Monatsarchive: Januar 2005

Freiheit und Ehrlichkeit sind Geschwister. Ich hab vor ein paar Tagen Fremdgehen sehr dekonstruiert. Das ist nur teilweise richtig.
Beziehungen zu Menschen sind irgendwie immer auch Verträge. Alle Beziehungen, auch Freundschaften. Da gibt es Sachen, die okay sind, und welche, die nicht okay sind.
Manchmal sind sich da die beiden Menschen nicht ganz einig, und es gibt Streit.

Das ist schlecht. Eine gute Freundin von mir ist ne Weile ziemlich oft “fremdgegangen”, und ich habe ihr damals immer gesagt, dass ich das (aus den im beschriebenen Gründen) nicht schlimm finde, aber irgendwie, so merkte ich dann ein paar Monate später, ist es doch schlimm, weil ihr Lieber das gar nicht so sah, und für ihn wäre es eben doch eine Veränderung an dem, was er mit ihr hat.
Das mag ich für Quatsch halten, für eine “dysfunktionale Kognition”, aber das ist seine Welt (Konstruktivismus und so), und deswegen auch wahr.

Und deswegen muss das immer klar sein. Sonst schränkt man den anderen nämlich in seiner Freiheit ein, und das wäre ja irgendwie wider die Idee.

Insofern schränke ich mein Plädoyer vom 4.1. ein bisschen ein :) .

Ich hatte gerade ein langes Gespräch über die Liebe. Eine sehr wichtige Freundin von mir wollte auch immer frei lieben, und hat auch frei geliebt, und hatte auch freien Sex. Jetzt gibt es da einen Mann, und irgendwie will sie nur noch Sex mit ihm, und will die Nr. 1 für ihn sein, weil er auch ihre Nr. 1 ist.
Interessant.

Eigentlich ist da ganz viel drin, was mir missfällt. Hierarchie. Vergleich. Einzigartigkeit.
Aber wir haben lange gesprochen, schon zum wiederholten Mal, und auch das, was sie jetzt hat, ist frei, weil sie das jetzt so will.
Und in diesem Gespräch fiel mir auf, dass ich auch hier im Blog falsch verstanden werden könnte.
Dies ist keine Missionierung. Liebt wie ihr wollt.

Aber ich hatte schon oft das Gefühl, dass Leute mit den klassischen Konzepten unglücklich waren, ohne recht zu wissen, warum. “Warum verliebt sich niemand in mich?”. “Warum mag sie ihn lieber als mich?”. Usw.
Und das ist der springende Punkt. Glück ist das Ziel. Wenn man glücklich ist, ist alles gut. Wenn man sie dazu noch frei entschieden hat, für welchen Weg auch immer, ist das noch besser.
Die nicht-so.klassischen Konzepte sind auch nicht von Pappe.

Ich muss außerdem genauso aufpassen, dass ich nicht zu rigide bin in meiner Freiheit. Dass ich mir eingestehe, dass ich traurig bin, wenn man sich gegen mich entscheidet, dass ich auch wissen will, woran ich bin, dass ich das Gefühl haben will, wichtig zu sein. All diese Gefühle sind real. Auf einer kognitiven Ebene aber glaube ich zu wissen, dass danach noch etwas kommt, etwas wo ich hinstreben will.
Beide Ebenen, die augenblickliche, emotionelle, echte, und die anzustrebende, momentan noch kognitive, wahrhaftige* müssen da sein dürfen, und beide gleich wichtig. Ich vernachlässige die erste oft…

Passt gut zu meiner Legung von Neujahr. Nicht zu hart im Wollen und zu halbherzig im Fühlen sein…

*Wie weiß ich eigentlich, dass das was Wahrhaftiges ist? Verdammt.

Freies Lieben hat für mich sehr, sehr viele Facetten. Alle denken sofort an Sex, und das kann ich gut verstehen, denn Sex ist ne feine Sache, aber eigentlich steht das gar nicht so im Vordergrund.
Deswegen hier der erste Teil dieser Definitionsversuche.

