Archiv der Kategorie: Lieben

Zärtlich, intensiv, authentisch und wunderbar” war die Beschreibung für die Beziehungen zu den beiden Frauen, die ich kennenlernen durfte.

Zweimal was ganz Eigenes” gehört aber zu der Beschreibung, denn sie sind eben nicht auf gleiche Art und Weise zärtlich und intensiv und so. Genau diese Eigenheit ist das Thema dieses Posts.

Ich habe ja immer behauptet, dass sich zwei Beziehungen schon allein deshalb nicht in die Quere kommen, weil sie völlig unterschiedlich sind. Jede Beziehung zu einem Menschen ist einzigartig und unvergleichlich. Und ich kann jetzt sagen:
Stimmt. Hab ich überprüft, kann ich bestätigen.

Mit Ava führe ich eine “Affäre” und genieße eine Art des Miteinanders, die den Idealen der Einfachheit und Selbstliebe folgt. Was will ich gerade? Was will der/ die andere? Das Ganze geschieht sehr praktisch, sehr direkt, und Ava hat sich sogar ausgebeten, weniger zu sprechen und mehr zu leben, mehr nachzuspüren, wie es gerade ist zwischen uns.

Mit Inari dagegen ist es primär die geistige Nähe und eine vorsichtige Zärtlichkeit, die uns verbindet. Wir sprechen stundenlang, begeistern uns an den gleichen Ideen und Werten, und sind uns Insel in dem Wust von feindlichen Definitionen.

Diese jeweilige Eigenheit zu erleben und anzuerkennen ist erstaunlich schwierig. Ich ertappe mich dabei, wie ich (mal so rum, mal so rum) denke: “Aber das ist doch jetzt eine richtige Beziehung, das andere ist doch irgendwie was anderes”. Oder ich verliere mich in dem Anspruch, beides müsste jetzt in irgendeiner Form gleich sein. So nach dem Motto: “Mist, gerade hab ich voll Lust auf ein Treffen mit Ava, hab ich eigentlich auch Lust auf Inari?”.
Aber immer wieder löst es sich auf. Immer wieder stelle ich fest: Genau so, wie es mit beiden ist, ist es perfekt. Und noch mehr: Jedes meiner Gefühle darf sein. Beide Beziehungen (!) sind anders – es geht nicht um die Unterschiede zwischen den beiden Menschen, es geht darum, dass auch meine Gefühle unterschiedlich sind. Ein Bestreben, sie gleich zu machen, läuft genau diesem Erleben der Eigenheit (= die andere Person als einzigartig und genau so richtig erkennen) zuwider.

Aber bei aller Schwierigkeit lerne ich sehr viel: Beispielsweise lerne ich (was mit der Eigenheit zusammen hängt), dass es ganz schön Kraft kostet, sich tatsächlich auf beide einzulassen. Zum Einen, weil ich emotional bei beiden richtig eingestiegen bin. Ich schwinge mit beiden mit, ich gehe da rein, und es ist eben schlicht die doppelte Menge an Emotion, wenn man so will. Zum Anderen erfordert es meine Aufmerksamkeit, mich jeweils neu einzulassen auf diejenige, die ich gerade treffe in all ihrer Einzigartigkeit.
Ich beginne bereits, mich in Ritualen wohl zu fühlen, die es mir ermöglichen, dieses Neu-Einlassen gut zu begehen. Zwischen Treffen mit den beiden brauche ich eine Pause, und wenn es nur eine halbe Stunde ist. Wenn ich mit Ava körperlich war, brauche ich unbedingt eine Dusche für mein Wohlgefühl. Ich möchte beiden fair begegnen, und dafür brauche ich Raum.

Heute beispielsweise brauchte ich einen Tag für mich. Auch das eine hilfreiche Lektion. Über die Feiertage gab es viel und unglaublich schönen Kontakt zu Ava wie Inari (wirklich mal ein Fest der Liebe, zur Abwechslung), was nicht nur meine Nächte kurz, sondern auch mein Leben reich gemacht hat. Jetzt brauchte ich Besinnung.

