dem Mann persönlich nicht an. Ich glaube ja, dass Sexismus immer beide Geschlechter trifft.

Und das Zurückwünschen eines chauvinistischen Männlichkeitsbildes, oder vielmehr seine unausweichliche Memokraft, zeigt mir zwei Dinge:

  1. Die Rollen, die Männern vorgeschrieben sind, sind in der Tat nicht so schlecht. Sie wählen sie sogar freiwillig. Dennoch sind sie, genau wie Frauen, auf ihre Rollen sehr festgelegt. Es fällt dem Normalmann, der so auf meinem Flur verkehrt, nichts anderes ein. Was mich zu Punkt 2 bringt.
  2. Es gibt in vielen Köpfen noch keine Alternativen zum klassischen Männerbild. Weder in männischen noch in weibischen Köpfen. Und wenn, sind sie ähnlich bigott wie manche der neuen Frauenbilder, die teils zynischerweise ihrerseits wieder einen eigenen Genderdruck aufbauen. “Wie, du willst keine Karriere? Dein Mann soll das Geld verdienen?” Mindestens “Kind und Karriere”, das musst du doch wollen!
    Für den Mann sind selbst solche ambivalenten neuen Bilder rar.

Der mitweinende Macho ist eins dieser ambivalenten Bilder, aber wo gibt’s den denn in echt, bitte? Und wer jetzt David Beckham ins Feld führt, den will ich ermahnen: Mascara und Körperrasur machen Männer weder metrosexuell noch mitweinend. Sie sehen hübscher aus und sind weicher anzufassen. Ende.

Aber insgesamt irgendwie doch alles doof. Frauen kriegen immer mehr Anforderungen, die sich dummerweise auch noch oft addieren, und bei Männern subtrahiert sich alles weg: “Achso, nicht mehr gewalttätig…okay. Auch nicht mehr laut? Oh. Eigenbrötlerisch? Nein? Darf ich Witze über Frauen… Ah, ja. Dacht ich mir. ”

So sehr ich viele der klassischen Männereigenschaften doof finde, und selbst froh bin, viele davon nicht zu haben: Dass ein Wegfall von -Ismen mit dem Wegfall des Modalverbs “müssen” einhergehen sollte, wird da nicht so ganz befolgt. Statt “müssen” zu können, müssen Frauen jetzt “wollen”. “Wille Kinder, aber plötzlich!”
Für Männer wäre mal folgendes dran: “Du sollst eben nicht wollen müssen”.
Musst nicht immer Chef werden wollen. Musst nicht immer einen wegstecken wollen. Musst nicht immer einfach mal nur deine Ruhe haben wollen.
Darfst alles drei. Cool, wenn du alle kannst. Aber müssen sollst du nicht.

05.11.2005 23:04
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In der Kunst ist jeder viel wert, der anders ist. Man entwerfe sein Leben: Jetzt.

Was wäre das nur für eine klasse Welt ? ? ? ?

freies lieben

Weltklasse wäre das. Und wunderschön. Das sag ich euch aber.

05.11.2005 22:43
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Wie ist die unflektierte Form des Adjektivs im Halbsatz “illustrer Kreis”? Illustr? Illust?

Jedenfalls war es lustig auf der I. Konferenz zu Polyamory und Non-Mononormativity. Hä, fragt man sich jetzt, was ist denn letzteres?
Naja, Mononormativity ist ein Sammelbegriff für all jene gesellschaftlichen Normierungs- (also auch Normalisierungs-) prozesse, die eine Beschränkung auf Mono- und Heterosexualität machen. Die also im Klartext die Paarbeziehung als das einzig gangbare Modell darstellen.
Und Non-das ist alles andere.

Und warum war es da lustig? Verschiedenes.
Erstens waren Menschen von der Mailingliste da, die ich lese und beschreibe (und Dossie Easton war auch da! Cool!). Zwar blieb neben der Konferenz wenig Zeit für Viel, aber immerhin hat man jetzt Gesichter zu den Geschichten gesichtet. Und es waren beileibe keine Alt-68er, auch wenn mir noch mindestens dreimal unter die Nase gerieben wurde, das je gesagt zu haben.
Ich würde gerne sagen: “Es waren Menschen wie du und ich”, aber entweder hilft das nichts, weil man mich nicht kennt, oder weil man kein “ich und du” wahrnimmt, sondern sich wundert, was ich hier eigentlich mache.
Also, die Beobachtung war: Das sind keine verschrobenen Grenzgänger. Das sind noch nichtmal, wie in der Queerbewegung, Menschen die Aufsehen erregen oder provozieren wollen (letzteres kommt vielleicht in 3, 4 Jahren, kann ich mir vorstellen…). Es sind Leute, die sich gern zwei gleiche Socken anziehen, passende Kleidung auswählen und insgesamt im Sozialen eher aufmerksam und vorsichtig als polterig und näheerzwingend sind. So wie ich mich auch einschätzen würde.
Nur dass dann einige von ihnen, und das wird zweitens, zu dritt auf dem Sofa sitzen und sich kosen.

