Monatsarchive: März 2006

11.03.2006 12:48
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Necla Kelek ist seit 1968 in Deutschland und lebte aber hier in ihrer Familie, die, so fern der Heimat, sehr strengen muslimischen Regeln folgte.
Das sagt man ja oft, dass die Türken hier weitaus religiöser sind, also ernsthafter religiös, als in der Türkei, keine Ahnung ob das stimmt.

Frau Kelek ist Frauenrechtlerin und Soziologin, was sie ja durchaus qualifiziert, zur Rolle türkischer Frauen und zu Integration in Deutschland allgemein etwas zu sagen.

Ich bin ja leider immer nicht so richtig auf dem Laufenden, was das Weltgeschehen anbetrifft. Manchmal springt mir eine Schlagzeile aus dem Newsfeed der Tagesschau ins Auge, aber fernsehen tu ich nicht, und ich habe auch nur eine Wochenzeitung, namentlich die Zeit.

In jener wird mir berichtet, und wenn ihr wollt auch euch, dass Necla Kelek arg polarisiert momentan, weil sie sich recht rigoros für ein paar bestimmte Schritte in der Integrationspolitik einsetzt.

Viele davon (sie stehen nämlich in den Artikel) nickte ich beim Lesen ab, und dachte, Ja genau, stimmt, das macht Deutschland aus, irgendwie Grundgesetz, oder so.
Gewalt und Rassismus werden nicht geduldet, von und an niemand eingewandertem, die Schule ist Sozialisationsinstrument und somit muss Enkulturation dort stattfinden, was zum Beispiel heißt, dass dort Deutsch gesprochen wird, und dass Sportunterricht und Sexualkunde halt Pflichtfächer sind.
Heirat muss freiwillig sein, und Polygamie ist ein Grund, die Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen.

Huh?

“Die Mehrehe wird geächtet. In den Sozialversicherungen werden entsprechende Regelungen geschaffen, die eine Unterstützung der Polygamie verhindern. Polygamie ist ein Grund, die Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen.
Necla Kelek

Ja… Äh. Hui. Ich hab dann auch die anderen Sachen nochmal vorsichtiger und mit weniger Nicken gelesen.

Jean Auguste Dominique, Turkish Bath
Jean Auguste Dominique, Turkish Bath

Es gibt zwei große Stichworte, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind, Kulturrelativismus und Validität.

Kulturrelativismus

Das hat einerseits aufklärerische Gründe – ich halte es für zeitgemäß (Argumentation vorstellen: Die heutige Zeit, Globalisierung, Culture Clash vermeiden), Pluralismus auszuhalten. Bei aller Demokratisierung von Staaten muss auch das Weltgefüge demokratisch bleiben und Minderheiten, die anders denken, müssen ausgehalten werden, auch wenn sie unbequem sind.

Genau jene Gedanken spiegelt im Inneren, und ums Innere geht es ja, das Grundgesetz in den Artikeln 2 bis 4 wider.
Der Mensch ist in der Persönlichkeitsentfaltung frei, darf nicht diskriminiert werden, und Glaube spielt sowieso außer Konkurrenz. Säkulärer Staat hin oder her, das heißt ja nicht, dass Religion weg soll, sondern dass Staat und Religion getrennt sind.

Eben jene Rechte haben auch Immigranten, weil das halt im Grundgesetz steht. Es mag dann eindrucksvoll sein, wenn eine türkische (!) Frauenrechtlerin (!) solche Dinge fordert, aber es hiflt nichts, ein paar Sachen ecken da etwas an. Zum Beispiel Zwang zum Schwimmunterricht. Da muss man schon abwägen.
Oder eben (ihr habt es euch sicher schon gedacht, dass es darum gehen würde), die Vielehe.

§2 (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Okay, Sittengesetz. Die Wikipedia verrät mir, dass das nicht im eigentlichen Sinne ein Gesetz ist (as in: irgendwo gesetzt, also geschrieben), sondern nur die Gesellschaftsmoral betrifft.

Frau im Hijab
Schicker Hijab.

Das macht das ganze etwas schwierig, sehe ich ein, aber ich möchte das mal mit einem Handstreich fortfegen und darauf hinweisen, dass sexuelle Normen sich eh grad alle öffnen (BDSM, Homosexualität), und da ist es nur fair, wenn Poly da auch rein darf.