Und so komme ich über die reichliche Liebe, über die fantastische Begegnung, und über die Eigenheit der beiden zurück dahin, wo ich niemals weg wollte, und was ich doch mit Cullawine gelegentlich aus den Augen verlor: Zu mir und meinen Bedürfnissen.

Das ist ein bisschen gelogen, aber ein bisschen ist es auch wahr. Wenn die Welt nach den Definitionen funktionieren würde, die ich in mir habe, wäre es wahr. Zwei Frauen sind in mein Leben getreten, in beide bin ich verliebt, und beide finden das gut bis okay. Unser Miteinander ist zärtlich, intensiv, authentisch und wunderbar.

Grund genug für mich zu sagen: Ich lebe gerade zwei Beziehungen.

Das Spannende ist, dass jetzt all das Geschreibe und Behaupte, das ich so in die Welt gepustet habe, ins Tun kommt. Jetzt geht’s ab. Jetzt endlich mal “praktische Polyamory”. Ich hab in letzter Zeit oft an das Blog gedacht, und dass mir gerade Dinge widerfahren, die hierher gehören. Nur war das hier immer ein Ort der Theorie. Das ist sozusagen die Bedienungsanleitung für das Fitnessgerät, und jetzt steh ich eben auf dem Ding.

Ich hoffe, es gelingt mir, die Erfahrungen zumindest teilweise hier abzubilden (und überhaupt erstmal konzeptuell einzufangen, ich kann ja keine Gefühle posten sondern nur Wörter).

In diesem Sinne: Auf geht’s.

16.11.2009 12:22
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Lieben

“I’m not sure about the category, but it’s high-ranking”

Dieser Satz fiel im Gespräch eines Freundes mit einer jungen Frau, während sie sich kennenlernten und überlegten, was da gerade zwischen ihnen passiert. Traumschöner Satz.

Ich habe mich mit meinem lieben Freund Clayton getroffen, mit dem mich viel verbindet. Beispielsweise haben wir beide Beziehungen hinter uns, in denen es unseren Partnerinnen und auch uns so vorkam. als hätten Clayton und ich Beziehungen nicht so drauf. Bindung, das merkten wir, fällt uns eher schwer, wir haben schnell das Gefühl, uns zu verbiegen und brauchen viel Freiraum.

Das zumindest ist die dominante Geschichte, die für unser Seelenleben zur Verfügung steht.

Clayton hat jetzt eine gegenteilige Erfahrung gemacht, die ihm zeigte: Wenn die Partnerin mich nicht mehr spürt, muss das nicht daran liegen, dass ich den Kontakt habe abreißen lassen. Es kann auch daran liegen, dass sie den Kontakt verloren hat.

Und da fiel ihm auf, was auch außerhalb dieser ganz speziellen Situation wahr ist: Das ist dann ihr Ding. Es ist ihr Gefühl von allein-gelassen-sein. Dieses Gefühl lässt sie rausfallen, nicht sein Verhalten. Er war gar nicht aus dem Kontakt getreten: Sie hat ihn nicht mehr spüren können. es ist, wenn überhaupt, ihr Versäumnis, oder besser: Ihr Thema (wie Clayton mir per Mail noch schreibt, ist das natürlich nicht trennbar, sondern ist auch ein gemeinsamer Prozess, der zwischen zwei Menschen stattfindet. Essentiell ist vor allem: Es ist nicht mein Versäumnis, nicht meine Schuld).

Damit konnte ich viel anfangen. Ich würde beispielsweise Cullawine nie vorwerfen, sie hätte mich eingeengt oder mir Schuldgefühle gemacht. Ich war es, der Enge und Schuld erlebt hat, und die Beschäftigung damit, warum ich das empfinde, hat mich viel verstehen lassen über mich. Im Grunde ist es nur der umgekehrte Schuh, dass auch ihre Gefühle von verlassen-werden, nicht vertrauen können, eigentlich ihre Gefühle sind (und wie so oft denke ich wieder an den weisen Satz: “Own your feelings“).

