Herrgott, was war ich gestern auf einer wunderbaren Feier. Eine so große Seligkeit, ein solcher Frieden, ich war noch heute die ganze Zeit wie besoffen von der Zufriedenheit.

Eine gute Freundin von Paikja macht immer mal wieder eine kleine Feier, diesmal anlässlich ihres Geburtstags, und besagte Freundin kennt einfach nur wunderbare Menschen. Zarte, fühlige, ehrliche Menschen, die sich nicht schämen, und die sich von vielen Zwängen schon befreit haben.
Da kann geweint werden und gelacht, geschmust und getanzt, es wird geküsst und geredet, und alles fließt ineinander, wie es eben ineinander fließen muss, wenn alles frei fließt.

Ungefähr diese Art des Miteinanders ist mein Traum, darin sind die Dinge, die ich mit “freies lieben” umschreibe, realisiert. Unabhängig von der Anzahl der Partner oder der Form der Beziehung: Diese Art zu leben ist ziemlich genau das, was ich erreichen will.

Ich glaube, eine der Frauen hätte mich auch gern mit nach Hause genommen, und der Grund, dass ich dazu keine Lust hatte (ganz egal ob ich die Signale richtig gedeutet habe oder nicht), reiht sich in die schönen Seiten des Abends perfekt ein: Ich war bereits so voller Liebe und Glück, dass die Aussicht auf eine zärtliche Nacht zu zweit mir nicht als Steigerung erschien, sondern fast wie ein banales Ende einer unglaublich schönen Nacht, so als wäre all die Zärtlichkeit und Nähe nur ein Weg hin zu Sex.

Ist natürlich irgendwie Quatsch, die Nacht wäre sicher völlig traumhaft geworden. Wunderbare Frau. Aber das Gefühl war eben wie es war.

Außerdem war ich müde.

Mr Review sorgt sich, das finde ich nett, und so komme ich seiner Bitte nach und melde mich nochmal. Tatsächlich fällt die Bitte in eine Phase, in der ich von mir selber sage: Es hat sich was getan.

Cullawine und ich hatten in der Zwischenzeit noch mal ein Gespräch, in dem deutlich wurde: Hier ist etwas kaputtgegangen. Vorher, als wir innerhalb der WG täglich miteinander umgehen mussten, war für diese Erkenntnis kein Raum, da war das “Es ist schwer” sehr im Vordergrund. Nach diesem Gespräch war, das traurig war, aber auch fair und ehrlich, wollten wir uns erstmal nicht sehen. Was folgte, war bei mir erstmal eine Weile Trauer und Hilflosigkeit. Es ist ja leider nicht so, als wäre die Entscheidung gegen die Beziehung so eindeutig in mir gewesen, wie ich sie habe durchziehen müssen. Denn die schlechten Sachen, die ich loszuwerden hoffte (Schuld, Enge, Kopfkino, Erwartungen), gingen natürlich einher mit vielen guten Dingen. Nähe, gemeinsamer Alltag, und schlicht und einfach: Sie. Sie fehlt mir immer noch. Zwar glaube ich auch, dass ich mich richtig entschieden habe – zu einer Beziehung gehört einfach doch auch Übereinstimmung in den Vorstellungen, und nicht nur Liebe, aber natürlich blieb eine Trauer.

Danach kam eine große Ablenkung, eine Art Urlaub von dieser Trauer. Ich hatte vermutlich schlicht keine Kraft mehr, mich weiter damit zu beschäftigen, und – aus den Augen, aus dem Sinn – Cullawine war innerlich weiter weg.

Irgendwann kommt man sich bei sowas aber selbst auf die Schliche, und stellt fest: Man lenkt sich von sich selber ab. Seit einigen Tagen sind die Gedanken an Cullawine wieder öfter da, aber durchaus ein bisschen verändert. Anstatt “Wie komm ich wieder klar?” ist da wieder mehr Platz für ein “Wie kommen wir wieder klar?”.