Freies Lieben ist Allgegenwärtiges Lieben
Liebe ist nicht exklusiv. Bei Freunden ist das den meisten Menschen sofort einsichtig. Warum soll ich nicht mehrere Freunde haben? Immerhin sind sie alle unterschiedlich, und jeder und jede von ihnen hat bestimmte Eigenschaften, die sie sehr besonders machen, wegen derer ich sie liebe.
Auch in der Familie oder bei Tieren und Pflanzen wird nie gefordert, dass man sich auf ein Liebesziel beschränkt.
Wenn ich eine Frau liebe, aber schon… komisch.

Das ist für mich der eine Aspekt von freiem Lieben als allgegenwärtigem Lieben. Es gibt keine Einschränkung, wen man alles liebt.

Der andere Aspekt ist umfassender. Ziel ist für mich eine liebevolle Einstellung gegenüber allem und jedem. Klingt unkritisch, aber in gewisser Weise sind alle Menschen toll. Das kann man auf unterschiedliche Weise umreißen. Wenn ich das zum Beispiel konstruktivistisch sehe, dann baue ich mir durch meine Wahrnehmung meine eigene Welt (von der ich nie weiß, ob sie der Realität, wenn es eine gibt, entspricht). Demnach sind alle Menschen, die ich wahrnehme, ein Teil von mir. Wenn ich mich selbst liebe (und das ist wichtig), dann liebe ich auch sie.
Oder man sieht das Ganze holistisch. Diese Menschen sind genauso Teil der Welt, wie ich es bin, wir sind zusammen Teil der Menschheit. Dadurch sind wir uns ähnlich.
Oder man betrachtet es relativistisch. Jeder Mensch wird von irgendwem geliebt. Zumindest irgendwann mal. Also muss es etwas liebenswertes an ihm geben. Das zu sehen ist dann mein Job.

Hat ein bisschen mit meinem Praktikum zu tun (s.u.), wo ich ja genau das gut schaffe, weil man den Menschen so nahe kommt, ihren Gefühlen so nah ist, dass man mitfühlt (Achtung! Nicht mitleidet – wichtiger Unterschied), und so versteht, wer sie sind. Und im Kern sind sie alle sehr liebenswert.

Und diese liebenswerten menschen sind überall. Vielleicht hätte man, wenn das eigene Leben etwas anders verlaufen wäre, einige von ihnen kennengelernt. Wer weiß,
Und auch gegenüber anderen Lebewesen sollte man meiner Meinung nach diese Haltung entwickeln.

Im Wald geht das besonders gut. Da geht man hin und liebt einen Baum.
Der übrigens nichts zurückgibt. Aber das ist ein anderes Kapitel.

06.01.2005 21:06
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Allgemein

Das Blog freut mich. Ich denke jetzt abends immer kurz darüber nach, ob mir am Tag die Liebe begegnet ist, und in welcher Form.
Das ist ja eigentlich der Witz, dass man die Liebe überall sieht.
Oh, dazu werd ich gleich einen Extra-Eintrag schreiben! Mir ist was eingefallen.

04.01.2005 21:00
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Sex

Das Wort ist mir heute begegnet, und irgendwie gehört es ja auch zu freiem Lieben. Oder halt eben nicht.
Mein etymologisches Wörterbuch erklärt das “fremd” darin recht diffus als “außerhalb der gewohnten Umgebung”.
Man geht also irgendwo ungewöhnliches hin. Stimmt. Aber ist das schlecht?

Ich hatte schon Nächte mit Menschen, die irgendwo noch wen liebten, oder mochten, oder Sex* mit wem hatten, und ich hatte auch schon Nächte mit Menschen, während ich selbst noch wen anders liebte, mochte, oder Sex* mit ihr hatte.
Glücklicherweise war das immer okay, weil immer für alle klar war, dass besagte Nächte nichts an dem ändern, was mit den anderen Menschen ist. Sie wurden durch unsere Nacht nicht hässlicher, langweiliger oder weniger liebenswert. Sie hatten damit nichts zu tun.
Außerdem waren die Leute auch nie fremd (was für ein Quatsch, auch. Warum soll ich Fremde streicheln, ich will doch Leute streicheln die ich mag).