Damit löst sich auch ein Teil der Schuld auf, was natürlich gut ist. Nach dieser Variante habe ich kein Bindungsproblem. Clayton hat es so ausgedrückt: Die Basis, auf der wir in Kontakt stehen mit unseren Liebsten ist eben ziemlich freistehend. Unser Vertrauen in die Liebe wird nicht erschüttert, nur weil man sich nicht sieht, sich nicht hört oder so etwas.

Wir haben überhaupt kein Problem, in Kontakt zu sein.

Natürlich (wichtig!) haben wir Probleme, die augenscheinnlich werden, sobald wir in Beziehung treten. Ich beispielsweise habe ein Schuld-/Verantwortungs-Thema. Aber das ist kein Bindungsproblem, das ist ein Schuld-Problem, genau wie es beispielsweise Sicherheits- oder Vertrauensprobleme  gibt, die Menschen dazu bringen, den Kontakt zu verlieren.

Und plötzlich sind alle gleich kaputt. Da begegnet man sich dann plötzlich auf Augenhöhe.

Eifersucht ist dummerweise real. Sie ist zwar nur ein Gewand für Selbstzweifel, Verlassensängste und Neid, aber dennoch sehr real. Man kann sie spüren, und sie nervt. Gerade erlebe ich selber hin und wieder Eifersucht gegenüber Kira, in die ich verliebt bin, und dadurch wächst mein Verständnis für andere Menschen, die eifersüchtig sind.

Gestern im Park mit einem Freund erzählte er davon, dass seine Freundin eifersüchtig wäre auf zwei Begegnungen mit wunderbaren Frauen, die er erlebte, und sie fragte ihn danach, was diese Begegnungen im bedeuten würden.

Ich hasse diese Frage. Die erwartete Antwort ist nämlich: “Gar nichts, Liebling, die Bedeutung ist, besonders im Vergleich zu deiner Bedeutung, absolut nichtig.”

Aber das stimmt nicht, und es ist eine Schande, es so beschreiben zu müssen. Solche Begegnungen sind nämlich heilige Momente, in denen es einem gelingt, sich zu öffnen, mehr die Person zu sein, als die man sich fühlt, es ist ein Treffen zweier Seelen, die miteinander in Schwingung gehen, es macht das Leben intensiv und schön, kurz: Es ist der totale Hammer.

Aber wie gesagt, mein Verständnis für Eifersucht wächst, denn die Frage “Was bedeutet dir diese Frau?” ist ein Code, und die tatsächlich dahinter steckende Frage ist: Was bedeute ICH dir? Es ist ein Missverständnis, wenn man stattdessen auf die gestellte Frage antwortet und sich gezwungen sieht, diese traumhaften Begegnungen herunterzuspielen (und damit die eigene Erfahrung ärmer zu machen).

Vielleicht kennt ihr Situationen, in denen ihr eifersüchtig wart und euch von einer anderen Person bedroht fühltet, und vielleicht habt ihr gefragt, was diese Person bedeutet. Wenn ich erneut in die Situationen gehe, in denen ich das erlebt und gefragt habe, stelle ich ganz klar fest: Linderung brachte immer nur die Antwort auf die Frage: “Was bedeute ich ihr?.

Mit dieser Erkenntnis einher geht für mich eine weitere Einsicht in die Natur von Beziehungen, gerade auch bei in die Natur von offenen Beziehungen, Mehrfachbeziehungen: Eine Beziehung wird zur Beziehung, weil ich mich bemühe, die Bedeutung meines Partners (bzw. meiner Partner) spürbar für ihn (oder sie) zu machen. Das ist meine Verantwortung. Bei allen wunderbaren Erlebnissen, die ich habe, bei allen Bedürfnissen nach Freiheit und der Möglichkeit, meinen Impulsen zu folgen, bleibt das die grundlegende Verantwortung: Emotional beim Partner bleiben (oder zurückkommen), sich selbst und ihm die Bedeutung klarmachen, die er für mein Leben hat.