Ich habe in der Zwischenzeit begonnen, morgens eine Meditation zu machen (ein Freund von mir konnte mich darin anleiten), weil ich das Gefühl hatte, bestimmte Gedanken und Gefühle viel zu schnell durch die Kopfmaschine zu schicken. Aus einem “Ich vermisse Cullawine” wurde unmittelbar ein undurchdringliches Gewirr von “Liebe ich sie noch?”, “War es falsch die Beziehuung zu beenden, hätten wir es schaffen können?”, “Stopp, J., geh nicht dorthin zurück, du machst dich unfrei”, “J., du kannst nicht immer so hin und her, du tust ihr damit weh” und was weiß ich nicht alles.
Die Meditation erschien mir als gute Übung, um Gefühle und Gedanken erstmal zu haben, bevor man sie analysiert.

Das ist natürlich ein Weg, vermutlich eher ein langer als ein kurzer, und in den Überlegungen, wieder Kontakt aufzunehmen, gehen die Gedankenketten schon wieder eher los. Aber immerhin ist wieder Raum für diese Überlegungen, der Schutzwall wird langsam weggeschaufelt, und ich bin ja ausgebildet, kleine Veränderungen wahrzunehmen.

Ich glaube, ich weiß sogar, was ich bräuchte, damit es weitergeht (und wie ich soeben lese, wenn ich den Beitrag hier drunter anschaue, wusste ich es auch Anfang April schon): Mehr zu mir stehen. Sicherer sein, dass ich okay bin, dass mein Weg okay ist, dass meine Liebe zu Cullawine okay ist aber eben auch meine Entscheidung, keine Beziehung mit ihr führen zu wollen.
In meiner Vorstellung sehe ich uns irgendwann miteinander reden, und beide stabil sein. Wenn sie weint, will ich mit ihr fühlen, aber keine Schuldgefühle haben. Wenn ich weine, will ich das tun können, ohne Rationalität und Gedanken über Berechtigung, zu weinen.

Noch bin ich nicht da, das merke ich, aber immerhin – die Schuldgefühle nehmen ab, ich traue mich wieder öfter, meine Gefühle zu haben und manchmal sogar, stolz darauf zu sein. There is a path.

Ich hoffe und wünsche sehr, dass bei Cullawine auch gute Dinge geschehen. Auch darum wächst das Bedürfnis, von ihr zu hören, denn ich fände es so schön, wenn es ihr besser ginge. Ich hab sie immer am meisten geliebt, wenn sie stark war.

Jetzt, wo die Trennung und der Auszug geschehen sind, kümmere ich mich mehr um mich. Nach wie vor bin ich zwar froh, dass Cullawine und ich in Kontakt bleiben, wir einen gemeinsamen Umgang suchen, aber ich stelle auch immer mehr fest, was bei mir so alles passiert ist, und dass ich mich darum kümmern muss und möchte.

Das vorrangigste und schlimmste: Dinge, die mich ausmachen, sind aufgeladen mit Schuld und dem Gefühl, sie wären falsch. Solche Setups machen einen ganz schnell psychisch krank, also schnell da ran.

Vorweg: Ich werfe Cullawine nichts vor. Auch sie kann nicht aus ihrer Haut, und ich habe mich selber entschieden, ihre Erwartungen zu erfüllen zu versuchen. Aber jetzt stehe ich da und will da raus.
Immer noch meldet sich ein schlechtes Gewissen, wenn ich Menschen nah komme, sowohl körperlich wie seelisch. Die Hemmung sitzt tief.
Es kommt der Impuls, jemanden zu küssen, einfach flüchtig auf die Wange, weil es ein schöner Moment ist und Liebe in mir ist, und das schlechte Gewissen kommt mit. Es sind Gedanken von Vergleich (“Darf ich hier lieben, wenn es mir bei Cullawine nicht gelungen ist?”) und Schuld (“Wenn Cullawine das wüsste, wäre sie verletzt”), die sofort wachwerden, und ich will sie nicht haben.
Ich will sie nicht haben, weil ich die Liebe in mir für etwas Gutes halte, so pathetisch das klingt. Ich will sie äußern können, will sie leben können. Ich lese von Mehrfachbeziehungen von Liebe ohne Eifersucht, davon, dass Menschen ganz (wirklich ganz) sie selbst sein können, und mein Herz geht mir auf. Das ist mein Weg.