Heißt für mich: Solange eine Vielweibererei nicht gegen den Artikel 3, Absatz 2 (“Männer und Frauen sind gleichberechtigt”) verstößt, hat da kein Immigrationspolitiker was dran zu wollen.

Validität

Das hat mich schon bei der Idee des Sprach- und Kulturtests gestört. In kurzen Worten: Mindestens 1 Drittel der Deutschen würde den Einbürgerungstest nicht bestehen, so meine Prognose, sei es wegen sprachlicher oder historischer Defizite. Mal ehrlich, die Leute die die Tests fordern und entwickeln sind doch Bildungselite.

Insofern ist es kein valider Test, um Berechtigung zum Deutschsein zu ermitteln, denn er misst nicht das, was er zu messen vorgibt: Deutsche Werte, deutsche Fähigkeiten.
Er misst stattdessen ein Ideal, zu deutsch: einen Wunschtraum von Gesellschaftsmachern wie Frau Kelek, wie das denn hier laufen müsste.
Diese Wünsche sind erstmal auch ganz nett, aber (a) können wir nicht schon wieder Ausländer ins Land holen, damit sie die Dreckarbeit machen (die Gastarbeiter aus den 60ern haben Kohle gefördert, und die Gastidealisten von jetzt sollen unsere Gesellschaft fördern), und vor allem (b) sind das nicht jedermanns Wünsche (das Thema Demokratie und Kulturrelativismus hatten wir ja schon).

Ich würde nämlich auch gehen müssen, bei dem Test vielleicht nicht, aber bei den Regeln von Frau Kelek, ich bin ja poly. Schlimm genug, dass bald die Sozialversicherungen ahnden werden, was ich als Persönlichkeitsrecht begreife (§2 (1), s.o.), aber dass ich gleich ausgewiesen würde…

Bin ich denn so ein schlechter Deutscher? Schade.

11.03.2006 1:22
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Piaget sprach immer davon, dass Kinder die Welt begreifen müssten, um sie zu begreifen. Also anfassen, um sie zu verstehen.

Ich selbst kenne das zum Einen auch von mir und der Welt – vom ersten Schnee muss ich immer eine Handvoll in meiner Hand zerschmelzen lassen, und an gefrorenem Tau komme ich auch nicht vorbei – aber vor allem von mir und den Menschen.

Sobald ich beginne, Menschen zu mögen, möchte ich sie berühren, und vorhin fiel mir ein, dass Piagets Ausdruck bei mir auch ganz gut passt.
Denn der Wunsch, die Menschen zu berühren, entspringt dem Wunsch, sie besser zu verstehen – dafür muss ich sie begreifen.

Fühlen, Begreifen, Sich befassen.

Auch das Wort “Gefühl” trägt diese Doppeldeutigkeit in sich, fühlen tut man mit dem Herzen und den Händen gleichermaßen.

Ich lese momentan wieder “Narziss und Goldmund” von Hermann Hesse, und Narziss und Goldmund sind eigentlich gegensätzlich, wie es nur geht. Narziss ist ein Denker, ein Analytiker, er liebt das Wort und die Logik, während Goldmund ein Sinnenmensch ist, einer, der das Leben trinken will, der auf seinen Wanderschaften das Leben versteht, in dem er friert, berührt, schaut, und vor allem mit Frauen die Nächte verbringt.

Ergriffen?

“Er betrachtete mit immer neuem Entzücken die unendlich verschiedenen Arten, wie ein Kopf auf einem Halse sitzen, eine Stirn sich vom Haarwuchs sondern, eine Kniescheibe sich bewegen konnte. Er lernte im Dunkeln, mit geschlossenen Augen, mit zart prüfenden Fingern eine Art Frauenhaar von der andern unterscheiden, eine Art von Haut und Flaum von der andern. Er begann zu merken, schon früh, dass vielleicht hierin der Sinn seiner Wanderschaft liege, dass er vielleicht deshalb von einer Frau zur andern getrieben werde, damit er diese Fähigkeit des Kennens und Unterscheidens immer feiner, immer vielfältiger und tiefer erlerne und übe. [...]
Mochte er für Latein und Logik zwar fähig, aber nicht in besonderer, erstaunlicher, seltener Weise begabt sein – für die Liebe, für das Spiel mit den Frauen war er es.”