Das war cool. Auch in mir sind ja Normen, sind Bilder, sind Prototypen. Und das Bild war bekannt: Auf ner Party kosen Leute, beiläufig, verspielt, zärtlich. Kennt man. Wenn das mehr als 50% auf einer Party machen, geht man meist.
Nur waren es hier eben 3 Personen. Und dadurch kippte das Bild ins Schöne. Dadurch fühlte zumindest ich mich nicht ausgeschlossen, wie ich das auf Parties manchmal erlebe, sondern gab es im Gegenteil eine sehr zwanglose Atmosphäre. Und mit zwanglos meine ich nicht orgiastisch… manche Menschen, die wissen, dass ich auf der Konferenz war und dort übernachtete, scheinen zu erwarten, dass ich mit wilden Sexgeschichten zurückkehre.
Aber poly is something entirely else. Poly ist vielmehr eine Offenheit. Eben zwanglos.

Und das war wirklich klasse. Achtung, drittens. In einem Raum zu sein mit 80 Leuten, von denen höchstwahrscheinlich gut die Hälfte poly ist…

Ich will es nicht verleugnen: …
Also, vielmehr, eins noch vorweg: Im Grunde ist es albern. Die Zugehörigkeit entstand allein aus der Tatsache, dass wir alle “anders” sind.
Aber jedenfalls, und das will ich nicht verleugnen:
Es war schön, mal normal zu sein.

05.11.2005 22:27
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“Guck mal, Mami, 2 Schwäne!”
“Ja, die sind zu zweit.”
“Und da, die 3 Frauen!”
“Jaja, die sind zu dritt.”
“Und der Junge da vorne? Der ist ja ganz allein.”
“Tja, mein Schatz. Der ist zu erst.”

Heute fing meine Ausbildung an, und in irgendeinem Aufzählungskontext produzierte mein Ausbilder zu zweit und zuerst in einem Satz.
Gefällt mir super! Weil es nämlich eine Reinterpretation des Alleinseins sprachlich aufzeigt, die ich ja sehr spüre. Beim Alleinsein ist man sich selbst nahe, man muss nie verhandeln. Ich bin immer zuerst. Nice.
Das soll jetzt gar nicht blöd und verbittert klingen: Ich halte diese Nähe zu sich selbst (solange es kein Egozentrismus wird) für eine der geilsten Sachen am Alleine leben, und auch für eine, die es in maßvollen Maßen auch in Beziehungen zu retten gilt.

Weil Lieben halt immer bei sich selber anfängt. Für beide. Und da ist dann auch wieder das “zu zweit”.

03.11.2005 20:20
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Abgesehen davon, dass zeitgeisty ein weiteres hübsches deutschstämmiges Wort der englischen Sprache ist, kam ich gerade auf diesen Satz.

Heute ist Weltmännertag!

Interessant, dass man das nicht weiß… Ich habs gerade erst erfahren, der Tag ist praktisch vorbei. Es wird wohl leider kein Bedarf an (männlicher) Emanzipation gesehen… so gibt es auch einen Wikipedia-Beitrag zum Weltfrauentag, aber keinen zum Weltmännertag.
Kein Bedarf leider. Und übrigens: Nur weil die meisten Männer den Bedarf nicht sehen, heißt das nicht, dass es ihnen super geht. In den 70ern gab es auch viele Frauen, die gemeint haben, sie stehen gern in der Küche, Röcke sind hübscher und die Männer sollen mal wählen gehen.

Ich sehe den Bedarf für “männliche Emanzipation” sehr wohl, einfach im Zuge der “menschlichen Empanziptaion”, eben unabhängig von Geschlecht, wie ich in meinem Beitrag zu Maskulinismus deutlich gemacht habe.

Jedenfalls frug mich mein Mitbewohner, was denn nun dran sei, was wir denn machen wollen am Männertag, und wir waren beide etwas überfordert. Besonders chauvimäßig sein und auf unser Recht pochen? Ne. Weiblichen Zügen mehr Raum geben? Auch Quatsch.
Und wir wussten es nicht. Und genau diese Desorientierung erschien mir dann sehr zeitgeisty.