Ich muss ihn jetzt freischaufeln. Sein, wer man ist. Zu dem stehen, was man will. 2008 wird das Jahr sein (hoffe ich), in dem ich Entscheidungen treffe, die mich näher zu mir führen. Immer wieder überlege ich, treuer zu mir zu stehen. Das würde vor allem bedeuten, mich mehr mit Gleichgesinnten zu umgeben. Es strengt so an, immer wieder anders zu sein, die eigenen Gefühle nie in einer Normalität aufgehoben zu fühlen. Kein Wunder, dass sich bestimmte Dinge falsch anfühlen…

Gestern sprach ich über die handfesten, unterschiedlichen Vorstellungen, die Cullawine und mir sehr erschweren, eine gemeinsame Beziehung zu führen.
In den letzten Tagen fällt mir immer mehr auf: Ganz so klar ist mein Standpunkt leider nicht. “Leider”, weil es natürlich sehr bequem ist, einen klaren, sicheren Standpunkt zu haben.

Ich hatte in der Beziehung immer das Gefühl, viel aufgeben zu müssen. Flirts, Zärtlichkeiten, wilde Nächte, Freiheit… Teile davon sind tatsächlich Punkte, von denen ich glaube, Cullawine hat da eine Schwäche und müsste lernen, lockerer zu sein.
Bei anderen Punkten, und die wilden Nächte gehören dazu, stelle ich fest: Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, würde mir das auch schwerfallen. Ich würde mich ebenso zurückgewiesen und ungeliebt fühlen. Bei Marveille war es auch so, dass über die vielen anderen wichtigen Menschen in ihrem Leben, mit denen es um Liebe und Sex ging, für mich irgendwann nicht mehr spürbar war, ob sie mich eigentlich auch liebt und begehrt. Dieses fehlende Gefühl hat dann für mich nach einiger Zeit den Ausschlag gegeben, den Kontakt abzubrechen…

Das ist natürlich seltsam: Ich selber habe ja sowohl Zugang zu meiner Liebe für Cullawine als auch zu meinem Wunsch nach sexueller Freiheit. Für mich ist ganz klar, dass letzteres für mich ersteres nicht schmälert. Aber doch weiß ich auch: Umgekehrt würde mir das ebenfalls wehtun.
Und dann wird für mich sogar verständlich, dass andere, kleinere Punkte ebenfalls schwierig für Cullawine werden, weil sie sich dann fragt: Ist das schon so viel wie das, was mir wehtut?
Wie soll sie denn locker sein, wenn sie weiß, ich möchte eigentlich Dinge, die schwer für sie sind?

Dieser Konflikt – ich habe das Bedürfnis nach sexueller Freiheit, und ich habe Verständnis dafür, dass Cullawine darunter leidet – ist nicht direkt auflösbar. Ich halte (rational) drei Wege für möglich, damit umzugehen.
Der erste ist: Da diese beiden Seiten nicht übereinzubringen sind, war die Trennung richtig, und eine Beziehung würde nicht gehen. Ging nicht, geht nicht. Punkt, aus, Ende der Fahnenstange.
Der zweite ist: Wenn ich doch verstehe, dass Cullawine unter bestimmten Punkten leidet, wenn ich selber auch drunter leiden würde – wie zur Hölle kann ich dann behaupten, man könne das verstehen? Dann müsste ich einsehen: Da passt irgendwas nicht.
Der dritte Weg ist: Wenn es in mir Verständnis für die Verletzlichkeit gibt, obwohl ich gleichzeitig doch auch weiß und spüre, dass sie unnötig wäre, muss es eigentlich einen Weg geben, das zu integrieren, sodass die Verletzlichkeit verschwindet. Dieser Weg hat vermutlich viel mit Kompromissen und mit Ehrlichkeit zu tun, und mit sehr viel Arbeit. Es ist wahrscheinlich der Weg, den wir die ganze Zeit versucht haben, und auf dem wir leider nicht weiterkamen.