Mit dem Wissen, das er so erlangt, und zwar sowohl über das, was die Menschen außen, wie auch das, was sie innen schön macht, wird er später Künstler, und auch hier findet sich der mir so lieb gewordene Gedanke: Er erfährt Nacktheit, und die befähigt ihn, gute Kunst zu machen.

Jedenfalls gefällt mir das. Hier in Deutschland fasst man sich sehr wenig an, das ist schade. Ich spreche gar nicht von den intimen, zärtlichen Berührungen, wie Goldmund sie erfährt und sucht, ich spreche von jeglicher Berührung als Ausdruck von etwas, von Nähe, Zuneigung, Wunsch, … Sexualität ist nur ein Ausdruck unter so, so vielen, aber irgendwie wird dieser immer am ehesten verstanden, leider. Ich drücke mich nämlich häufig körperlich aus, und werde dann gelegentlich gefragt, ob ich das eigentlich für mich oder für die berührte Person mache.

Diese Frage impliziert, dass man sich Berührungen “holt”, “bekommt”, man gibt sie nicht, man nimmt sie.
Aber das stimmt gar nicht.

Bilder von Photocase.com.

10.03.2006 22:32
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Soeben habe ich eine Klientin abgelehnt.

Ich habe keine Ahnung, worum genau es geht, ich wusste nur, ihr Freund hat sie betrogen, sie ist eifersüchtig und ist momentan dabei, ihn zu kontrollieren.

Viele mögliche Richtungen wären mit mir wohl auch möglich gewesen, zum Beispiel zu schauen, was das mit ihr gemacht hat, dass er unehrlich war, was es ihr gibt, ihn zu kontrollieren und solche Sachen.
Aber allein die Tatsache, dass ich, in meiner Haltung des Nichtwissens und der Kooperation, hätte hinnehmen müssen, dass ihre Eifersucht für sie halt ganz was Anderes bedeutet als sie es für mich tut, dass zum Beispiel für sie die Eifersucht etwas ist, was der Freund mit ihr anstellt, und nichts, was sie hat, hat mich den Auftrag an einen Kollegen abtreten lassen.

Einerseits stehe ich total hinter dieser Entscheidung. Ich habe Zweifel, ob ich die bestmögliche Beratung anbieten kann, ein Kollege hat Ressourcen frei, wunderbar.
Andererseits will ich bei diesem Thema eigentlich nicht befangen sein, aus ganz vielen Gründen. Erstens ist es ein häufiges Thema, ich lege mich wirtschaftlich völlig lahm, wenn ich das auf ewig ausschließe. Zweitens habe ich ein super Hintergrundwissen zum Thema und habe mich sicherlich eingängiger damit beschäftigt als manch anderer Therapiemensch. Drittens will ich mich vor allem nicht mit meinen Meinungen selber ausgrenzen, das passiert mir ja schon von außen viel zu oft.

Ach, vielleicht hätt ich das doch machen sollen… Schlimmstenfalls hätte ich gesagt “Tut mir leid, ich denke so fundamental anders über diese Dinge, ich glaube nicht, dass ich Ihnen ein guter Berater wäre”, und viel wahrscheinlicher hätte ich einfach mein Nichtwissen in einer Situation geprobt, in der es mir halt ein bisschen schwerer gefallen wäre, und vielleicht hätte meine andere Sicht auch eine ganz spannende Dynamik entwickelt…

10.03.2006 11:09
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Lichtwerk

Neele Leana Vollmar ist zwei Jahre älter als ich und hat einen Film gemacht.

Ich sage das nicht leichtfertig, viele Leute machen, obwohl sie Filmemacher sind, etwas ganz anderes: zuviel Tamtam, einem Schande, Schlag ins Wasser.

Neele Leana Vollmar erzählt in “Urlaub vom Leben” die Geschichte eines Mannes, der Urlaub bekommt, nicht damit umzugehen weiß, und nun schonungslos mit seinem schwierigen Privatleben konfrontiert ist.

Klingt beinahe etwas schlicht, die Geschichte.

Aber wie sie das erzählt! Es ist ein Film, wirklich, das ganze Ding hat keine Szene zuviel, in jeder versteht man mehr über die Menschen, mehr über die Zusammenhänge, und Frau Vollmar, oder meinetwegen auch der Pascal Schmit (Kamera), zieht die Einstellungen aus dem Holfter wie im Duell, und mit jedem Schuss erblühen Metaphern, die so universell wie einfach sind.
Zack, zack, zack – Supermarktregal, Bus, Taxi – Überforderung, Vergangenheit, Hoffnung. Pffh, Knarre auspusten, Duell erledigt, gewonnen.