Ich bin ein Geber.

Ein anderes Wort, das mir häufig dafür begegnet, ist “Helfer-Komplex”. Aber es bleibt dabei, ich gebe gern, gebe vor allen Dingen “mich” gern. Ich öffne mich gern, vertraue gern, berühre gern, bin gern da für jemanden. Ich gebe Energie. Daraus erschließt sich eine ganze Menge: Die Wahl meiner Hauptberufe (Psychotherapie und neuerdings Massage) oder auch meine Tendenz, Menschen gern zu berühren und zu streicheln (denn das wünschen sich die meisten). Letztere Eigenschaft von mir hat Cullawine in einem Streit einmal zum Anlass genommen, mir zu sagen, ich würde mich benutzen lassen. Ich wäre für lauter Leute eben eine praktische Quelle von Zärtlichkeit oder Anerkennung, und wenn diese Leute das bräuchten, wäre ich ein willkommener Gast. Es wäre aber nicht fair, ich würde dabei benutzt.

Das saß. In dieser Deutung fehlt mir zwar ein bisschen, dass mir das Berühren und Streicheln natürlich gefällt, was das Ganze weniger einseitig wirken lässt, aber es ist was Wahres dran. Das Gefühl, wenn es nicht so ist, wenn ich einfach nur geliebt werde, habe ich mit Cullawine erfahren, und es ist ein wundervolles Gefühl.

Mir fällt dieses “Benutztwerden” erst auf, wenn ich selbst in bedürftigen Phasen bin, oder wenn sich irgendwelche Rahmenbedingungen ändern. Dann merke ich: Hoppala, die zärtliche Ebene, die wir hatten, war ja gar nicht stabil. Plötzlich ist da ein neuer Partner/ eine größere Zufriedenheit, und die Nähe, körperlich wie emotional, ist weg. Und ich frage mich: Oh, war ich gar nicht gemeint? Ging es nur um das Fehlen von Partner und Zufriedenheit, und ich war guter Ersatz, ein Flicken?
Das tut dann weh.

Ähnlich ist es auch, wenn ich selbst dann einmal Nähe brauche, und feststelle: Sorum ist es scheinbar nicht okay.

Und jetzt wird das Ganze etwas knifflig. Gerade ist eine Phase, in der ich bedürftig bin. Ich will geliebt werden, und ich spüre deutlich den Wunsch in mir, dass da jemand ist, der unbrechbar hinter mir steht, mich ehrt und schätzt und begehrt.

Gleichzeitig spüre ich aber auch: Das bleibt aber innerhalb des bestehenden Musters, ich suche gerade Flicken für Löcher, die in mir sind. “Wenn jemand Liebe will, gibt es keine Liebe mehr, sondern nur noch Beweise der Liebe”. Es ist im Grunde wie mit den Menschen, von denen ich mich benutzt fühlen könnte, nur eben mit getauschten Rollen: Es geht um ein Ganz-Machen. Derjenige zu sein, der als Flicken benutzt wird, ist nur der Spiegel zu dem, dem etwas fehlt.
Beide Rollen bleiben in der Idee: Man muss komplett werden, man hat nur einen Flügel und muss sich umarmen um zu fliegen.

Aber es kann nicht aus dem Außen kommen. All die Sicherheit, Liebe und Gelassenheit wird nicht gegeben, sie kann nur gespürt werden. Es ist Selbstliebe.

Das sehe ich, und mein Yoga gestern hat mich darin bestärkt. Aber mein Gott, was ist das knifflig umzusetzen. Es ist ja ohnehin schon schwer, aus sich selbst heraus die Löcher zu stopfen, an die man sich über die Jahre gewöhnt hat, aber es ist noch schwerer, beim Stopfversuch nicht alle auszusperren.