“Echt, du weißt gar nicht, was deine Rolle so ausmacht? Hey, find ich voll modern von dir!”

Die Geschlechterrollen bröckeln und bröckeln, und ich finde es gut.
Im Übrigen bin ich ja, weil ich ja nicht wirklich Maskulinist bin sondern Antisexist, nicht für einen getrennten Frauen- und Männertag.
Sexismus trifft immer beide. Immer. Ausnahmslos. Weil Sexismus Menschen Freiheit nimmt. Das ist, je nach der Rolle, auf die man festgelegt wird, mehr oder weniger schlimm, aber es ist Sexismus.

Deswegen feiere ich heute abend noch ein bisschen den 2. Gendertag des Jahres.
Am 8. März ist der nächste Weltgendertag!

03.11.2005 16:17
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So, ich habe gerade das Blog teilweise auf eine Datenbank umgestellt (Kommentare noch nicht) – wenn ihr Seltsamkeiten bemerkt, bitte kurz Bescheid sagen!

03.11.2005 13:34
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[Die Mehrdeutigkeit in der Quantenwelt] kann auch praktisch genutzt werden. So wie die klassische Logik mit ihren Ja/Nein-Bits zur Grundlage herkömmlicher Computer wurde, sollen künftig die unbestimmten Quantenzustände als “Qubits” zur Informationseinheit des Quantencomputers werden.
Mit 300 Atomen lassen sich 2300 Zustände auf einmal darstellen“, ruft Zoller, “mehr als die Zahl der sichtbaren Atome im Universum!
Zeit Nr. 45

Geht’s denn noch? Wie jetzt, mit 300 Atomen mehr Zustände darstellen als es überhaupt Atome gibt… Das werden ja hübsch kleine Computer, wenn die das wirklich gebaut kriegen.

Aber witzig ist es doch. In der Psychologie gilt als ein wichtiger Faktor zur geistigen Gesundheit, dass man sich Widersprüche erlaubt.
Dass man also sagen kann “Naja, eigentlich halte ich mich für liebenswert, aber gerade hasse ich mich”, ohne darüber in eine Sinnkrise zu verfallen, wer man eigentlich sei, und ob die Liebe vorher nur Scheiße war. Oder so.

Und bald müssen das auch Computer können.
Ist doch süß.

03.11.2005 13:29
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Wenn jemand Liebe will, dann gibt es so etwas wie Liebe nicht, sondern nur Beweise der Liebe.
Izabelle in die Träumer

Das hab ich gerade online gefunden.
Den Film kenne ich nicht, aber der Satz spricht mich auch an. Der Autor, wo ich es fand, erlebt zugleich Zustimmung und Ablehnung. Kann ich verstehen.

Der Konstruktivist und Realist in mir sagt: “Ja, logisch. Es existiert ja für mich nur meine Wahrnehmung und meine Konstruktion, also meine innere Welt. Dann kann also nur der Beweis einer Liebe bei mir ankommen!”
Der Philologe (bin ich sowas?) aber ruft: “Ey! Klar gibt’s die Liebe auch so! Wenn es sie nur durch Beweise gäbe, gäbe es Liebe ja nur wenn was zurückkommt! Wie ätzend!”
Immerhin bin ich ja der Meinung, dass Liebe erst dann richtig geil ist, wenn sie eben nichts zurück erwartet.

Die Lösung liegt für mich in der Verortung der Liebe: Izabelle sieht sie im Gegenüber (Darum sagt sie wohl auch “Wenn man Liebe will”, nämlich von jemand anderem, wie der Autor treffend beschreibt). Und dann kann sie in der Tat nur die Beweise sehen, kann nie die Liebe ihres Partners erfahren.
Ich aber sehe sie ja in mir. Und meine Liebe kann ich sehr wohl spüren.
Und, auch wenn man jetzt argumentieren kann, dass ich mein inneres Erleben als Beweis für ein abstraktes Gefühl verwende, das stützt auch meine These, dass Liebe immer bei einem selber anfängt und vielleicht, so scheint es ja hier, auch gleich wieder aufhört.
This is the great individualism.

02.11.2005 22:06
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Gerade gefunden:

Untreue fängt an, wenn die Liebe endet.
Wer liebt ist treu. Auch wenn er andere liebt.
Promisc (Blog)

Schlau! Und völlig richtig, glaube ich. Und vor allem schön bündig. Hach, ich muss oft so viele Worte verlieren, um ein wenig Klarheit zu gewinnen…

Danke Promisc, für die Links! Ich schau mal öfter vorbei.