Augenblicklich sind wir viel in Kontakt, sprechen viel, fühlen viel nach, bleiben offen. All das scheint mir in jedem Fall richtig zu sein.
Die Frage ist nur: Welcher Weg ist das?
Ein Ziel haben wir nicht. Noch ist der Weg also nicht klar. Wir folgen unseren Bedürfnissen, und das ist richtig so, aber vermutlich steht irgendwann doch einmal die Entscheidung für einen dieser Wege an.
Oder vielleicht gerade nicht, und was ansteht, ist schlicht, weiter zu gehen, ganz ohne Ziel?

Ihr seht, ich bin konfus.

Natürlich ist gerade auch eine Phase, wo ich viel von Polyamory, freiem lieben und allem in Frage stelle, schlicht weil es so unglaublich schwer ist, und zumindest aktuell tue ich jemandem weh, den ich liebe.

Da tut es dann zwischendurch gut, sowas wie beim Streetgirl zu lesen, die als Prostituierte arbeitet:

Sylvia hatte mich telefonisch bestellt. Sie klang recht sympathisch und wir vereinbarten den Termin. Als ich hinkam, empfing sie mich auch sehr freundlich und entschuldigte sich, weil es noch ein paar Minuten dauern würde. [...]
Etwa eine Viertelstunde später klingelte es und Rainer kam nach Hause. [...] Freundlich begrüßte er mich und meinte anerkennend zu Sylvia, dass sie einen fantastischen Geschmack hätte.
Und 5 Minuten später verschwanden Rainer und ich im Schlafzimmer und Sylvia vor dem Fernseher.
via Streetgirl

Gibt’s also doch, Beziehungen frei von Eifersucht, und Sex frei von Aufladungen.

Cullawine und ich sprachen gestern morgen am Telefon über Unabhängigkeit, weil sie auf verschiedenen Wegen manchmal das Gefühl bekommt, ich hätte den ganzen Schmerz schon hinter mir gelassen, würde nicht mehr leiden und sie auch nicht vermissen.

Das stimmt so nicht. Aber in mir ist eben beides, die große Trauer, dass es nicht ging, und die Klarheit, dass es nicht ging. Die Phasen, in denen ich mein Leben wieder weiterlebe, aufbaue, mich gut behandle und Spaß habe, sind halt nicht nur Ablenkung (auch, aber nicht nur), sie sind wichtig, um zu mir zu kommen, sie entsprechen auch der Klarheit. Wenn es so nicht ging, muss es weitergehen. Das ändert nichts daran, dass ich auch traurig bin.

Im Gespräch wurde klar, dass Unabhängigkeit unterschiedliches für uns bedeutet: Für mich ist Unabhängigkeit eine große Sicherheit, und deswegen verteidige ich sie mit Hauen und Stechen. Dieses Hauen und Stechen aber tut Cullawine weh, denn sie hört dann: J. will mich nicht.
Dabei sind das für mich 2 Gedanken, und ich stelle fest, ich muss sie möglicherweise ein wenig besser integrieren: Einerseits unabhängig sein, und andererseits jemandem nah sein wollen. Genau dieses “Beides” ist ja auch im Blogtitel: “freies” und “lieben”. Beides eben.

Wir haben das mit dem Gedanken verglichen, dass man irgendwann stirbt: Dieser Gedanke kann erschreckend oder tröstlich sein. Für mich jedenfalls ist er eher tröstlich, und schränkt nicht ein, dass man jetzt lebt.
Die Analoge zu “freies lieben” wäre “endliches Dasein”. Ja, es ist endlich. Aber erstmal Da sein.