Ich frage mich doch, ob Fremdgehen dann okay ist, oder ob es dann überhaupt kein Fremdgehen ist. Letzteres erscheint mir plausibler, weil Fremdgehen an sich schon so nach Enge klingt, nach “Hier ist deine gewohnte Umgebung, hier bleibst du”. Viel zu eng, viel zu käfig**. Für mich. Und Gewöhnung klingt auch schon scheiße. “Das hier ist meine Freundin, an die hab ich mich gewöhnt, weil sie sehr gewöhnlich ist. Für gewöhnlich bleiben wir in unserer gewohnten Umgebung. Es geschieht nichts ungewöhnliches.”

Also: Wenn ihr mit mehr oder minder fremden Menschen eine schöne Nacht hattet, bedenkt zwei Dinge:

  1. Es muss nichts ändern an dem Gefühl für die dritte Person.
  2. Es ist etwas ungewöhnliches. Vielleicht ein bisschen selten. Vielleicht ein bisschen kostbar. Wie Gold.

PS: Eine Einschränkung der Thesen hier ist mir ein paar Tage später auch noch aufgefallen. Der Vollständigkeit halber hier der Link dorthin.

*Sex ist für mich ein ziemlich dehnbarer Begriff und hat beinahe nichts mit Penetration zu tun. Fast alles, was zwischen zwei Lebewesen passiert und Lust auslöst, ist für mich Sex. Manchmal sage ich auch Körperlichkeiten, um das deutlicher zu machen.
**Ich habe soeben ein neues Adjektiv erfunden. Lustig, bündig, käfig. Nicht zu verwechseln mit käferig.

Ich mache jetzt ein Praktikum bei einem Psychotherapeuten, und merke etwas Schönes. Ich dachte, Psychotherapeut sein wäre schwer, weil man jeden Tag die Probleme anderer Leute hören muss.
Aber ein Großteil ist auch, dass man sich jeden Tag die Lösungen dieser Menschen anhört!

In der Praxis wird mit einem beratenden Team gearbeitet, das heißt, die Sitzung wird (mit Einwilligung des Klienten) per Video in einen Nebenraum übertragen. Da sitzt dann das Team, mit dem sich der Therapeut beraten kann, nachher, und das bin halt jetzt oft ich.
Und die Menschen werden so schön, wenn sie sich öffnen. Sie kommen ins Zimmer und sind nur die gleichen grauen Gesichter, wie man sie jeden Tag auf der Straße sieht, und dann beginnen sie, zu erzählen, und sie werden wunderschön.
Weil wir halt doch alle gleich sind. Manchmal, wenn ich in der Mensa und gleichzeitig schlecht drauf bin, schaue ich mich um mit dem tröstlichen Gedanken, dass alle dort, wirklich alle, schonmal geweint haben.

Die Erfahrung bei dem Therapeuten geht noch einen Schritt weiter. Nicht nur haben alle Menschen diese Probleme, sie werden durch sie gezeichnet.
Sie zeichnen uns aus. Wir sind halt alle Menschen, und unser Leid ist gleichzeitig unsere Schönheit.

Dazu passt gut die e-mail einer Freundin, die klagte, weil sie verliebt war, und es jetzt weh tut. Aber auch hier gehört das Leid zur Liebe, zur Schönheit, fand ich und schrieb ich ihr. Mal sehen was sie sagt.

02.01.2005 12:26
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Allgemein

Ich schrieb letztens einer Freundin eine e-mail, in der ich ihr erklärte, was ich unter freiem Lieben verstehe. Gerade fiel mir auf: Sie gehört hierher, zumindest in Auszügen. Er setzt an nachdem sie von einem Mädchen schrieb, das mit zig Jungs ins Bett geht und das Leben sehr genießt.