Jedes Bild (Und AuD spricht sinngemäß zu Recht: “Ein gutes Bild ist ein Schlüssel zu einem ganzen [U]niversum“) ist aufgeladen mit Semantik, obwohl nichts darin ist, nichts außer all der Dinge, die schon immer da waren, die man so gut kennt, dass sie einem öde werden: Nämlich dem Leben.

Der Film nimmt viele dieser Dinge und Begebenheiten, und schickt sie in Urlaub, nur dass sie dadurch nicht fort sind, nicht entfernt, sondern ganz nah an sich, an ihrem Wesen, und endlich versteht man, was dahinter ist.

Gustav Peter Wöhler
Gustav P. Wöhler

Nebst der Bilder sind es die Figuren, wo man immer das “dahinter” spürt, ohne dass es wirklich oft auftaucht, vor allem ohne dass es erklärt wird.

Meret Becker
Meret Becker

Und genau das ist ja eben das Leben, ist vor allem das Leben mit anderen Menschen: Hinter jedem Menschen wartet eine Geschichte, ein Schicksal meinetwegen, zumindest eine Pointe, auch ohne dass sie erzählt wird, sie ist einfach da, und irgendwie schafft Neele Vollmar es, diese … ja, diese Präsenz, im eigentlichen Wortsinne, diese große Präsenz einzufangen, und auch die Schauspieler schaffen es, jeder auf seine Weise.

Gustav Peter Wöhler dadurch, dass er eigentlich fast nichts tut, und so die Dinge, die er dann tut, auflädt und auflädt mit Energie, Meret Becker dadurch, dass sie tiefe, schöne Dinge ausspricht in einer Oberflächlichkeit, die irgendwo zwischen Nonchalance und Nebensächlichkeit liegt. Ich habe lange darüber nachgedacht, was ihre Sätze (Drehbuch übrigens Janko Haschemian, die Sätze kommen ja irgendwoher) so schön macht, und ich glaube, sie spricht die Dinge einfach aus, bei denen man eigentlich Pausen erwartet, Zögern, Stocken, eben Nachdenken, aber all dies tut sie erst, wenn der Satz schon gesprochen ist. Wahrheit sagen, sacken lassen. Und die ganze Zeit schaut sie so, als wäre sie selbst der gute Einfall, den man gerade hatte.

Hach, ich kann mich gar nicht sattreden! Im Film sind so unglaublich viele kleine Metaphern und Bilder und Wahrheiten und Kunstgriffe, ist, und ich glaube das ist der Grund, dass ich so bewegt bin, Authentizität.

Und genau deshalb darf und muss die Geschichte etwas schlicht klingen, weil das Leben nunmal schlicht ist und eben gerade darum dennoch und deswegen genau wunderbar.

Ich verneige mich tief, wirklich wirklich tief, vor einem solchen Film und allen die daran beteiligt sind.

09.03.2006 14:26
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Ich wurde vor einiger Zeit in einem Kommentar auf die Positionierung der grünen Jugend zum Thema Monogamie aufmerksam gemacht.

Wie das so ist mit jungen Politiktreibenden, der eigentlich Standpunkt ist etwas kühn, und, wenn man ehrlich ist, auch etwas populistisch formuliert. Nichtsdestotrotz tut sich da was, weil das Schlagwort “Homo-Ehe” zum Glück langsam etwas abgedroschen ist, und, weil man nichts Neues findet, die tatsächliche Vielfalt mal dran ist.

Homo-Ehe finde ich nämlich zwar auf individueller Ebene für viele Leute schön, gesellschaftlich aber ist es eigentlich der gleiche patriarchale Strukturenmist, die gleichen Konzepte von Besitz und Vertragsdenken, von Ewigkeit, kurz: vom romantischen Ideal, die in Ehe halt so drinstecken.

Dementsprechend bin ich erfreut, wenn eine der großen Parteien (ich bin mal so frei) sich diesem Thema annimmt. Oder doch mit dem Genitiv? Keine Ahnung.
Im Blog der grünen Jugend entfoch das Thema jedenfalls eine stiebende Diskussion, mit den üblichen Parolen von beiden Seiten (interessanterweise direkt im Leserbrief, um den der Blogeintrag geht, auch so Bibelgesummse von Recht und Ordnung – da wird mir ja immer kalt) und viel zu viel Beiträgen, um sie alle zu lesen, aber zum Drüberschauen und sich freuen, was so geht, ist es sehr nett.