Allerdings, das sehe ich schon ein, entspricht mein augenblickliches Verhalten eher dem Austausch “Ach, ist das Leben nicht schön?” – “Ja, aber nicht vergessen, man stirbt auch! Nicht, dass wir uns hier Illusionen machen.”

Da muss ich mal dranbleiben, glaube ich. Zwar gibt es auch sehr handfeste unterschiedliche Vorstellungen von Beziehung, die möglicherweise nicht zu vereinbaren sind, aber bei den Phantomen anzusetzen, die einen quälen, ist in jedem Fall eine gute Idee. Egal, ob es zielführend ist, es ist richtig.

“Du bist cool” sagte meine Mitbewohnerin gestern zu mir, und überraschte mich. Der Anlass war nämlich gar nicht so cool, denn ich war dabei, für ein paar Tage die WG zu verlassen, in der Cullawine und ich uns kennenlernten, zusammenwaren, trennten und jetzt eben miteinander umgehen mussten. Nun zieht Cullawine aus, und der zeitweise Auszug meinerseits war die Reaktion darauf, dass wir uns nicht vorstellen konnten, während Packen und Auszug aufeinanderzuhocken. Also lieber kurz “aus dem Feld gehen”.

“Wieso bin ich denn cool?”, fragte ich, denn ich fühlte mich eher sehr verloren in der Situation.
“Naja, euer Umgang ist cool, wie ihr allem Raum gebt, Liebe und Nicht-Liebe”.
Das war schön zu hören, denn das stimmt und ich verliere es manchmal aus den Augen. Der Umgang ist gut.

Zumindest solange ich davon ausgehe, dass die Trennung das richtige war, beziehungsweise das einzig mögliche, ist der jetzige Umgang gut. Eine Richtung ist nicht wirklich erkennbar – für Cullawine macht es das schwieriger, für mich aber erscheint es sehr authentisch. Ich will nämlich zweierlei: Einerseits will ich zurück zu mir finden, will Verstrickung auflösen und unabhängig sein. Andererseits will ich aber auch Cullawine in meinem Leben haben, will gerne eine Möglichkeit finden, wie es weitergeht, und hätte mir sogar gewünscht, dass die Beziehung klappt.
Der Weg, den wir jetzt gehen, entspricht diesen beiden Seiten in mir. Ich weiß zwar nicht, ob er in eine klare Richtung weist (eher nicht…), aber er ist aufrichtig. Auf jeden Fall ist er aufrichtiger, als entweder jeden Kontakt zu kappen oder stattdessen weiter in einer Beziehung zu bleiben, die sich nicht gut anfühlte.

Der richtige Weg ist nicht immer der schönste.

Mich haben Grenzgebiete von Sexualität und Geschlecht immer interessiert. Ob Asexualität (Menschen, die kein Interesse an Sex haben, aber durchaus an Zärtlichkeit und Beziehung), Transgender (Menschen, die sich zu einem anderen Geschlecht umoperieren lassen, weil sie sich im “falschen” Körper fühlen) oder eben auch Polyamory (Menschen, die Interesse an mehreren parallel geführten Liebesbeziehungen haben).

Das alles ist ja nicht “normal”, und das gefällt mir. Warum gefällt mir das? Ich glaube, weil Abweichungen von der Norm immer wieder neu in Frage stellen, was wahr ist. Das gibt es auch im Kleinen: In Deutschland beispielsweise gibt es ein Nacktheitstabu. Man kann nicht einfach nackt einkaufen gehen, wo kämen wir denn da hin. Einfach so nackt sein geht nicht. In der Sauna geht es dann aber plötzlich doch.
Auch Swingerclubs stellen die Sex-Negativität, die hierzulande herrscht, sehr in Frage: Offensichtlich gibt es Menschen, die schlicht ein Interesse an bindungslosem Sex haben, und das auch sehr erfolgreich tun.