Das ist mir nämlich auch schon öfter passiert: Während ich gut dabei war, ganz bei mir zu sein, und aus mir selbst heraus Stabilität und Sicherheit zu finden, fielen mir plötzlich meine Liebsten aus dem Boot. Den Kontakt zu ihnen zu halten, ihn zu genießen und sich dran zu freuen, und sie dabei nicht als Flicken zu missbrauchen, das ist richtig richtig schwer.

Und zu allem Überfluss haben die ja genau die gleichen Sachen am laufen, und möglicherweise sind sie selber schwer dabei, einen Flicken zu suchen, oder eben selbst zu stopfen und dabei weniger in-Beziehung-sein können.

Sachdienliche Hinweise werden liebend gern angenommen.

Wow. Ich ging ins Blog, um einen Artikel zu suchen, und las nochmal den letzten. Der kommt genau richtig. Die Zweifel, gegen die ich die innere Wahrheit verteidigen wollten, sind gerade heute wieder stark, und sind es immer wieder mal.

Dabei muss ich ziemlich genau hinschauen, um rauszufinden, was eigentlich das verdammte Problem ist. Im Grunde ist ja alles ganz einfach: Wenn ich mit Cullawine nicht mehr zusammen sein will, mache ich Schluss. Dummerweise erscheint mir das aber nicht als Lösung, denn ich habe dummerweise nicht das Gefühl, dass Cullawine das Problem ist. Zwar zweifle ich an Tagen wie heute auch daran, ob wir überhaupt zusammenpassen, aber die Gefühle von Überforderung und “nicht-bei-mir-sein” hatte ich auch nach der Trennung. Die haben mit mir zu tun.

Was ich finde, ist etwas, das ein Freund von mir kürzlich das Freiheitsmotiv nannte. Es ist stark in mir (und auch in ihm), und tatsächlich erklärt das ziemlich genau, was in mir passiert. Ich fühle mich unfrei, und das stört mich. Das hat nur sehr sekundär mit Cullawine zu tun, denn es hängt eher an meiner Sicht von mir, an meinem Verhalten ihr gegenüber und meinen Gefühlen gegenüber.

Das Freiheitsmotiv ruft nach uneingeschränktem Erleben. Es will alles tun können – möglicherweise will es nicht mal wirklich alles tun, es will es aber können.
Single sein hieß für mich, das erkenne ich gerade, immer, eine riesige Welt von Möglichkeiten um mich herum zu wissen. Jeder Moment konnte fließen, wohin er wollte. Jeder schöne Abend durfte zu einer schönen Nacht werden. Jede Umarmung durfte etwas länger dauern, an jeder schönen Frau in der Stadt konnte ich mich erfreuen und mir erbauliche Zeitvertreibe mit ihr ausdenken.

Dazu muss man sagen: Getan habe ich all sowas eher selten. One Night Stands hatte ich nie, und dass ich mal spontan irgendwo übernachtet hätte, wüsste ich auch nicht. Und, mal ehrlich, irgendwelche schönen Frau in der Stadt hinterherzugucken ist nun wirklich kein Privileg von mir und meinem Singlesein. Das ist ja Volkssport (was das über das Frauenbild im Volk und in mir aussagt, ist übrigens noch eine ganz andere Frage, mit der ich mich beizeiten mal beschäftigen muss). Es ging eben nicht ums tun, sondern um die Freiheit, es zu tun.

Nun gilt es herauszufinden und zu verhandeln, was dieses Freiheitsmotiv in einer Beziehung will und sein kann. Ich bin ja weiterhin ich, und für mich darf eine Beziehung das nicht einschränken. “Mein persönliches Glück ist mir wichtiger als die Beziehung”, hat der Freund auch noch gesagt. Und natürlich hat er Recht.
Es geschieht mir zu oft, dass ich mehr schaue, was “die Beziehung” braucht, was andere Paare so machen (nämlich sich sehr oft sehen), was Cullawine gern hätte (nämlich Liebesbeweise hie und da und gemeinsame Lebensplanung) und all so was, und muss ehrlicherweise sagen: Das erschreckt mich alles ganz fürchterlich.