08.03.2006 14:55
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Ich bin ja auf Genderthemen doch ziemlich eingeschossen, und bin aber im Grunde gegen geschlechtsspezifische Emanzipation.

Die Emanzipation, die mir vorschwebt (Wikipedia: “Ziel jedes emanzipatorischen Bestrebens ist ein Zugewinn an Freiheit bzw. Gleichheit”), ist eine der grundlegenden Annäherung von jeglicher Volksgruppe, was die Rechte angeht, und vor allem geht es mir, fasst man den Begriff etwas klassischer, auch um die männliche Emanzipation.

Insofern – wie finde ich eigentlich den Weltfrauentag, der ja heute ist? Was bedeutet er? Für mich?

Die Recherche macht mir eines deutlich. Es geht eigentlich nur sekundär um, zum Beispiel, meine Mitbewohnerinnen, meine Mutter, die Frauen in meiner Stadt. Vielleicht geht es bei ihnen darum, sich klar zu machen, was sie für Menschen sind, dass es gut ist, dass es sie gibt, und der Weltfrauentag ist dabei nur ein willkürlicher Anlass, sich das klarzumachen, so wie Geburtstage auch nur ein Anlass sind, sich über die Geburt eines einzelnen Menschen zu freuen.

Die Wurzeln des Internationalen Frauentages liegen zum Einen ziemlich lange zurück, sodass allein schon das historische Gedenken an Frauenrechte in vergangenen Jahrzehnten den Tag sehr angemessen macht, und zum Anderen im Sozialismus; beschlossen wurde er nämlich am 27.8.1910 auf der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz, und eine Freundin, die in Rumänien aufgewachsen ist, erläuterte mir, warum das Sinn macht. Im Sozialismus sind ja bekanntermaßen alle gleich, und vor allem zählt der Arbeiter viel. Somit sind auch alle Frauen Arbeiter. Dennoch sind “klassische Frauentätigkeiten” auch im Sozialismus die Domäne der Frau. Haushalt und Kinder sind Frauensache, und am Weltfrauentag wird diese Doppelbelastung symbolisch einmal anerkannt.

Insofern: Ja, sicher, die Emanzipation (also die der Frauen, jetzt) ist in Deutschland, der Schweiz und Österreich natürlich sehr weit, und der Weltfrauentag ist irgendwie wieder nur ein Schachzug der Blumenindustrie.
Aber woanders werden Mädchen genital verstümmelt, dürfen Frauen nicht wählen, kein Auto fahren und keine Widerworte geben, und wannanders war das alles noch viel verbreiterter und schlimmer. Und da kann man ruhig mal einen Tag lang drüber nachdenken, finde ich.

Es ist nämlich der Weltfrauentag.

Also, ihr lieben Frauen da draußen: Einen schönen Weltfrauentag wünsche ich. Es ist schon viel passiert, und dafür könnt ihr dankbar sein, und vielleicht ein bisschen stolz darauf. Und weitermachen, natürlich.
Und, ihr lieben Menschen da draußen: Vor allem weitermachen… in der Welt ist noch viel zu tun, und Gleichheit geht, so ist das eben, alle was an.

07.03.2006 19:48
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Nehmen Sie einmal die Schwerkraft. Sie ist nichts weiter als eine Formel oder ein Gesetz. Ich sage Ihnen, Ihr Gott ist so eine Formel!
Er kennt Sie genau so, auf die Art, wie die Schwerkraft uns kennt. Nicht geht ohne sie oder IHN, ER ist in allem, und die Folgen aus einer Handlung gegen ihn bringt sofort das jüngste Gericht: Du brichst dir den Hals.
Die Schwerkraft ist nicht gut und nicht böse. Sie gibt keine Befehle, wer aber gegen Sie handelt, straft sich selbst postwendend. Wer mit ihr handelt, kann fliegen.