Das ist für mich nicht unbedingt freie Liebe. Das ist mehr freies Ficken. Ist auch schön, wenn man’s hinkriegt, also: Ins Bett springen, Spaß haben, weitermachen, so wie sie das scheinbar macht, aber das kann ich auch nicht so gut. Oder nicht immer.
Freies Lieben (ich sag ja immer extra freies Lieben statt Freie Liebe, um genau diesen Unterschied deutlicher zu machen), heißt für mich eher, dass es okay ist, wenn man es schade findet, wenn nichts mehr ist. Dass es okay ist, jemanden zu “lieben”, und jetzt ganz allgemein, zu lieben, weil er ist, wer er ist, weil man selber ist, wer man ist, weil es alles so schön ist.
Da gehört Mut zu, das zu tun, ohne was zurückzukriegen, oder ohne sicher zu sein, und man wird verletzt, und man wird es traurig finden, aber was unterm Strich bleibt, ist, dass man sehr oft liebt, dass man auf lange Sicht eine liebevolle Einstellung entwickelt, gegenüber den Menschen, vielleicht gegenüber der Welt, vor allem aber gegenüber sich selbst. Weil Lieben so wichtig ist.
Man sucht so oft nach Gründen für die Liebe, so nach dem Motto “er ist mir so nah, ich liebe ihn”, “er ist so anders, ich liebe ihn”, “sein Schwanz ist so groß, ich liebe ihn”, aber das ist alles egal. Es gibt kein Rezept.
Die Liebe ist auch kein Kuchen, der weniger wird, wenn man Stücke verteilt. Die Liebe schmeckt auch nicht immer gleicht. Ich nenne sehr unterschiedliche Sachen so, von Freundschaft über Beziehung bis zu Situationen die einem gefallen.
Das ist alles egal. Wichtig ist nur, dass man bei sich ist, dass man all das schöne wahrnimmt, was in einem selber passiert, sei es jetzt kurz-vorm-orgasmus-sein oder die-ganze-zeit-lächeln-müssen-weil- es-so-schön-ist. All das ist Liebe, oder vielmehr Lieben, und darum geht’s mir, das will ich im Leben. Und dazu gehört auch die Angst und das Verletztsein, glaub ich mittlerweile.
Kennst du Harold und Maude? Junger Mann liebt alte Frau? Jedenfalls wird es dann schwierig, und Maude wird älter und wird sterben, und Harold findet es scheiße, und sie sagt, dass das halt so ist, dass Menschen eben älter werden und sterben, und er sagt “But it hurts” und sie antwortet “Yes. And be hurt some more.”

02.01.2005 12:03
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Allgemein

Im Übrigen habe ich in der Silvesternacht noch eine Jahreslegung gemacht, weil ich wissen wollte, ob ich mein “Ideal” der freien Liebe weiter verfolgen werden, ob ich es schaffe, und es sieht ganz gut aus…
Für die, die sich damit ein bisschen auskennen, hier der Ausblick.
jahreslegung

Das Spiel ist die Stufenleiter, und es basiert auf astrologischen Prinzipien (von links nach rechts: Saturn, Jupiter, Venus, Mars, Venus, Merkus, oben Sonne, unten Mond – Ich hab das Spiel 90° nach rechts gedreht). Ich frage mich, ob ich die beiden Könige bin, also verschiedene Seiten von mir, oder ob ich irgendwelche Männer treffe…
Vielleicht entdecke ich ja doch noch meine Bisexualität. Spannend.

Die ganzen Bilder von Freiheit sind immer einsam.
Der Cowboy in der Prärie, der Adler in der Luft. Starke Symbole, aber einsame Symbole.
2004 war bei mir auch so, dass ich das Gefühl hatte, mit meiner Entscheidung für die Freiheit erlebten viele Menschen auch eine Entscheidung gegen die Nähe zu ihnen, was natürlich Einsamkeit nach sich zieht.

Eigentlich, so besprach ich gestern beim Silvester feiern, heißt natürlich absolute Freiheit auch Freiheit von Einsamkeit, weil man dann in sich ruht. Aber so weit bin ich noch nicht. Komm ich vielleicht auch gar nich.

Deswegen ist mein Vorsatz für’s neue Jahr “Nähe”.
Das ist zum Einen die Nähe zu mir, aber zum Anderen auch die Nähe zu Menschen, die mir wichtig sind.