Mir sind meine Gefühle für Cullawine viel näher als die Beziehung. Ich war nie scharf auf eine Beziehung, das ist strukturalistischer Überbau für etwas, was ganz im Herzen passiert. In den Momenten, wo es mir gelingt, einfach Cullawine als Cullawine zu sehen, geht’s mir total gut. Sie sagt dann, das wäre nicht anders als eine Freundschaft, aber das stimmt nicht. Oder irgendwie schon, weil auch das nur strukturalistischer Überbau ist, und entfernt man den, sind viele Sachen gleich, aber der Punkt ist doch der:
Wenn ich Cullawine als Cullawine sehe, dann bin ich doch nicht aus der Beziehung ausgestiegen, sondern maximal drin, nämlich maximal bei ihr.

Ich glaube, wie überstürzen da ein paar Sachen. Eigentlich sind wir ja unter der Prämisse zusammenzukommen, einen gemeinsamen Kurs zu finden, ganz wir selber zu sein und zu schauen, was sich daraus so ergibt. Gerade mache aber zumindest ich den Fehler, dass ich schon viel zu sehr wieder irgendeine Struktur bediene, die noch gar nicht mit mir abgestimmt ist. Und um den gemeinsamen Kurs zu finden, muss ich – glaube ich – ganz, ganz viel maximal bei ihr sein. Anstatt zu überlegen, wie oft man sich sehen sollte, wann man anrufen sollte. Was so die Rahmenbedingungen einer Beziehung sind. Das interessiert mich alles nicht.

Insofern: Vielleicht will das Freiheitsmotiv gerade wieder eine Welt voll Möglichkeiten haben, und das Problem ist nicht (oder zumindest nicht hauptsächlich), dass die Beziehung die Welt um mich rum verändert, sondern dass ich bislang die Beziehung noch nicht als Teil dieser Welt sehe. Auch die Beziehung soll eine Welt voller Möglichkeiten sein, soll frei sein von Struktur und Regeln, sondern soll authentischen Austausch ermöglichen.

Mal sehen, was sie so dazu sagt.

Viel geschieht, und ich werde immer wieder zurückgeworfen auf die Themen, die Ansichten und Einsichten, deren Erarbeitung hier im Blog dokumentiert ist.
Einige Unterscheidungen werden mir immer klarer, und das ist gut: Beziehung ist nicht Liebe, herrschaftsfreie Liebe hat nicht unbedingt mit Polyamory zu tun, und Verantwortung ist nicht Schuld.

Gerade letzteres gibt mir Nüsse zu knacken. In der Beziehung zu Cullawine war ich oft mit Schuld konfrontiert – nicht, weil sie mir Dinge vorwarf, sondern weil sie unter Dingen litt, die mir wichtig waren, die wichtig sind, um ich zu sein. Das macht einen Doublebind auf, denn plötzlich sind diese Dinge sowohl gut (weil: Ausdruck meines Selbst) wie schlecht (weil: Verletzung für sie). Ich vermute, dass für sie ein ähnlicher Doublebind bestand, weil ihre Verunsicherung (als Ausdruck ihres Selbst) war zugleich Gewalt gegen mich (weil ich mich einschränkte). So waren wir beide füreinander Belastung, sobald wir wir selbst waren.
Irgendwie glaube ich, dass es da etwas zu lernen gibt. Sich frei von Schuld zu machen, was einhergehen könnte mit dem Versuch Cullawines, sich freier von Erwartungen zu machen, denn Schuld empfand ich in den Momenten, in denen ich ihre Erwartungen nicht erfüllte. Aber wir haben es lange probiert, und sind immer wieder vor die Mauern gelaufen, die um die notwendige Erkenntnis errichtet sind, und auch vor jene, die der andere um sein Ich errichtet, teils zu recht (weil man zu sich stehen muss), teil sicher auch zu unrecht (weil nicht jedes Eindringen ein Angriff ist).
Da ich das nicht mehr ausgehalten habe, und weil ich nicht sah, was wir noch hätten tun können, habe ich kapituliert, und spüre jetzt deutlich:
Liebe ist nicht Beziehung. Ohne die Schwierigkeiten, die in der Beziehung so groß waren, ist mein Zugang zu meiner Liebe für Cullawine jetzt offen, und ich kann spüren: Ich liebe sie.