Janosch im Interview mit einer Chrismon-Redakteurin

07.03.2006 16:07
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Der oft erwähnte Nacktheitsgedanke hatte sich im Grunde schon mit dem Redesign des Blog angekündigt.
Ein halbnacktes Bild von mir ziert die Titelleiste, und auch wenn ein Teil der Motivation sicherlich durch mehr oder minder schnöden Exhibitionismus erklärbar ist, einen anderen Teil werte ich als unbewusste Entscheidung zu mehr Striptease.

Obwohl, nein Strip-Tease ist ja überhaupt nicht der Witz. Teasing ist ja gar nicht das Ziel, im Gegenteil.
Disclosure, also Offenbarung, Enthüllung, darum geht es, und zwar nicht in der Titelleiste, sondern beim Bloggen an sich. Zumindest zeichnet gute Blogs eine gewisse Authentizität (und ein gewisser Stil) aus.
Ich habe gerade mit großen Interesse bei Bandini gelesen, was ihn mit 14 so umgetrieben und wo er sich so rumgetrieben hat, und dachte “Hey, mann, warum ist das eigentlich interessant? Nicht nur kenn ich den Mann gar nicht, nein, das ist auch noch länger her als ich denken kann, wenn ich richtig einschätze, wie alt der gute jetzt ist”.

Aber es ist wie Warhol sagte:

“In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes.”
Andy Warhol, 1968

Warhol spielte damit vor allem auf die Macht von Medien in dem Sinne an, was sie mit Menschen machen können. Talkshows und Reality Dokus geben ihm recht, und im Angesicht dieser Änderung hat er einige Jahre später seinen Ausspruch aktualisiert:

Für mich steckt da auch was anderes drin, was Schönes. Denn der Grund dafür, dass die Medien aus beliebigen Menschen eine Berühmtheit machen können, spricht in gewisser Weise nicht nur für die Manipulationsmacht der Medien, sondern auch für die Gleichheit von Berühmtheiten und den normalen Menschen.

Das führt mich zurück zum Gedanken der Nacktheit. Das was nämlich gleich ist, ist eben das, was nackt ist. Heute kriegt man Ruhm dafür, wenn man man selber ist – auch wenn ich die mediale Präsenz in der privaten Welt für schrecklich halte, so gefällt mir doch die Idee, dass Leute Ruhm erlangen, weil sie sich nackt machen, sich als Menschen zeigen.

Oft läuft das andersrum: Warum interessiert es mich, dass Heiner Lauterbach in Indien im Knast saß, weil er Rauschgift schmuggeln wollte? Warum gebe ich irgendetwas darauf, was Musiker über Hungersnöte denken? Warum interessiert mich ihre Nacktheit, warum will ich mehr über sie wissen? Nur weil sie schon berühmt sind, weil mir oft die Gelegenheit geboten wird, sie als Menschen zu sehen. Genau das versuchen ja, mit widerwärtigen Mitteln, aber dennoch, auch Paparazzi: Die Menschen so zu “kriegen”, wie sie wirklich sind.

Und Blogs haben genau diesen Sinn, ohne den ganzen Kokolres von Berühmtheit vorher. Und deswegen lese ich zum Beispiel über Bandinis Jugend, oder was da sonst so ist.
Es ist authentischer Kram. Disclosure. Bei Blogs wie bei Berühmtheiten. Die Menschen öffnen sich, und berühmte Leute haben nunmal oft Mikrophon und Kamera um sich, und dass dabei gelegentlich mal Authentisches rüberkommt, zwischendurch, ist ja klar. Blogger wählen schlicht selbst, wann und womit sie auf Sendung gehen.

Und 15 Minuten dürfte übrigens exakt die Zeit sein, die es dauert, sich bei einem beliebigen Blogdienst anzumelden und dort den ersten Beitrag zu schreiben. Oder ein Nacktbild reinzustellen. Und vielleicht damit berühmt zu werden. Aber auf jeden Fall genügt es, um sich nackt zu machen, im beliebig übertragbaren Sinn.

In 15 minutes everybody will be famous.

05.03.2006 17:15
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Gestern sprach die Wahlschwester davon, dass man die Absurditäten des eigenen Lebens verstehen müsse, oder sich ihnen als erstes widmen. Ich weiß es leider, leider, nicht mehr so ganz genau, aber es war ganz fürchterlich richtig.

05.03.2006 17:01
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Ben zeigt mir das Netz, das ist nett:

“Werden wir für immer beste Freunde sein?”
“Kann sein. Kann auch nicht sein.”
supatopcheckerbunny.de