Intersexuelle Menschen, oder auf vulgärsprachlich: Zwitter, eröffnen ebenfalls eine neue Wahrheit hinsichtlich der Rolle von Geschlecht für unsere Identität. Was ich nicht wusste: Jeden Tag wird in Deutschland ein intersexuelles Baby geboren. Das sind immerhin ein halbes Promill aller jährlichen Geburten – immer noch eine winzige Minderheit, aber eben doch keine Einzelfälle, sondern Fakt. Bei den meisten dieser Babys entscheiden dann die Eltern über das Geschlecht, und Eierstöcke oder Hoden oder was auch immer nicht ins Bild passt wird raus- oder abgeschnitten.

So mächtig ist die Zweigeschlechtlichkeit, so sehr will man ignorieren und anpassen, was das in Frage stellt. Da fragt man sich schon: Wieso wäre es so schlimm, ein drittes, viertes und fünftes Geschlecht zu haben?

Mehr Info gibt’s bei PolyLux in einem Beitrag, mit netten intersexuellen Menschen, bei denen man nicht versteht, warum es die nicht geben sollte. Wirken alle sehr freundlich und bescheiden.

(via Genderblog)

Viel geschieht, und ich werde immer wieder zurückgeworfen auf die Themen, die Ansichten und Einsichten, deren Erarbeitung hier im Blog dokumentiert ist.
Einige Unterscheidungen werden mir immer klarer, und das ist gut: Beziehung ist nicht Liebe, herrschaftsfreie Liebe hat nicht unbedingt mit Polyamory zu tun, und Verantwortung ist nicht Schuld.

Gerade letzteres gibt mir Nüsse zu knacken. In der Beziehung zu Cullawine war ich oft mit Schuld konfrontiert – nicht, weil sie mir Dinge vorwarf, sondern weil sie unter Dingen litt, die mir wichtig waren, die wichtig sind, um ich zu sein. Das macht einen Doublebind auf, denn plötzlich sind diese Dinge sowohl gut (weil: Ausdruck meines Selbst) wie schlecht (weil: Verletzung für sie). Ich vermute, dass für sie ein ähnlicher Doublebind bestand, weil ihre Verunsicherung (als Ausdruck ihres Selbst) war zugleich Gewalt gegen mich (weil ich mich einschränkte). So waren wir beide füreinander Belastung, sobald wir wir selbst waren.
Irgendwie glaube ich, dass es da etwas zu lernen gibt. Sich frei von Schuld zu machen, was einhergehen könnte mit dem Versuch Cullawines, sich freier von Erwartungen zu machen, denn Schuld empfand ich in den Momenten, in denen ich ihre Erwartungen nicht erfüllte. Aber wir haben es lange probiert, und sind immer wieder vor die Mauern gelaufen, die um die notwendige Erkenntnis errichtet sind, und auch vor jene, die der andere um sein Ich errichtet, teils zu recht (weil man zu sich stehen muss), teil sicher auch zu unrecht (weil nicht jedes Eindringen ein Angriff ist).
Da ich das nicht mehr ausgehalten habe, und weil ich nicht sah, was wir noch hätten tun können, habe ich kapituliert, und spüre jetzt deutlich:
Liebe ist nicht Beziehung. Ohne die Schwierigkeiten, die in der Beziehung so groß waren, ist mein Zugang zu meiner Liebe für Cullawine jetzt offen, und ich kann spüren: Ich liebe sie.

Mit einem gewissen Abstand ist es schön, das spüren zu können, und frei von Bitterkeit und Ärger sein zu können. Ohne diesen Abstand ist die Paradoxie fast nicht zu ertragen, dass die Liebe nur Raum hat, wenn wir keine Beziehung haben.

Aber eines bleibt wohl wahr: Zu sich zu stehen, auf sein Gefühl zu vertrauen, und nach dem Glück zu streben, ist die einzige Chance, die man hat, auch wenn das Dinge verbaut und andere Dinge zerstört, auch wenn man sich selbst weh tut und anderen.

I don’t have a girlfriend. But I do know a woman who’d be mad at me for saying that.
Mitch Hedberg, Comedian

Das Zitat fand ich gerade auf quotationspage.com und fand mich darin wieder.