Mit einem gewissen Abstand ist es schön, das spüren zu können, und frei von Bitterkeit und Ärger sein zu können. Ohne diesen Abstand ist die Paradoxie fast nicht zu ertragen, dass die Liebe nur Raum hat, wenn wir keine Beziehung haben.

Aber eines bleibt wohl wahr: Zu sich zu stehen, auf sein Gefühl zu vertrauen, und nach dem Glück zu streben, ist die einzige Chance, die man hat, auch wenn das Dinge verbaut und andere Dinge zerstört, auch wenn man sich selbst weh tut und anderen.

Jahrelang habe ich mich bemüht, eine Beziehung nicht zu brauchen. Denn, so schien und scheint mir, das Brauchen kann nicht die Basis einer Entscheidung sein. Niemand entscheidet sich frei, regelmäßig zu essen und zu schlafen. Es muss eben sein. Eine Beziehung, so denke und dachte ich, muss aber frei begangen werden.
Auch habe ich immer versucht, Gefühle zu Menschen als etwas zu sehen, dass ein MEHR ermöglicht, anstatt sie darüber zu definieren, was alles nicht mehr geht.

Diese Punkte machen es gerade nicht leichter mit Cullawine. Ich gehe durch die Stadt, und sehe immer Dinge, die ich jetzt besser lasse, weil sie ihr wehtäten. Ein Flirt hier, eine Berührung da, ein verliebter Blick.
Und weil ich Cullawine nicht brauche, gibt es wenige der klassischen Gewichte, die jene “Enthaltsamkeiten” aufwiegen könnten. “Man kriegt halt auch etwas zurück” sprach sie, denn sie stimmt mir zu, dass man Freiheiten aufgibt. Dieses Etwas zurück ist für mich nicht so spürbar.

Wenn ich heute entscheiden würde, würde ich mich dagegen entscheiden. Aber wir haben einen Deal (und ich finde ihn gut), dass wir nicht sofort die Beziehung in Frage stellen, wenn es einem von uns mal nicht gut geht. Und das ist schlau, denn ich bin heute viel zu früh aufgestanden und habe die letzten Tage wenig Dinge gehabt, die mein Leben aufregend und besonders machten, dann werde ich immer empfindlich.

Heute entscheide ich es also nicht.

02.02.2006 18:59
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Film
Lieben

So, ich habe mir, nachdem mir von mehreren Seiten nur Gutes berichtet wurde, in der Tat die Träumer gekauft.

Nun bin ich nicht besonders gut in Filmkritiken. Oder Buchkritiken. Kann Amazon eh beides besser, die sind da ja auch für da. Erzählen, was passiert, tue ich eigentlich ungern, und wenn dann nur mit Spoiler-Warnung – die ich bereits gebe, wenn ich etwas jenseits von Seite oder Minute 60 schreibe, unabhängig davon, wie wichtig das für den Film ist.

Filme sind Flucht. Und da ich in letzter Zeit immer deutlicher merke, dass Flucht meine Strategie bei Problemen ist (Flucht in die Isolation, Flucht in die Verdrängung, Flucht in den Code), ist auch klar, warum ich Filme mag. Weg mit den hässlichen Menschen und dem alltäglichen Alltag, her mit Geschichten. Szenen. Ich wünschte, meine Tage wären Szenen. Ich kann’s auch nie schlimm finden, wenn mir jemand eine Szene macht…

Wie dem auch sei, eben weil Filme Fluchten sind, die ich wahrhaftig niemandem verdenken will, mag ich Leuten keine Anker setzen in die Realität. Wenn jemand mitten im Film daran denkt, dass ich ihm oder ihr diese Szene vorher verraten habe, ist man -zack- zurück in der Welt. Ganz egal, wie winzig die Info ist.

“Achja, da schlägt er jetzt den Nagel ein, stimmt, hat J. ja erzählt.”

Richtig verheerend ist es, wenn man dann darüber hinaus Dinge verrät.

“Das ist doch der Nagel, an dem er sich nachher aufhängt!”

Immersion futsch, Flucht futsch, Film futsch. Dann ist der Film nur noch eine Reihe von Bildern.

In die Träumer sind es ungefähr 165000 Bilder, und in ungefähr 100 davon spricht Matthew, einer der drei Protagonisten, den folgenden Satz:

“Ich will nicht ‘über alles’ geliebt werden. Ich will nur geliebt werden.

Und jetzt muss ich leider doch erklären, warum das so schön war. Also, konsequenterweise:


*** SPOILER-WARNING ***

Matthew zieht bei Isabelle und Théo ein, einem Geschwisterpaar, das unverschämt (sic) innig miteinander ist, und zwischen den dreien entwickelt sich eine große Liebe, eine große Zärtlichkeit, überhaupt etwas ziemlich Großes. Das Ganze hat noch andere Ebenen, die nicht alle schön und rein sind, aber die tun hier nichts zur Sache.
Jedenfalls ist Matthew in den erwähnten 4 Sekunden sehr berührt von all dem, und sagt zu Isabelle, was es zu sagen gilt, wenn es wirklich stimmt. “Ich liebe dich, Isabelle.”
Sie antwortet, schläfrig vom Bade, in dem die drei sich befinden: “Ich liebe dich auch, Matthew.”
“Ja, aber… Ich liebe dich wirklich”, beharrt Matthew, und erläutert, nachdem auch Theo bestätigt, dass sie beide ihn wirklich lieben, dass das eigentlich nicht das ist, was er hören wollte.
“Was wolltest du denn hören”, fragt Theo.
“Ihr solltet sagen ‘Ihr liebt mich’.”
Das geht dann ne Weile so hin und her, bis Isabelle sich irgendwann wieder einschaltet, etwas harsch und sehr bestimmt sagt

“Was hast du denn? Wir lieben dich über alles…!”
“Ich will nicht ‘über alles’ geliebt werden. Ich will nur geliebt werden.”
Isabelle und Matthew in “Die Träumer”

Das allein ist schon ganz wunderschön. Es klingelt dabei etwas in mir, als hätte man mein inneres Rentier geweckt. Ich kann kaum erklären, was es ist… klar, zum Einen ist deutlich, dass es nicht um eine Hierarchie geht, nicht um Versprechen von Unvergleichlichkeit und großen Mythos, sondern einfach um Liebe. Aber da ist noch mehr, so eine große, einfache, fast kindliche Wahrheit, die mich berührt.

Umso breitseitiger trifft mich dann Isabelles ruhiges Resümee seiner schönen Worte:

“Wenn jemand Liebe will, dann gibt es so etwas wie Liebe nicht, sondern nur Beweise der Liebe.”

Ich bitte, das kurz mal zu überdenken.

Mich trifft es.
Wenn ich darauf warte, wenn ich Liebe “will”, dann reduziert sich alles, was mir widerfährt, auf die Dichotomie “drückt Liebe aus – drückt keine Liebe aus”. Und dann gibt es nur noch die Dichotomie, und nicht länger die Liebe.

Es ist der Erwartungsgedanke, aber er ist endlich mal nackt.